Ben gab mir nun noch einen Kuss, bevor er mit Jenny zusammen ging. Ich ging nun wieder zu Johannes und setzte mich zu ihm auf den Boden.
"Wo ist der Rest?", fragte er.
"Die sind wieder nach Hause.", berichtete ich.
"Und warum bist du noch hier?"
"Weil ich dich nicht alleine lassen kann."
"Doch. Kannst du."
"Das sagst du vielleicht, aber ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren dich einfach hier alleine gelassen zu haben."
"Ich wäre auch alleine klar gekommen."
"Johannes ich kenne dich! Du brauchst jetzt jemanden, der für dich da ist und mit dem du reden kannst. Das weiß ich und da kannst du nichts gegen sagen!"
"Können wir wegen Julia vielleicht mal mit einem Arzt sprechen?"
"Das hat Jenny schon gemacht."
"Und?"
"Sie hat eine starke Alkoholvergiftung und liegt im Koma."
"Ja. So weit war ich auch schon. Schafft sie es oder..."
"Sie haben ihren Margen ausgepumpt und die Ärzte meinen sie wird in den nächsten Tagen wahrscheinlich aufwachen."
"Also überlebt sie?"
"Es können immernoch Probleme auftreten. Sie liegt immerhin im Koma. Das ist immer ein kritischer Zustand. Ihre Chancen stehen aber sehr gut. Also mit ein bisschen Glück schafft sie es."
Weinend fiel Johannes mir nun um den Hals. Diesmal war es allerdings vor Freude und nicht aus Trauer.
"Freu dich nicht zu früh! Noch ist nichts überstanden!", warnte ich.
"Ich weiß.", kam es von Johannes.
So saßen wir eine lange Zeit. Einfach nur Arm in Arm auf dem Boden neben Julias Bett. Wir hätten uns eigentlich auch auf die Stühle hinter uns setzen können, aber im Moment war es auf den Boden einfach gemütlicher und es schien die Krankenschwestern und Ärzte, die zwischendurch vorbei kamen nicht im geringsten zu stören. So blieben wir sitzen, bis ich mitten in der Nacht einen Anruf bekam.
"Ja?", meldete ich mich.
"Emely ist weg und...", mehr verstand ich nicht, da Ben einfach viel zu schnell redete und die Leitung viel zu schlecht war.
"Jetzt mal ganz langsam. Was ist los?"
"Eine gewisse Chantal hat gerade angerufen und meinte sie wäre eine Freundin von Emely und dass Emely wohl im Krankenhaus liegt."
"Hat sie irgendwas gesagt warum oder wo?"
"Ne. Nur, dass sie betrunken ist und die war glaube ich auch nicht mehr ganz nüchtern."
"Das kann ich mir denken. Ich glaube ich weiß auch, was passiert ist. Wenn es wirklich das ist brauchst du dich nicht so aufregen."
"Wieso? Was ist denn dann?"
"Dann hat sie einfach nur deutlich über den Durst getrunken und hat eine leichte Alkoholvergiftung."
"Das heißt?"
"Sie pumpen ihr den Margen aus und alles ist wieder gut."
"Sicher?"
"Ich hab Erfahrung mit so etwas. Das solltest du doch am besten wissen."
"Ja. Ich weiß ja. Ich mach mir nur Sorgen um unsere Tochter!"
"Bleib locker. Sie wird es überleben!"
"Und wenn nicht?"
"Ben! Sie überlebt das auf jeden Fall! Bleib locker und komm ganz in Ruhe hier her. Wir gucken dann okay?"
"Okay. Ich bin spätestens in einer Stunde da."
"Lass dir Zeit. Das dauert eh alles eine Weile. Es bringt nichts, wenn du stundenlang hier rum sitzt!"
"Ja ja."
"Fahr vorsichtig und bau mir jetzt nicht noch einen Unfall!"
"Mach ich schon nicht. Du kennst mich doch."
"Ja. Eben deshalb sag ich das ja. Ich weiß, wie sehr du bei so etwas durch drehst. Nimm dir am Besten mal irgendwen mit. Und bitte nicht unbedingt Jenny! Die ist für das vorsichtig Fahren eher kontraproduktiv."
"Bis gleich!", kam es nur noch von Ben, bevor er auflegte.
"Was ist los?", fragte Johannes, als ich meine Handy wieder weg gepackt hatte.
"Emely ist abgehauen und hat sich scheinbar betrunken bis zum geht nicht mehr. Jedenfalls hat Ben von einer Freundin von ihr einen Anruf bekommen, dass sie wohl im Krankenhaus liegt und Ben dreht jetzt völlig am Rad und steht kurz vorm Nervenzusammenbruch."
"Jetzt echt? Der ist doch sonst immer eher der ruhige Typ."
"Ja, aber wenn es um mich, Emely oder Shalima geht, dreht er immer durch."
"So kenn ich den ja gar nicht."
"Er ist nicht der für den du ihn hälst. Ich weiß, dass ihr euch gegenseitig nicht leiden könnt, aber ich verstehe es ehrlich gesagt immernoch nicht so wirklich. Vor allen Dingen verstehe ich nicht, was du gegen Ben hast."
"Sorry, dass ich das jetzt sagen muss, aber er ist ein feiger Schwächling, der keine Eier hat!"
"Natürlich hat er Eier! Sonst hätte er ja wohl kaum eine Tochter!"
"Ein feiger Schwächling ist er trotzdem!"
"Das sehe ich nicht so, aber wenn du meinst. Dafür gibt er nicht auf und kämpft um seine Liebe! Nicht so wie du der alles weg schmeißt und dann versucht sich umzubringen!"
Sofort bereute ich mein gesagtes den Johannes Augen wurden direkt wieder glasig. Verdammt! Das wollte ich nicht! Vorsichtig umarmte ich meinen Bruder dessen Schultern wieder anfingen zu beben.
"Sorry. Das ist mir nur so raus gerutscht.", sagte ich.
"Schon gut.", schluchzte Johannes.
"Tut mir echt leid. Ich wollte dich nicht verletzen."
"Ist schon gut.", schluchzte Johannes erneut, doch ich glaubte ihm kein Wort. Ich hatte ihn verletzt. Und zwar richtig. Da konnte ich jetzt erstmal nicht viel machen. Ich hoffte nur, dass Ben irgendwen mitbrachte, der ihn die Fahrt über beruhigte und danach bei Johannes bleiben konnte. Am besten wäre eigentlich Jenny, aber die musste zum einen gucken, dass die Kinder in einer Stunde pünktlich in die Schule kamen und zum anderen hatte die es nicht so mit dem aufpassen, dass Ben nicht zu schnell fuhr. Ich hätte einfach Julia gebraucht. Bei der war ich mir sicher, dass sie Ben beruhigte. Wenn sie da auch nicht unbedingt die besten Mittel zu hatte, aber solange sie funktionierten war ich schon zufrieden. Nur leider war Julia hier im Krankenhaus. Da ging das nicht. Oh man! Wenn das alles vorbei war und alles wieder normal lief war ich glücklich! So konnte das echt nicht weiter gehen! So viel Chaos und alles auf einmal! Das machten meine Nerven bald nicht mehr mit! Und die von Ben waren schon lange aufgebraucht. Spätestens seit Emely dauern Mist baute. Wir konnten eigentlich nur noch hoffen, dass das nur ein Phase war und sie sich bald wieder einkriegte. Sonst konnte ich Ben mit einem Nervenzusammenbruch in die Klapse bringen und möglichst gleich selber da bleiben. Wobei mir auch einfach ein paar Tage Urlaub von dem ganzen Stress reichen würden. Am besten mit Pferd und ohne Emely und vor allen Dingen ohne Julia und Johannes mit ihren Krisen. Die konnte ich so langsam nicht mehr ertragen.Nach etwa einer halben Stunde öffnete sich die Tür und ein völlig fertiger Ben stand im Zimmer. Mit Jenny, die wenig später hinterher gehetzt kam.
"Ich bleib hier. Klärt ihr das alleine.", meinte Jenny und setzte sich zu Johannes.
"Danke!", sagte ich und stand auf, um mit Ben zusammen das Zimmer zu verlassen.
"Was machen wir jetzt?", fragte Ben verzweifelt. Er stand offensichtlich kurz vorm Nervenzusammenbruch.
"Wir setzen uns jetzt in die Cafeteria und du kommst mal wieder runter. Das ist alles halb so schlimm.", sagte ich.
"Verdammt wenn das so weiter geht ist sie mit 20 Alkoholikerin!", meinte Ben.
"Komm mal runter! Ich hab das Ganze schon mit 13 durch gemacht und aus mir ist auch was geworden oder?"
"Ja, aber du hast dich auch von alleine wieder eingekriegt. Ich bin mir nicht sicher, ob Emely das auch schafft."
"Das wird schon wieder."
"Verdammt sie hat ein Auto geklaut!"
"Ja. Dafür bekommt sie auch noch gewaltig Ärger und dafür, dass sie schon die ganze Woche nicht in der Schule war auch! Nach einem ordentlichen Donnerwetter wird sie schon verstehen, dass das alles nicht so gut ist, was sie da macht."
"Hoffentlich."
"Das wird sie! Und die Strafe zahlt sie auch selber! Und wenn dafür ihr komplettes Geld drauf geht. Die zahlt sie selber!"
"Sei nicht zu streng mit ihr!"
"Bin ich nicht! Nach so einer Aktion kann ich gar nicht zu streng zu ihr sein! Andere hätten nach so einer Aktion eine Tracht Prügel bekommen!"
"Das lässt du aber sein!"
"Natürlich lass ich das sein! Ich würde sie niemals schlagen! Das weißt du doch!"
"Bitte übertreib es nicht mit der Strafpredigt!"
"Ben! Sie hat gewaltig was verbockt und dafür gibt es Ärger! Sie muss lernen, dass es Konsequenzen mit sich trägt, wenn sie Mist baut! Sonst macht sie einfach so weiter und du kannst sie alle paar Wochen im Krankenhaus abholen!"
"Das ist ja genau das, was ich vermeiden will!"
"Na siehst du! Dann musst du ihr ja wohl irgendwie klar machen, dass sie da gewaltig was verbockt hat!"
"Ja. Das ist mir schon klar, aber ich will es mir mit ihr auch nicht verderben."
"Das tust du sowieso nicht. Du sagst ja eh wieder nichts."
"Verdammt ich weiß leider sehr genau, wie es sich anfühlt so richtig ausgeschimpft zu werden und glaub mir. Das ist ein beschissenes Gefühl! Ich will es unserer Tochter einfach ersparen jedes Mal Angst haben zu müssen nach Hause zu gehen! Ich will, dass sie glücklich aufwächst!"
"Das tut sie, aber sie muss trotzdem auch lernen, dass es Konsequenzen mit sich trägt, wenn man so richtig Mist baut!"
"Ja. Ist ja gut."
"Ben hör zu! Du bist ein super Vater! Der Beste, den ich mir für meine Tochter wünschen könnte! Du wirst nicht so wie dein Vater! Ich weiß, dass du da Angst vor hast, aber das brauchst du nicht. Das wirst du nie! Dafür liebst du Emely viel zu sehr!"
Ben schwieg nun.
"Komm. Wir setzen uns in die Cafeteria.", sagte ich und zog ihn mit mir dort hin. Er ließ sich einfach von mir ziehen und so saßen wir wenig später nebeneinander in der Cafeteria. Das nebeneinander hielt allerdings nicht lange an, da ich kurze Zeit später auch schon wieder auf seinem Schoß saß.
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Der falsche Sprung - Korrektur
Random"Der Falsche Sprung" ist der vierte Teil mein Buchreihe über die Bewohner des Gestüts Michalòw. Emely Michalòw ist mittlerweile 16 Jahre alt und steckt mitten in der Pubertät. Hier wiederholte sie alles, was Lisa damals bereits mit 13 Jahren gemacht...