Kapitel 20

63 4 0
                                    

Lisas Sicht:
Ich hatte Johannes gerade kurz davor, dass er wenigstens etwas trank, als es plötzlich an der Tür klingelte.
"Ich komme sofort wieder.", sagte ich zu Johannes und ging dann zur Tür, um diese zu öffnen. Vor mir stand ein Polizist mit einer stock besoffenen Emely.
"Was hat sie angestellt?", fragte ich.
"Wir haben sie in einem geklauten und stark beschädigten Auto gefunden. Wir denken aber, dass sie nur mit drin saß und dass die Täter selber vorher geflüchtet sind. Sie ist auf jeden Fall ganz schön betrunken.", erklärte der Polizist.
"Ich merk's. Danke fürs Bringen.", sagte ich und zog Emely zu mir rein.
"Tschüss!", sagte der Polizist.
"Ach wollen sie schon gehen? Es ist doch noch gar nicht privat geworden!", meinte Emely und zog ihr T-Shirt aus. Der Polizist war nun ganz schnell verschwunden, während ich Emely in ihr Zimmer schob.
"Leg dich hin und schlaf! Meld dich, wenn du wieder klar denken kannst!"
"Ich will aber noch nicht schlafen!"
"Du schläfst jetzt! Ich bin in der Küche.", meinte ich und ließ sie nun alleine, um wieder zu Johannes zu gehen.
"Alles in Ordnung bei ihr?", fragte Johannes noch immer unter Tränen.
"Ja. Sie ist nur stock besoffen.", meinte ich und setzte mich wieder zu ihm.
"Wie geht's dir?", fragte ich.
"Meine Nase tut weh wie sonstwas und ich vermisse Julia."
"Aber schlecht ist dir nicht mehr?"
"Nein."
"Na das ist ja wenigstens etwas.", sagte ich. Trotzdem wusste ich, dass der seelische Schmerz noch deutlich tiefer saß. Ich musste es schaffen, dass Julia und er irgendwie wieder zusammen kamen und wieder glücklich miteinander waren. Sie brauchten sich gegenseitig. Und zwar dringend.
Und nebenbei musste ich das mit Emely auch noch irgendwie wieder hin bekommen. Die hatte auch gewaltig was verbockt, was irgendwie wieder gerade gebogen werden musste. Dazu musste sie allerdings erstmal wieder klar denken können und das dauerte noch eine Weile. Jetzt war erstmal Johannes im Vordergrund und der weigerte sich noch immer irgendwas zu essen oder zu trinken.
"Du musst was essen! Und wenn es nur ein Keks oder so etwas ist! Uns trinken musst du auch!", redete ich auf ihn ein.
"Sorry Lisa, aber ich bekomme echt nichts runter.", meinte er immer wieder.
"Johannes Michalòw! Du isst jetzt was oder..."
"Oder was?"
"Oder ich lasse Julias Ehering einschmelzen."
"Ach man!", meinte Johannes nun genervt und stand auf, um zum Kühlschrank zu gehen und sich etwas zu Trinken zu holen.
"Na endlich!", sagte ich erleichtert, als er sich dann wieder zu mir setzte und ein wenig trank. Zwar nicht viel, aber immerhin etwas.
Die Erleichterung hielt allerdings nicht lange an, denn kurze Zeit später stand er auf und eilte zum Badezimmer. Verdammt so konnte das doch nicht weiter gehen! Jetzt konnte er nichtmal mehr was trinken ohne sich gleich wieder zu übergeben! Die Frage war nur, ob das immernoch an der Tablette lag. Das konnte eigentlich nicht sein. Die hatte er schon längst nicht mehr in sich. Oder doch? Oder lag es einfach an der Trauer, dass er deshalb nichts vertrug? Machte ihn das alles so fertig? Das war der Einzige Weg, wie ich mir das alles erklären konnte. Ich hätte nur nicht gedacht, dass ihn das alles so sehr mit nahm, dass er sich da so rein steigerte. Julia musste ihm echt sehr viel bedeuten. Ich wünschte nur sie würde wissen, wie fertig sie ihn machte. Wenn es wirklich endgültig vorbei war zwischen den beiden, würde er daran kaputt gehen und das wollte ich nicht. Wenn ich ihn auch noch verlieren würde, hätte ich gar keinen mehr. Okay. Ich hatte Ben, aber der konnte auch nicht meine gesamte Familie ersetzen.

So saß ich nun eine Weile, bis mir auffiel, dass Johannes noch immer nicht wieder da war. Sollte ich mal nach ihm schauen? Wäre wahrscheinlich besser.
Ich stand nun also auf und machte mich auf den Weg zum Bad. Dort angekommen klopfte ich an die Tür und fragte: "Johannes?"
Von drinnen kam keine Antwort.
"Johannes? Kann ich rein kommen?", fragte ich weiter, doch wieder kam keine Antwort. So machte ich nun die Tür auf und ging einfach rein. Da saß Johannes neben dem Klo auf dem Boden, hatte sein Gesicht in seinen Knien vergraben und weinte. Ich setzte mich neben ihn, legte sanft einen Arm um ihn und fragte besorgt: "Was ist denn los?"
"Ich vermisse sie so sehr. Ohne sie kann ich nicht.", schluchzte er und sackte endgültig in sich zusammen. Ich zog ihn nah zu mir, um ihm wenigstens etwas Halt zu geben. Er kuschelte sich dicht an mich und schluchzte weiter.
"Du musst dich hinlegen und mal ein bisschen zur Ruhe kommen. Wenn du ein bisschen geschlafen hast sieht die Welt schon ganz anders aus.", meinte ich nach einer Weile.
"Wenn sie dann nur anders wäre.", schluchzte Johannes nur.
"Komm. Leg dich ins Gästezimmer.", sagte ich, ließ ihn los und stand auf.
"Kommst du mit?", schluchzte er.
"Natürlich komm ich mit. Ich lass dich nicht alleine.", meinte ich und half ihm nun hoch, um ihn dann ins Gästezimmer zu schieben. Dort setzte er sich auf das Bett und schaute mich aus seinen rot geweinten Augen groß an.
"Leg dich schonmal hin. Ich komme auch gleich. Ich hol nur kurz was.", sagte ich und fuhr ihm zärtlich mit der Hand durch das Haar. Er nickte und so ging ich nun nochmal runter, um mein Handy zu holen und dann wieder hoch zu gehen. Dort hatte Johannes sich zwar hingelegt, aber starrte nur apathisch an die Decke. Oh man. Der war ja echt völlig neben der Spur!
Ich setzte mich nun zu ihm auf die Bettkante und schaute ihm zu. So konnte das nicht weiter gehen! Irgendwas musste ich unternehmen. Die Frage war nur was...
"Lisa?", kam es nun leise von Johannes.
"Ja?", fragte ich.
"Meinst du ich soll sie anrufen?"
"In deinem Zustand lieber nicht. Du bist völlig neben der Spur. Lass ihr erstmal Zeit und dir auch. Morgen können wir dann mal drüber nachdenken."
"Okay."
"Leg dich jetzt erstmal hin und schlaf ein Bisschen. Ich denke mal drüber nach, was wir mit euch beiden machen."
"Ja.", meinte Johannes und schloss nun seine Augen. Ich blieb bei ihm sitzen und dachte nach, was ich wohl machen könnte, um die Beiden irgendwie wieder zusammen zu bringen. Ich wollte meinen Bruder endlich wieder glücklich sehen und die Kinder brauchten auch einen Vater. Außerdem war Julia eine unserer besten Pflegerinnen. Auf die konnten wir nicht verzichten. Dazu kam noch meine Theorie, dass sie schwanger war. Da brauchte sie Johannes auch und zwar dringend. Und selbst wenn nicht. Die Beiden brauchten sich einfach gegenseitig!
Meine Gedanken wurden von einem leisen: "Schwesterchen?", unterbrochen.
"Ja?", fragte ich und drehte mich wieder zu Johannes.
"Legst du dich zu mir? Ich kann alleine nicht schlafen.", fragte er und ich sah ihm an, dass ihm das schon wieder unangenehm war.
"Ja klar. Ich muss nebenbei nur ein bisschen arbeiten und telefonieren.", meinte ich und legte mich nun zu ihm. Er kuschelte sich an mich und war eine Weile später auch schon eingeschlafen. Ich fischte nun mein Handy aus der Tasche und rief Jenny an.
"Ja?", meldete diese sich nach einer Weile.
"Hey. Hier Lisa. Wo bist du?"
"Im Stall. Wo auch sonst?"
"Kommt ihr klar?"
"Ja. Ich und Tom machen die Pferde in Akkordzeit fertig und der Rest reitet. Wir sind ja ein eingespieltes Team."
"Gut. Kannst du reden?"
"Ja. Wir machen gerade sowieso Pause."
"Sehr gut. Bist du alleine?"
"Ne. Tom sitzt neben mir."
"Können wir über Julia und Johannes reden?"
"Ja. Das bekommt er eh alles mit. Leg los."
"Also...", begann ich und erklärte Jenny die gesamte Geschichte.
"Jedenfalls ist er jetzt mega fertig und mit den Nerven am Ende.", schloss ich.
"Bei mir kam nur morgens, als ich gerade zu euch fahren wollte Julia völlig aufgelöst mit ihrem Koffer an, meinte heulend, dass Johannes voll scheiße wäre und ist bei mir eingezogen. Ich musste dann halt nur los und hab seit dem nichts mehr von ihr gehört."
"Hast du eine Ahnung, wie wir die Beiden wieder zusammen kriegen?"
"Nein. Ich weiß nur, dass sie sich gegenseitig brauchen."
"Ja. Dringend. An einer Scheidung würde Johannes kaputt gehen."
"Da geht es Julia auch nicht anders."
"Hilft es vielleicht, wenn die Beiden sich aussprechen?"
"Ich weiß es nicht, aber einen Versuch ist es wert."
"Telefon oder bekommst du sie hier her?"
"Ich versuche sie hier her zu bringen. Vielleicht versteht sie, wie viel sie ihm bedeutet, wenn sie sieht, wie Johannes leidet."
"Hoffentlich. Ich hab momentan andere Probleme und keine Zeit die ganze Zeit bei Johannes zu sitzen."
"Wieso? Was ist passiert?"
"Emely ist dir scheinbar abgehauen oder später uns. Keine Ahnung. Jedenfalls stand vor ein paar Stunden ein Polizist mit ihr vor der Tür und meinte, dass sie sie wohl in einem stark beschädigten und geklauten Auto gefunden haben, aber dass sie wohl nicht der Fahrer gewesen sei. Sie war jedenfalls stock besoffen und schläft jetzt."
"Ach du Scheiße! Die macht ja echt nur Mist!"
"Ja. Ich muss gucken, dass ich das auch irgendwie gerade gebogen bekomme."
"Gut. Dann mach du mal. Ich muss jetzt wieder los. Die Anderen warten."
"Ja. Wir sehen uns dann."
"Du dein Mann steht hier vor mir und winkt wie ein Bescheuerter. Ich glaube der will dich auch mal sprechen."
"Dann reich mich mal weiter."
"Schatz?", fragte Ben nun.
"Hey. Wie läuft's?"
"Es geht so. Ziemlich chaotisch. Unser Planungs Genie fehlt."
"Sorry, aber ich muss hier erstmal wieder alles gerade biegen."
"Schon gut. Sag mal, hast du Emely heute schon gesehen?"
"Äh... Ja..."
"Was heißt das jetzt?"
"Bitte versprich mir das du jetzt keinen Herzinfarkt bekommst okay?"
"Wieso?"
"Versprichst du's?"
"Ja. Versprochen."
"Okay. Sie wurde gerade stockbesoffen von einem Polizisten nach Hause gebracht."
"Hat sie Mist gebaut und wie ist sie raus gekommen?"
"Wie es scheint ist sie entweder Jenny oder uns abgehauen und ja sie hat gewaltig Mist gebaut."
"Will ich wissen, was sie angestellt hat?"
"Nein. Ich denke eher nicht."
"Schlimm?"
"Relativ. Also ins Gefängnis muss sie wahrscheinlich nicht."
"Was hat sie gemacht?"
"Also der Polizist meinte, dass sie sie stock besoffen in einem stark beschädigten und geklauten Auto gefunden haben. Sie vermuten aber, dass sie nicht gefahren ist und das die Fahrer vorher abgehauen sind."
"Ach du heilige Scheiße! Geht's ihr gut?"
"Ja. Sie schläft jetzt. Ich denke mal, dass es ihr morgen dann so richtig schlecht gehen wird, aber da ist sie selber Schuld. Das ist nicht mein Problem."
"Das ist noch das am wenigsten Schlimmste solange sie unbeschädigt ist, ist ja alles gut."
"Alles gut? Die hat gewaltigen Mist gebaut und dafür gibt es noch Konsequenzen!"
"Sei nicht zu hart mit ihr. Sie ist doch noch jung."
"Sie ist 16 und sie hat den Bogen deutlich überspannt! Wenn sie nur abgehauen wäre, hätte ich das ja noch eingesehen, aber sie hat mit ihren auch so tollen Freunden gleich auch noch gesoffen bis zum geht nicht mehr und ein Auto geklaut! Da hört meine Toleranzgrenze dann auf!"
"Ja. Okay. Sie hat schon Mist gebaut."
"Und zwar gewaltig!"
"Aber übertreib es nicht ja?"
"Mach ich schon nicht. Ich rede nur sachlich mit ihr und erkläre ihr, was sie falsch gemacht hat und was das für Konsequenzen haben wird."
"Okay. Was ist mit deinem Bruder? Wie geht's dem?"
"Erbärmlich. Schmerzen ohne Ende wegen der Nase, mit den Nerven völlig am Ende wegen Julia und einfach nur total fertig. Der macht nichts anderes mehr, als heulen ohne Ende und wenn ich irgendwas an Essen oder Trinken in ihn rein quetsche übergibt er sich nach ein paar Minuten wieder."
"Klingt nicht gut."
"Überhaupt nicht. Ihn nimmt das alles total mit."
"Was macht ihr so?"
"Also er schläft momentan und ich liege neben ihm und kümmer mich drum, dass alles irgendwie trotzdem weiter läuft."
"Kommst du klar?"
"Ja. Und wie ist es bei euch? Läuft da alles so weit?"
"So halb. Ja."
"Was heißt so halb?"
"Stress ohne Ende und wenn das so weiter geht versinken wir bald im Chaos."
"Mit ein bisschen Glück falle ich morgen noch aus und bin dann wieder da."
"Das wäre klasse."
"Ich bemühe mich, aber ich kann nichts versprechen."
"Eine Frage noch. Was machst du momentan mit Cheyenne?"
"Was steht denn auf dem Plan?"
"Den Plan gibt's nicht."
"Oh. Mist. Ja. Dann mach mit ihr einfach locker ein bisschen Galopp Training."
"Was genau verstehst du darunter? Ich weiß nicht wie weit du mit der Kleinen bist."
"Einfach in Ruhe warm reiten und dann so eine Stunde ungefähr im lockeren Galopp laufen lassen. Achte nur drauf, dass sie wirklich locker läuft und an den Hilfen bleibt. Sie neigt dazu den Rücken zu zu machen und dir einfach nur noch unter dem Hintern weg zu rennen. Das bin ich ihr momentan am abgewöhnen."
"Okay. Dann mach ich das. Bis später!"
"Ja. Bis dann!"

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt