Kapitel 1

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"Weißt du, wo Emely schon wieder abgeblieben ist? Die wollte doch schon vor drei Stunden wieder da sein!", riss ein aufgeregter Ben mich aus meiner nächtlichen Arbeit im Büro.
"Schatz, du kennst sie doch. Sie kommt nie pünktlich.", meinte ich gelassen. Ich war es mittlerweile gewohnt, dass sie jedes Wochenende bis spät in die Nacht hinein feierte. Da kam sie jedes Mal einige Stunden später, als geplant. Ben hatte sich in den drei Wochen seit sie 16 war noch nicht daran gewöhnt, dass sie ewig weg blieb.
"Und wenn ihr was passiert ist?", fragte er nun panisch.
"Ben. Es ist doch jetzt seit drei Wochen jedes Wochenende das Gleiche. Sie ist nun mal jetzt in der Zeit, die ich mit 13 schon hatte und testet ihre Grenzen aus."
"Hoffentlich übertreibt sie es nicht."
"Das glaubst aber auch nur du. Es ist doch jedes Wochenende das Selbe. Entweder kommt gleich ein Anruf, dass wir sie abholen können, oder sie kommt stock betrunken nach Hause."
In dem klingelte auch schon das Telefon.
"Lisa Michalòw?", meldete ich mich.
"Hallo hier Jenny.", kam es verschlafen von der anderen Seite der Leitung.
"Hey. Was gibt's?"
"Emely steht sturz betrunken bei uns vor der Tür. Soll ich sie zu euch bringen?"
"Ne. Pass auf, dass sie keinen Mist baut. Wir kommen sie holen.", meinte ich und legte dann auf, um mich von dem Stuhl zu erheben.
"Und?", fragte Ben.
"Sie ist irgendwie bei Jenny gelandet. Wir können sie da abholen."
"Gott sei Dank! Ihr ist nichts passiert!"
"Ben! Was sollte ihr denn passieren?"
"Soll ich das wirklich alles aufzählen?"
"Nein! Warum machst du dir solche Sorgen? Bei mir bist du damals doch auch nicht so ausgetickt."
"Bei dir war das ja auch alles noch in Maßen."
"Das würde ich jetzt nicht behaupten, aber egal. Wir müssen los.", meinte ich, streifte mir kurz eine Jacke über und ging dann mit Ben zusammen raus. Dort stiegen wir ins Auto und fuhren zu Jenny, wo wir anhielten und ausstiegen. Emely kam uns schon schwankend entgegen und lallte: "Mama. Was machst du denn hier?"
"Dich abholen.", meinte ich nur und schob sie in Richtung Auto.
"Danke!", sagte ich noch kurz an Jenny gerichtet und dann fuhren wir auch schon wieder zurück zum Gestüt, wo ich Emely noch in ihr Zimmer begleitete und mich dann wieder meiner Büro Arbeit widmete, während Ben zu Bett ging.

Am nächsten Morgen machten wir uns direkt daran die Pferde zu füttern und raus zu bringen.
"Hast du Emely heute schon gesehen?", fragte Ben nachdem wir fertig waren.
"Ne. Lass die mal in Ruhe schlafen."
"Kannst du vielleicht mal nach ihr gucken?"
"Ja. Kannst du in du mir in der Zeit schon mal Cheyenne putzen und trensen?"
"Klar. Was hast du denn mit ihr vor?"
"Joggen. Sie läuft an der Hand erbärmlich. Das muss sich dringend ändern."
"Okay. Ich mach sie dir fertig."
"Danke!"
Ich ging nun rein, um mich auf die Suche nach Emely zu machen. Diese Suche gestaltete sich allerdings erstaunlich einfach, denn sie saß in der Küche am Tisch und trank Kaffee.
"Dein Vater lässt fragen, wie es dir geht.", sagte ich und kramte in der Zeit eine Tasse hervor mit der ich mich zu ihr setzte. Ich nahm mir nun die Kaffeekanne, die vor ihr stand und schüttete mir etwas Kaffee in die Tasse.
"An deiner Stelle würde ich den nicht trinken.", warnte Emely mich.
"Ach. So schlimm kann es nicht sein.", meinte ich und trank einen Schluck. Okay. Sie hatte Recht. Das Zeug konnte man als Normalsterblicher wirklich nicht trinken. Viel zu stark. Emely trank ihn trotzdem.
"Du musst ja einen ganz schönen Kater haben, wenn du sowas trinken kannst.", meinte ich. Emely zuckte nur mit den Schultern.
"Kopfschmerzen?", fragte ich nun. Emely nickte nur.
"Hast du die Tabletten gefunden, die ich dir hingelegt habe?", fragte ich weiter. Von meiner Tochter kam wieder nur ein Nicken.
"Möchtest du mit kommen?"
"Wohin?"
"Raus. Ich wollte mit Cheyenne eine Runde joggen gehen. So ein bisschen frische Luft könnte dir auch helfen."
"Okay."
"Gut. Dann zieh dir nur schnell was anderes an."
Emely verschwand nun kurz in ihrem Zimmer, um dann mit Reithose und T-Shirt wieder zu kommen. Gemeinsam gingen wir nun raus, wo Ben gerade Cheyenne fertig geputzt und getrenst aus dem Stall führte.
"Danke Schatz!", sagte ich und nahm ihm die Zügel ab.
"Wie geht's dir?", fragte er an Emely gerichtet.
"Naja.", meinte diese nur.
"Wir sind dann jetzt eine Runde joggen. Bis gleich!", sagte ich und ging dann zum Aufwärmen erst einmal langsam los. Die Stute neben mir tänzelte unruhig und so nahm ich mir auf dem Weg noch eine Gerte mit. Diese konnte ich als verlängerten Arm nutzen und der jungen Stute zwischendrin mal einen leichten Klaps geben, wenn sie nicht ordentlich lief.
Nach etwa einem Kilometer begann ich dann langsam damit locker und ruhig zu joggen. Die Stute stürmte direkt los, aber mit einem Klaps an der Schulter wurde sie dann wieder etwas ruhiger und langsamer.
Wir joggten nun etwa eine Stunde lang durch den Wald, bevor wir dann langsam im Schritt noch eine Weile liefen.
"Und? Hat es ein bisschen geholfen?", fragte ich nun.
"Ja. Danke.", sagte Emely.
"Bitte."
"Auch wegen gestern nochmal."
"Ist schon okay. Ich war in deinem Alter genauso.", meinte ich. Dass ich das schon mit 13 gemacht hatte, verschwieg ich ihr lieber. Sie musste ja nicht alles wissen.

Den Rest des Weges unterhielten wir uns noch ein wenig über belanglose Dinge, bevor wir dann wieder am Gestüt ankamen. Dort spritzte ich Cheyenne kurz ab und rieb der Stute dann ihr dunkelbraunes Fell trocken. Sie war eine der vielen Nachkommen von Shalima, die mittlerweile schon 36 Jahre alt war und somit auch in der Zucht nichts mehr zu tun hatte. Cheyenne war ihr letztes Fohlen und wir steckten große Hoffnungen in die junge Stute. Mit ihren gerade mal drei Jahren lief sie erst seit ein paar Monaten unter dem Sattel, aber hätte schon das Potential für ein erstes Distanzrennen. Wir ließen sie allerdings, wie alle Jungpferde, erst einmal ein Jahr lang zuhause laufen, damit sie Routine fand und sich an der Reiter gewöhnte. In etwa einem Jahr würde sie dann ihr erstes Rennen laufen in das wir viel Hoffnung setzten. Mit Bonfire als Vater und Shalima als Mutter konnte sie eigentlich nur perfekt werden. Die Fohlen aus dieser Kombination waren alle erfolgreich und auch sie sollte es werden. Sie war unser großer Goldschatz, denn sie hatte nicht nur super Eltern, sondern war auch vom Körperbau perfekt. An ihr gab es keinen Makel. Nur im Umgang war sie noch ein wenig schwierig, aber mit der Zeit würden wir auch das in den Griff bekommen.
Nachdem ich Cheyenne dann versorgt hatte ging es an meinen zweiten Schatz. Ginger. Die erste Tochter von Devil, den ich gegen Ende dieser Saison in Rente schicken wollte. Er war mittlerweile schon fast 21 Jahre alt und es grenzte an ein Wunder, dass er noch so viel Energie hatte und ohne Probleme auch weiterhin im Spitzensport mithalten konnte. Wenn es nach dem Hengst ging, würde er wahrscheinlich auch noch weitere zehn Jahre jedes Springturnier mitnehmen. Das wollte ich allerdings nicht. Er hatte nach so vielen Erfolgen seine Rente mehr als verdient und würde nach dieser Saison den ganzen Tag draußen stehen und nur ab und zu locker von mir geritten werden. Auch unsere Freiarbeit wollte ich mit ihm fort führen. Ginger sollte seine Nachfolgerin werden und die Stute hatte viel Potential. Ihre Mutter stammte von der Mutter von Darling ab und daher hatte sie die hübsche Scheckung ihrer Mutter. Das war allerdings auch das Einzige, was sie von ihr hatte. Den hübschen Araberkopf, das Temperament und vor allen Dingen auch ihre Sprungkraft hatte sie auf jeden Fall von ihrem Vater geerbt. Das Problem daran war nur, dass sie an manchen Stellen zu temperamentvoll war und ziemlich zickig werden konnte. Das bekam ich mittlerweile allerdings relativ gut in den Griff und wir wuchsen langsam zu einem Team zusammen. An den freien Tagen machte ich daher mit ihr, zur Festigung unseres Vertrauens, ein wenig Boden- und Freiarbeit. Das stand auch heute wieder an und die junge Stute machte super mit, sodass ich sie schon nach einer halben Stunde wieder auf die Weide entließ.
"Na? Wie kommst du voran mit der Kleinen?", fragte Julia, die an der Weide stand und mit Milan kuschelte.
"Ganz gut. Sie ist noch ziemlich unerfahren und kann ziemlich zickig werden, aber bei der Freiarbeit ging es heute richtig gut.", berichtete ich.
"Das ist doch schon mal was. Was hast du denn mit ihr gemacht?"
"Ein bisschen longieren ohne Longe und halt so Basis Sachen, wie frei hinter mir her laufen und stehen bleiben und so etwas."
"Wenn das schon funktioniert ist das doch schon mal richtig gut."
"Ja. Ich bin heute echt zufrieden mit der Kleinen. Jetzt muss das Ganze nur noch beim Reiten klappen."
"Mit der Zeit kommt das auch noch. Sie ist ja noch jung und in einem halben Jahr ist sie bestimmt so weit, dass du mit ihr die nächste Saison starten kannst. Sie liebt das Springen. Das liegt ihr einfach im Blut."
"Ja. Aus ihr kann auf jeden Fall mal ein richtig gutes Springpferd werden."
"Auf jeden Fall!"
Ich schaute nun noch einmal nach meinen anderen Schützlingen und ging dann rein, um den Rest des Tages den ganzen Papierkram zu erledigen, der so anstand.
Am Abend ging es dann wieder zur Fütterung und anschließend zu meinem kurzen Rundgang, den ich jeden Morgen und Abend machte. Hierbei schaute ich bei jedem Pferd noch einmal vorbei und vergewisserte mich, dass es ihnen gut ging und dass sie alles hatten, was sie brauchten.
Nachdem ich dann auch damit fertig war, ging ich wieder rein, um mit den Anderen zusammen noch etwas zu essen und dann noch etwas Büro Kram zu machen, bevor ich schließlich zu Bett ging.

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt