Kapitel 2

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Am nächsten Morgen ging dann wieder das Selbe los, wie am Abend. Die Pferde füttern und bei jedem Pferd nach dem Rechten sehen. Der einzige Unterschied war, dass wir die Pferde nun auch noch in die Führmaschiene stellten. Emely musste sich nun beeilen und sich schnell um ziehen, um noch rechtzeitig an der Bushaltestelle an zu kommen. Ich dagegen machte mir Ginger fertig, um mit ihr ein wenig locker zu arbeiten.
Ich hatte sie gerade angaloppiert, als ich Emely am Zaun stehen sah und vor ihr hielt.
"Was machst du denn hier? Du musst zur Schule!", fragte ich sie.
"Ich hab den Bus verpasst. Wo ist Papa? Der muss mich fahren.", meinte Emely.
"Der ist auf der Geländestrecke, aber lass den Mal lieber in Ruhe und komm hoch."
"Wie jetzt?"
"Ich bring dich."
"Und das schaffst du noch rechtzeitig?"
"Klar. Du glaubst gar nicht wie schnell die Kleine werden kann!"
Mit einem Satz saß Emely dann auch schon hinter mir auf dem bloßen Rücken der Stute und ich galoppierte sie an, um dann mit einem Satz über den Zaun zu springen und im Jagdgalopp vom Hof zu preschen.
Innerhalb weniger Minuten kamen wir an der Schule an, wo ich die Stute durch parierte, damit Emely absteigen konnte. Die Kinder auf dem Schulhof staunten nicht schlecht, aber in dem Moment klingelte es auch schon.
"Danke! Gerade noch rechtzeitig!", sagte Emely und verschwand im Schulgebäude. Ich dagegen trabte die Stute unter mir an und verließ das Dorf im einem lockeren Trab, bevor ich sie dann angaloppierte und im Jagdgalopp zurück zum Gestüt preschte. Dort angekommen ritt ich sie dann noch ein paar Runden im lockeren Trab, bevor ich sie dann im Schritt trocken ritt und schließlich abstieg und Ginger an Jenny übergab. Von ihr übernahm ich dann direkt auch das nächste Pferd und trainierte mit diesem.
So ging es den ganzen Tag, bis am Abend dann wieder die Fütterung und danach der Rundgang anstanden. Weiter ging es dann mit dem gemeinsamen Essen und schließlich ein wenig Bürokram, bevor ich dann zu Bett ging.
So ging es auch in den nächsten Tagen und Wochen weiter. Ich arbeitete den ganzen Tag über und machte nachts noch ein wenig Papierkram. Emely sah ich eigentlich nur, wenn sie irgendwas brauchte, oder wenn ich sie sturz besoffen irgendwo abholen konnte.

Nach drei Wochen saßen wir an einem Wochenende gerade alle zusammen am Tisch und aßen etwas. Emely war, wie so oft in letzter Zeit, mal wieder irgendwo verschwunden. Auf einmal wurde nun die Tür auf gerissen und Emely kam rein. Sie zerrte einen komischen Mann in Jogginghose hinter sich her, der aussah als hätte er jahrelang unter irgend einer Brücke gewohnt und mindestens genauso lange keine Seife mehr gesehen. Eins musste ich ihm allerdings lassen. Muskeln hatte er!
"Hallo. Das ist Kevin. Mein Freund. Habt ihr noch was zu Essen für uns da?", fragte Emely nun und vor Schreck hätten ich und Ben gleichzeitig fast die Suppe wieder aus gespuckt. Dieser Assy ist ihr Freund? Wollte die mich jetzt verarschen? Wo war hier die Kamera? Das konnte doch nie im Leben echt sein! Aber so, wie Emely mich anschaute, war es das wohl leider doch. Dieser Assy war wirklich ihr Freund. Den Namen hatte ich jetzt schon wieder vergessen. Dazu war mein Namensgedächtnis viel zu sehr aufgebraucht. Bei über dreihundert Pferdenamen im Jahr war das aber auch kein Wunder. Da war das gesamte Namensgedächtnis aufgebraucht.
"Habt ihr oder nicht?", unterbrach Emely meine Gedanken.
"Klar. Nehmt euch.", sagte ich nun und wenig später saßen die beiden mit am Tisch und aßen mit uns zusammen noch etwas, bevor es für uns dann wieder in den Stall ging.
"Kommt ihr mit?", fragte ich.
"Ne. Wir sind gleich wieder weg."
"Wo seid ihr denn?"
"Hier und da."
"Und wo ist hier und da?"
"Ja hier und da halt."
"Emely!"
"Was?"
"Wo wollt ihr hin?"
"Das geht dich gar nichts an!"
"Fräulein! Ich bin für dich verantwortlich und ich will wissen, wo du bist!"
"Ich bin alt genug, um auf mich selber auf zu passen!"
"Ich bin deine Mutter und solange du nicht 18 bist, passe ich auf dich auf!"
"Ja und?"
"Kommst du mal mit.", sagte ich nun und zog sie hinter mir her nach draußen.
"Hör mal zu! Es reicht mir so langsam! Ich hab nichts dagegen, wenn du feiern gehst, aber ich will dann wenigstens wissen, wo du bist!"
"Ja wo soll man in diesem scheiß Kaff denn hin gehen? Hier gibt es im Umkreis nur eine Kneipe!"
"Das würde ich jetzt nicht so sagen."
"Wieso?"
"Wenn ihr noch wartet, bis ich Ginger fertig hab, kann ich euch mal ein bisschen was zeigen."
"Okay."
"Gut. Aber sag Papa das ja nicht! Der bringt mich um!"
"Mach ich schon nicht."
"Wie ist es mit euch? Mit was seit ihr hier?"
"Zu Fuß?"
"Okay. Wir treffen uns in zehn Minuten an der Sattelkammer. Sag Papa, dass ich mit euch ausreite. Der muss nicht alles wissen.", sagte ich noch und machte mich dann auf den Weg zum Stall, um Ginger und Devil fertig zu machen und dann zur Sattelkammer zu gehen.
Nach einer Weile kamen dann auch Emely und ihr merkwürdiger Freund bei uns an.
"Ihr nehmt Devil. Mit dem kommst du ja klar oder?", fragte ich an Emely gerichtet. Diese nickte nur und so schwang ich mich nun auf den Rücken der Stute. Emely tat mir das nach und nahm dann die Zügel des Hengstes auf, da dieser direkt wieder los wollte. Der Typ schaute hingegen nur zu ihr rauf.
"Na los. Komm rauf.", sagte Emely.
"Wie soll ich denn auf den riesen Gaul rauf kommen?", fragte dieser.
"Mit Schwung.", meinte ich nur. Er versuchte es nun einmal, aber versagte kläglich daran. Meine Güte! Der Typ war schon gefühlte zwei Meter groß und Devil war mit seinen knapp 1,70 ja nun wirklich nicht der Größte! Da würde er ja wohl drauf kommen! Aber nein. Emely musste erst zum Zaun reiten, damit er von dort aufsteigen konnte und selbst das war schon fast zu kompliziert. Dümmer anstellen konnte man sich aber auch echt nicht! Was hatte sie da nur für einen Idioten angeschleppt? Sie hat ja schon viele komische Typen mit nach Hause gebracht, aber der war ja wirklich die Krönung! Hoffentlich hielt das nicht lange! Den Typen ertrug ich nicht länger als drei Tage!
"So. Wir können.", meinte Emely nun.
"Okay.", sagte ich und so verließen wir im Schritt das Gestüt und ritten die Straße entlang bis zu einem Waldweg einbogen. Dort angekommen trabte ich die Stute nun an und diese schritt in einem flotten Tempo voran. Von hinten hörte ich nur ein erschrockenes: "Woh! Woh! Woh! Das wackelt ja voll!"
Instinktiv konnte ich nicht anders, als vor Verzweiflung meine Hand vor die Stirn zu legen und zu sagen: "Nein. Man sitzt immer still da oben, wenn das Pferd den Rücken bewegt!"
Dieser Typ war ja echt selten dämlich! Das hätte man sich ja wohl auch denken können! Hoffentlich flog der nicht runter. Ich hatte echt keinen Bock den Typen auch noch vom Boden aufsammeln zu müssen und ihn dann wieder irgendwie auf's Pferd zu wuchten!

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt