-32-

6 4 0
                                    


Kapitel 32

Slòtgar' (Dorf der Verbannten) – Jahr 30 nach der Ruhe

Das kalte Lächeln der Frau war so schockierend, dass Awe seine Augen kurz nach ihrem Öffnen sofort wieder schloss. Am liebsten hätte er sie verriegelt, den Schlüssel weggeworfen und sich in der Finsternis seiner schützenden Lider verbarrikadiert – bloß nicht zurück auf die Liege, nicht zurück zu dem weißen Kittel. Der Stich in seine Armbeuge ließ ihn in die Realität zurückkehren.

Er wollte sich der Spritze der Frau entziehen, doch jede Extremität wurde von einem breiten grauen Band zurückgehalten. Langsam sog sich die Spritze mit dunkelroter Flüssigkeit voll – seiner dunkelroten Flüssigkeit.

„Mmmmh!", protestierte er ungehalten, doch vor seinem Mund klebte ein großes Pflaster: „Mmh."

Rhôl'a, die ehemalige Chirurgin, tätschelte seine Stirn: „Gleich ist es vorbei. Schon gut. Schon gut", flüsterte sie mit heiserer selten benutzter Stimme, bevor sie die Spritze behutsam aus Awes Körper zog und auf einen kleinen Ablagetisch hinter ihr legte. Dabei offenbarte sie ihm die Blutspritzer auf ihrem semisterilen Kittel.

„Mh, m mmmmh!", Awe strampelte, versuchte seiner Zusammengebundenheit ein Ende zu bereiten.

„Oh, das", lachte Rhôl'a, als sie die blanke Angst in seinen Augen ihrem Ursprung zuordnete: „Kein Sorge. Ich habe einmal den Fehler gemacht ein lebendiges Objekt zu untersuchen – diese alte Marotte habe ich schon lange abgelegt." Als sie merkte, dass dies Awe kein großer Trost war, fügte sie hinzu: „Ich brauche nur dein Blut, danach kannst du gehen."

„Mm mhmm mmm h mh mhm mmm mhm?"

Sie zog ihm das Pflaster vom Mund und versenkte gleichzeitig eine weitere Spritze in seinem Arm, ohne genau zu zielen.

„Wie sollte ich ohne mein Blut noch gehen können?", wiederholte Awe dieses Mal ein wenig verständlicher.

„Das ist dann wohl deine Angelegenheit. Als Ärztin versuche ich mich nicht weiter in die Angelegenheiten meiner Patienten einzumischen, als es unbedingt nötig ist."

„Wie bin ich überhaupt hier hergekommen?", laute Wut begann seine Furcht zu übertönen.

Rhôl'a sah genervt von ihrer Arbeit auf: „Shade und dein Freund haben dich zu mir gebracht. Ich soll dich aufpäppeln, nachdem du eine Art Anfall hattest."

Awe räusperte sich, um noch einmal die Aufmerksamkeit der Ärztin zu erhalten: „Was tun Sie dann hier? Es sieht nicht so aus, als wollten sie mich aufpäppeln."

Da war es wieder: dieses Lächeln. „Shade hat euch sicherlich Dó'à vorgestellt. Die Alte in ihrer staubigen Bibliothek."

Awe nickte kaum merklich. Gerade war ihm aufgegangen, dass die Frau von Sádof sprach, wenn sie Shade sagte.

„Dann wirst du gemerkt haben, dass sie verrückt ist", sie lachte auf und wirkte dabei nicht weniger wahnsinnig, als die von ihre beschriebene Bibliothekarin: „Jedenfalls hat sie mir erzählt, sie hätte den Auserwählten gesehen und Shine hätte ihn mitgebracht, als er sie besuchte – nach all der Zeit." Sie kicherte wieder: „Nun rate, wie der Vernichter unseres Glaubens aussieht." Mit einem Ruck zog sie den Kolben der Spritze zurück und Blut strömte aus meinem Körper heraus. Als sie auch diese Spritze auf den Tisch legte, zuckte Awe mit den Schultern. Er wusste nicht, wie er aussah, weshalb er nur dunkel lachte.

„Nun wirst du verstehen, weshalb ich dich nicht am Leben lassen kann."

„Wozu benötigst du mein Blut? Gibt es nicht deutlich effektivere Lösungen für dieses Problem?"

Eine Prise SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt