Kapitel 22

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Nun stand auch Ben endlich im Raum und fragte geschockt: "Was ist passiert?"
"Keine Ahnung. Er wurde auf einmal irgendwie völlig depressiv und wollte sich mit einer von den Scherben die Pulsader durchschneiden. Ich konnte ihn gerade noch davon abhalten.", berichtete ich.
"Müssen wir ins Krankenhaus?"
"Ich glaube nicht."
"Kriegst du die Blutung so gestoppt?"
"Ich hoffe es, aber ich weiß nicht. Wenn nicht müssen wir doch fahren."
"Kann ich helfen?"
"Drückst du ein bisschen drauf? Ich versuch ihn irgendwie wieder wach zu kriegen."
"Okay.", sagte Ben und kniete sich nun zu mir, um die Wunde leicht ab zu drücken.
"Emely du gehst bitte wieder. Du musst das nicht unbedingt alles sehen.", wies ich Emely nun an, bevor ich mit leichten Ohrfeigen versuchte Johannes irgendwie wieder wach zu bekommen. Dieser regte sich allerdings nicht.
"Scheiße ich bekomm ihn nicht mehr wach!", sagte ich hysterisch und spürte, wie mir die Tränen die Wange entlang liefen.
"Ganz ruhig, Süße! Alles wird gut!", meinte Ben und legte sanft einen Arm um mich.
"Jetzt komm runter und konzentrier dich! Du kannst das!", sagte Ben ernst. Ich nickte nur und schlug etwas fester zu. Okay. Etwas ist gut. In meiner Panik hatte ich wohl ziemlich heftig zugeschlagen, denn Johannes schlug nun die Augen auf und meinte nur: "Au!"
"Sorry.", sagte ich und fiel ihm um den Hals. Er bewegte sich nicht und als ich ihm wieder los ließ schimpfte er nur: "Kannst du vielleicht mal aufhören die ganze Zeit da drauf zu drücken? Das tut weh!"
"Wenn du lieber verbluten willst kann ich das gerne machen.", meinte Ben.
"Dann hat Julia wenigstens, was sie will."
"Das du stirbst will sie garantiert nicht!", mischte ich mich nun ein.
"Natürlich will sie das. Dann bin ich ihr aus dem Weg."
"Sie liebt dich!"
"Dann würde sie ja wohl kaum die Scheidung wollen."
"Nur weil sie eine Auszeit braucht, willst du dich gleich umbringen?"
"Mein Leben ist doch nichts wert und mich würde hier eh keiner vermissen."
"Doch. Ich.", schluchzte ich. Mir waren mal wieder die Tränen gekommen. Ben zog mich sanft an sich und schaute Johannes mit einem Todesblick an. Dann holte er tief Luft und schimpfte wütend: "Sag mal kriegst du eigentlich noch mit, wie fertig du deine Schwester machst? Sie hockt Tag und Nacht die ganze Zeit bei dir, nur um dich zu trösten und das soll jetzt dein Dank dafür sein? Das du vor ihren Augen versuchst dich um zu bringen und sie mit deinen depressiven Selbstmord Gedanken fertig machst? Und das alles nur, weil deine Frau einen Ort weiter sitzt und die Scheidung will? Ich würde an deiner Stelle nicht im Selbstmitleid versinken sondern um sie kämpfen! Jede einzelne Sekunde würde ich um meine Liebe kämpfen, damit sie versteht, was sie mir bedeutet! Julia liebt dich verdammt nochmal genauso sehr wie du sie auch! Deshalb macht sie das ganze Theater ja! Sie ist der festen Überzeugung, dass du sie mit Lisa betrügst und es liegt jetzt an dir sie vom Gegenteil zu überzeugen! Zeig ihr doch mal, wie sehr du sie liebst und heul Lisa nicht damit die Ohren voll! Die weiß, dass du Julia liebst! Und wenn du dich so unbedingt umbringen willst dann mach es vor Julia, aber nicht hier! Damit erreichst du nur, dass du deiner Schwester das Herz brichst und dass sie sich auf ewig Vorwürfe macht! Und wenn du es bei Julia machst, weiß sie wenigstes, was sie angerichtet hat!"
"Hör auf!", schrie ich nun.
"Verdammt du bringst ihn nur auf komische Ideen! Er soll sich nirgends umbringen!", schrie ich weiter, bevor ich weinend in mich zusammen sackte. Ben hatte mich sofort wieder fest in seinen Armen und schaute zu Johannes rüber.
"Wenn du dich vor ihr umbringst, werden deine Kinder bald aber weder Vater noch Mutter haben und das kannst du ihnen nicht antun!", setzte Ben seine Strafpredigt fort und konzentrierte sich dann auf mich. Tröstend strich er mir immer wieder über den Rücken und versuchte mich irgendwie zu beruhigen, aber das half alles nichts.

Bens Sicht:
Lisa weinte und weinte und egal, was ich tat, sie weinte weiter. So langsam verzweifelte ich daran sie zu trösten, aber Johannes schien das alles völlig egal zu sein. Er saß wie versteinert daneben und schaute uns zu. Also ganz ehrlich. Ich wusste ja noch nie, was Lisa an ihm so toll fand, aber so langsam war ich kurz davor ihm einfach mal zu sagen, was ich von ihm hielt. Das Problem war nur, dass Lisa mir das nie verzeihen würde. Dazu war sie mir viel zu wichtig als dass ich sie wegen so einem Vollidioten verlor. Nein. Da riss ich mich dann doch lieber zusammen. Also atmetete ich einmal tief durch und konzentrierte mich dann darauf Lisa irgendwie wieder zu beruhigen. Irgendwie musste das ja möglich sein.
"Süße, alles ist gut. Ich bin bei dir.", redete ich auf sie ein, aber das half alles nichts. Verdammt! So langsam hatte ich echt keine Ahnung mehr, was ich tun sollte. Vielleicht Jenny anrufen? Konnte die uns vielleicht helfen?
Ich wollte gerade mein Handy rausholen, als die gesuchte Person auch schon im Raum stand.
"Bitte sagt, dass es nicht das ist nach was es aussieht.", sagte sie mit einem Blick auf Johannes Arm.
"Leider ist es das aber.", sagte ich.
"Verdammt Johannes, wie kannst du ihr das antun? Sie ist deine kleine Schwester und sie hat in den letzten Tagen alles für dich getan! Wie kannst du nur vor ihr einen Selbstmordversuch starten? Denkst du nicht, dass es reicht, wenn sie die Leiche ihrer Mutter nach dem Selbstmord gesehen hat? Muss sie auch noch deine sehen? Und außerdem. Hast du auch nur die geringste Ahnung, was du Julia damit antust?", schimpfte Jenny nun an Johannes gerichtet. "Die ist doch froh, wenn sie mich los ist.", meinte dieser nur.
"Nein ist sie nicht! Verdammt Johannes, sie liebt dich! Sie liebt dich über alles! Sie hat nur Angst, dass du es nicht mehr tust. Deshalb zieht sie das alles hier ab! Sie liebt dich!"
"Warum ist sie dann nicht schon wieder hier?"
"Weil es ihr genauso beschissen geht, wie dir auch. Sie ist mindestens genauso fertig wie du und auch nur am heulen. Sie macht das alles auch völlig fertig! Deswegen wollte ich sie ja morgen hier her bringen. Deswegen sind Lisa und ich ja die ganze Zeit am Pläne schmieden, wie wir euch wieder zusammen bekommen. Euch geht es beiden genauso beschissen mit der ganzen Situation!"
Nun war Johannes sprachlos und ich musste sagen, dass mich das echt erstaunte. Ich hatte ihn noch nie sprachlos gesehen und ich kannte ihn schon lange. Sehr lange.
Johannes starrte Jenny aus großen Augen an. Langsam sammelten sich Tränen in diesen, die ihren Weg über seine Wange fanden.
Lisa löste sich nun langsam von mir, um ihn zu umarmen.
"Ich will doch nur nicht, dass du stirbst! Du bist der Letzte, den ich noch hab.", schluchzte sie.
"Sorry.", kam es von Johannes ebenfalls schluchzend zurück.

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt