Kapitel 47

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Emelys Sicht:
Endlich Schule aus! Die zwei Stunden Chemie am Ende hatten sich mal wieder endlos lang gezogen. Grausam! Aber jetzt ging es erst richtig los. Jetzt standen noch die ganzen Stallarbeiten an und abends durfte ich dann noch Hausaufgaben machen. Aber etwas gutes hatte es. Ich hatte ein wenig Zeit für mich zum Nachdenken und ich war draußen bei den Pferden. Und am nächsten Tag durfte ich dann wieder reiten. Dann war endlich wieder Freitag und ich hatte heimliches Vielseitigkeits Training.
Zuhause angekommen schmiss ich nur meine Schulsachen in die Ecke und zog mich schnell um, bevor ich mich dann draußen daran machte den Hof zu kehren. Meine absolute lieblings Aufgabe. Vor allen Dingen wegen den tollen Fugen in dem Pflaster, wo die Stroh Halme immer so gerne drinnen fest saßen. Aber ich durfte mich nicht beschweren. Immerhin musste ich nicht wieder den Parkplatz von dem Dreck befreien. Das war wirklich drecks Arbeit!

Ich fegte nun also in Ruhe vor mich hin und war total in Gedanken versunken, als ich plötzlich an der Schulter angetippt wurde. Erschrocken fuhr ich herum und wollte schon los schimpfen, als ich sah, wer da vor mir stand. Ein absolut heißer Typ mit einem tollen Vollblut am Strick.
"Sie Lisa sein müssen! Haben gefreut auf Lehrgang sehr.", sagte der Typ in einem absolut erbärmlichen polnisch. Das war ja echt grausam!
"Sprechen sie englisch?", versuchte ich es auf englisch.
"Ja. Sind Sie Lisa Michalów?", fragte der Typ ebenfalls auf englisch.
"Nein. Meine Mutter ist am Trainieren. Ich kann Sie aber gerne zu ihr führen."
"Das wäre nett."

Ich stellte nun meinen Besen an die Seite und ging dann mit dem Typen und seinem schicken Pferd zum Springplatz, wo meine Mutter Ginger gerade angaloppierte und auf das erste Hindernis zu ritt. Perfekt flog sie hinüber und auch die Distanz zum nächsten Sprung war auf den Punkt genau.
So ließ sie den kompletten Parcours perfekt hinter sich, bevor sie ihre Stute zum Trab durch parierte.
"Mum?", rief ich ihr nun zu.
"Was gibt's denn, Emely?", fragte meine Mutter ohne auch nur in meine Richtung zu schauen.
"Da kam gerade so ein Typ auf den Hof und meinte er würde dich suchen."
Nun schaute meine Mutter doch zu mir rüber und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. War der Typ etwa so gruselig?
"Scheiße! Das hab ich ja ganz vergessen! Das ist ja auch noch!", fluchte sie. Der Typ neben mir verstand die Welt nicht mehr und hatte scheinbar auch nicht verstanden, was wir gesagt hatten. Er schaute nun jedenfalls zu meiner Mutter hoch und wiederholte den Satz, den er eben zu mir gesagt hatte.

Lisas Sicht:
Auf absolut grausamen polnisch versucht der junge Mann mir nun zu sagen, dass er sich sehr auf den Lehrgang gefreut hatte.
"Bitte sprich doch deutsch mit mir. Dein Polnisch ist eine Katastrophe!", sagte ich auf deutsch. Ich wusste ja, dass er Deutscher war und das hörte man auch deutlich an seinem Akzent.
"Sie können deutsch?", fragte der Mann verwundert.
"Ja."
"Woher das denn?"
"Ich reite im deutschen Springteam, hatte eine deutsche Trainerin und die Hälfte der bedeutenden Springturniere finden in Deutschland statt. Da lernt man das über die Jahre."
"Wieso hab ich mir dann einen abgebrochen und versucht polnisch zu lernen?"
"Das weiß ich auch nicht."
"Na super."
"Du kommst hier mit englisch durch und die Hälfte von meinem Team sind sowieso deutsche und verstehen dich. Da wird es keine Probleme geben."
"Na dann ist ja gut."
"Und das ist dein Pferd?"
"Ja. Das ist Bismarck. Ein zehnjähriges, englisches Vollblut."
"Interessanter Name."
"Ja. Ich weiß auch nicht, was sich die Züchter da gedacht haben."
"Und was ist mit dir? Erzähl doch mal was über dich."
"Ich bin Paul, 18 Jahre alt und reite seit vier Jahren Vielseitigkeit."
"Welche Klasse bist du?"
"S."
"Okay. Das klingt doch gut. Da kann man schonmal was mit anfangen."
"Was genau machen wir denn das ganze Wochenende?"
"Also. Es gibt dreimal am Tag Training. Ich kann dich aber nur im Springen und Gelände trainieren. Dressur zwar auch, aber Pirouetten und Traversalen übersteigen meine Fähigkeiten als Trainerin. Ich kann das zwar reiten, aber ich kann dich nicht drin trainieren."
"Schade. Genau das ist meine Schwäche."
"Ich könnte es höchstens organisieren, dass mein Bruder dich ein bisschen trainiert. Der war jahrelang in Holland und hat als Bereiter in diesem riesigen Dressur Stall gearbeitet. Der reitet Grand Prix."
"Etwa der Stall, wo Totilas geboren ist?"
"Genau der."
"Wow! Das wäre klasse, wenn er mich ein bisschen trainieren könnte!"
"Ihr habt dann nur ein Problem mit der Verständigung. Mein Bruder kann kein deutsch und mit dem Englischen hat er es auch nicht so."
"Oh. Das ist doof."
"Aber das kriegen wir schon irgendwie hin."
"Super! Gibt es schon einen genaueren Plan?"
"Ja. Jeden Morgen Freispringen zum Kraftaufbau vom Pferd, mittags Training und abends joggen."
"So viel?"
"Ja. Das ist ein Lehrgang und kein Ferien Aufenthalt."
"Okay. Wo kann ich mein Pferd hin bringen?"
"Ist er noch Hengst oder Wallach?"
"Wallach."
"Okay. Emely zeigt dir, wo sie ihn hinbringen kann.", sagte ich und wandt mich dann Emely zu.
"Sein Pferd kommt ganz hinten in die Box bei Ginger auf der Seite. Die letzte müsste noch frei sein. Sag Jenny, dass sie sich drum kümmern soll, dass der alles hat, was er braucht.", erklärte ich Emely nun auf polnisch.
"Okay. Mach ich!", sagte sie und verschwand dann.
Ich trainierte nun noch ein wenig mit Ginger, bevor ich sie dann absattelte und auf die Weide brachte. Nun blieben nur noch zwei Pferde für heute. Während die Anderen nun alle rein gingen, trainierte ich noch zwei Stunden lang weiter. Erst als ich fertig war, ging ich rein. Dort saßen die Anderen bereits in der Küche und Julia unterhielt sich auf deutsch angeregt mit Paul. Johannes und Ben saßen daneben und langweilten sich.
"Ben, hast du schon einen Termin für Munir und Malik gemacht? Die beiden sind Jenny heute Mittag wieder durch den Zaun gegangen."
"Schon wieder? Nein. Hab ich nicht. Welcher Zaun war das? Muss der repariert werden?"
"Der am Paddock. Auf die Weide lassen wir die gar nicht erst mehr. Der ist aber schon wieder repariert."
"Okay. Den Termin hab ich nicht gemacht. Ich find mich in deinem Büro einfach nicht zurecht!"
"Die Nummer hängt dick und fett vorne am Regal! Du musst dich nur hinsetzen und sitzt direkt davor."
"Oh. Dann war das doch Tierarzt? Ich dachte ich bräuchte die Tierklinik."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?"
"Doch."
"Sag mal, wie oft warst du jetzt schon dabei, als Hengste kastriert wurden? Du solltest doch mittlerweile gelernt haben, dass das der Tierarzt macht!"
"Sorry, aber ich hab da halt keine Ahnung von!"
"Ich geb's auf. Das mit dir und der Büroarbeit wird einfach nichts mehr."
"Sag ich doch!"
"Johannes, könntest du mir einen Gefallen tun?", richtete ich mich nun an meinen Bruder.
"Was denn?", fragte dieser.
"Könntest du Paul morgen Dressur Training geben?"
"Kannst du das nicht?"
"Nein. Das übersteigt meine Fähigkeiten."
"Wieso? Welche Klasse reitet er denn?"
"S."
"Oh. Okay. Das kannst du nicht."
"Kannst du dann oder nicht?"
"Ja klar, aber ich kann weder deutsch noch englisch."
"Ich übersetze."
"Okay. Dann kann ich ihn natürlich trainieren."
"Klasse! Danke!"
"Gern."
Nun wand ich mich an Paul und erklärte auf deutsch: "Johannes gibt dir morgen Dressur Training. Wir treffen uns morgen früh um sieben bei deinem Pferd."
"Okay. Danke!"
"Gern. Wir sehen uns dann morgen!", sagte ich noch und ging dann mit Ben hoch.

Am nächsten Morgen traf ich mich, wie abgesprochen, direkt nach der Fütterung mit Paul. Dieser hatte Bismarck bereits komplett gesattelt.
"Okay. Als erstes nimmst du jetzt mal die Ausbinder ab. Die braucht man nur, wenn man sein Pferd nicht unter Kontrolle hat."
"Sonst läuft er aber so komisch."
"Ausbinder ab! Sonst müssen wir gar nicht erst anfangen!"
"Wenn Sie das sagen."
"Sag doch bitte du. Sonst fühl ich mich immer so alt."
"Okay."
Er nahm nun dem Pferd die Ausbinder ab und legte diese an die Seite.
"Was jetzt?", fragte er nun gespannt.
"Jetzt gehen wir mal zum Springplatz und ich gucke mal, was du so kannst.", meinte ich.
So gingen wir nun gemeinsam zum Springplatz, wo Paul sich dann auf's Pferd schwang und seinen Wallach erst einmal warm ritt.

Nachdem er dies getan hatte, ließ ich ihn einen kleineren Parcours springen und nun ja. Als Katastrophe würde ich das jetzt nicht unbedingt bezeichnen, aber es war schon sehr nah dran. Der Wallach wehrte sich strikt gegen die Zügel und sein Reiter sah keine einzige der Distanzen, die ich ihm aufgebaut hatte.
"Komm mal bitte her.", rief ich ihm zu. Er tat dies und hielt bei mir am Zaun.
"Wo liegen die Fehler?", fragte ich nun.
"Ich hab keine von den Distanzen auch nur ansatzweise getroffen und er verweigert jegliche Art von Hilfen."
"Woran könnte das liegen?"
"Ich weiß es nicht. Daran rätseln wir jetzt schon seit Jahren. Deshalb reite ich ihn normalerweise immer mit Ausbindern."
"So tust du gar nichts gegen das Problem. Du stellst ihn nur ruhig. Das bringt dir nichts."
"Und was soll ich deiner Meinung nach tun?"
"Als erstes stellst du die Bügel mal ein Loch kürzer. Die sind zu lang. So kommst du nicht aus dem Sattel raus. Dann konzentrierst du dich mal komplett auf die Galoppsprünge und Distanzen. Zähl ruhig mal mit und verkürze oder verlängere die Sprünge vor den Hindernissen. Dann klappt das alles besser und er braucht sich nicht so fürchterlich zu überspringen, um noch drüber zu kommen."
"Okay. Sonst noch was?"
"Für's Erste nicht. Versuch es mal so."

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt