Kapitel 23 - Richtige Entscheidung

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Jahr 0 nach der Ruhe

„Sag mir", eröffnete Laurent, der vor mir in die Hocke gegangen war, um mit seinem Gefangenen auf Augenhöhe zu sein: „Sag mir, wie ich Kontakt zu deinem Gott aufnehmen kann"; verlangte er sachlich und ohne Spott in seiner Stimme. Ich schwieg und er zog seine linke Augenbraue sanft nach oben: „Falls es ihn wirklich gibt."

Da war er, der Spott. Ich reagierte noch immer nicht, sondern überlegte, was zu tun war. Sollte ich doch mit der Wahrheit heraus rücken und ihnen unsere gemeinsame Vergangenheit offenbaren? Eine Vergangenheit, in der ich ein Mörder gewesen bin.

„Hey, du. Gläubiger", er schnipste mehrmals mit seinen dünnen grazilen Fingern vor meinen Gesicht herum.

„Ich weiß doch nicht mal, wie ihr heißt", ich hatte mich entschieden und ich hatte mich zum lügen entschieden. Laurent runzelte die Stirn und warf einen kurzen Blick zu seinen Gleichgesinnten, die zu beiden Seiten hinter ihm standen.

„Nun, ich denke das tut kaum etwas zur Sache", wich er offensichtlich aus.

Ich schürzte meine Lippen; er sah mich fragend an, bevor ihm aufging, dass ich nur Zeit schindete. Seine Brauen zogen sich wütend zusammen, doch bevor er etwas sagen konnte, schürzte ich meine Lippen noch ein weiteres Stück und er brach seinen Satz wieder ab, ohne ihn begonnen zu haben.

„Was soll das? Was bezweckst du mit dieser Mimik zu erreichen?"

„Komm ein wenig näher, dann erkläre ich es dir", nuschelte ich durch meine gespitzten Lippen, die bereits krampfhaft schmerzten. Zögernd beugte er sich näher zu mir heran und ich spuckte ihm ins Gesicht.

„Du dreckiger-", er verstummte, sich von mir wegbewegend, und verpasste mir dafür einen Schlag mit seiner Rechten, den ich unweigerlich einstecken musste. Meine Hände waren mir auf den Rücken gefesselt. Das Stück Schnur, das sie dafür verwendet hatten und das Alain in seiner löchrigen Hosentasche gefunden hatte, scheuerte grässlich, sodass meine Handgelenke bereits einigermaßen wund waren.

Ich lächelte; meine Nase blutete.

„Es gibt einen einfachen Weg, mit Gott in Verbindung zu treten", offenbarte ich dann, scheinbar durch den Schlag hilfsbereiter.

„Ach ja?", hakte Élodie vorsichtig nach. Sie war von meiner Spuckattacke sichtlich pikiert und hielt einen größeren Abstand von mir, als sie es vorher getan hatte.

„Ja", bestätigte ich und grinste wie ein Bluthund: „Nimm mir diesen Strick von den Händen und..."

„Und?"

„Und leg ihn dir um den Hals. Mehr brauchst du nicht zu tun, den Rest erledige ich dann schon." Sie erwiderte mein Lächeln ein wenig unsicher und wand sich dann, Alain auf den Rücken klopfend, ab und ging zu einem kleinen Feuer, dass sie sich unbedarft zusammengewerkelt hatten. Alain mit seinem muskulösen Körperbau, das Gewehr samt Bajonett in der Armbeuge, beherrschte das Grinsen auf eine andere, weitaus brutalere Weise, und es kündete von Schmerz; meinem Schmerz.

„Na, mein Großer", begrüßte ich ihn keck, während ich in meinem Hinterkopf ein Stoßgebet an Lùmon' sandte. Der grobschlächtige Mann mit den breiten Kiefern machte auf mich einen mehr als dümmlichen Eindruck.

„Willst du vielleicht mir sagen, was Laurent wissen möchte?"

Natürlich, das würde Sinn ergeben", schlussfolgerte ich ironisch und er nickte erfreut. Hätte ich nicht sowieso schon welche gehabt, hätte ich nun den Drang verspürt, mir Schmerzen zuzufügen.

„Wieso siehst du mich so an?", verlangte er zu wissen, wobei er mir mit dem Bajonett andeutungsweise in den Fuß stieß.

„Weil ich denke, dass du nicht ganz der Hellste bist."

Eine Prise SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt