Kapitel 7

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Drinnen angekommen aß ich erst einmal etwas und setzte mich dann ins Büro. Es war nun schon ziemlich spät und die Anderen waren bestimmt schon alle am schlafen. Daher entschloss ich mich dazu erst morgen mit Ben zu reden. Wenn ich ihn jetzt noch weckte, hatten wir beide nichts davon.
So machte ich mich nun daran die ganzen Büroarbeiten zu erledigen, bis ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr herum. Vor mir stand Ben und schaute mich groß an.
"Was machst du denn hier?", fragte ich verwundert. Es war mittlerweile bestimmt schon mehrere Stunden nach Mitternacht und ich war eigentlich der festen Überzeugung, dass er schon lange am Schlafen war.
Er schaute mich nur groß an und sagte nichts.
"Schatz? Ist alles in Ordnung?", fragte ich etwas besorgt. Er war doch sonst nicht so still.
"Ja.", sagte er nur.
"Sicher?"
"Ja."
"Wenn es wegen eben ist. Das tut mir echt leid. Ich wollte dich nicht so anzicken. Ist momentan nur alles ein bisschen stressig und viel."
"Ich weiß, aber bitte lass uns nicht streiten. Das bringt doch nichts.", sagte er und genau für so etwas liebte ich ihn. Er hasste Streit einfach genauso sehr, wie ich und das war gut. Es ist nicht leicht jemanden zu finden, der die selben Ansichten hat, wie man selbst und ich habe ihn in Ben gefunden. Ich habe echt keine Ahnung, warum es 14 Jahre Freundschaft dauern musste, bis ich kapiert hatte, dass er meine große Liebe war, aber zum Glück hatte ich es verstanden und das war gut.
Ich stand nun auf und überbrückte den Meter, der uns trennte mit einem Schritt, bevor ich meine Lippen auf seine legte. Er erwiderte den Kuss, bevor er mich sanft in eine Umarmung zog.
"Kann ich dir irgendwie helfen?", flüsterte er nun.
"Den Bürokram kannst du nicht. Das muss ich alleine machen.", sagte ich.
"Aber ich kann Pläne schreiben."
"Das kann keiner lesen."
"Aber ich kann dir vielleicht was diktieren und du schreibst."
"Die Idee ist gar nicht mal so schlecht."
"Dann komm. Bei welchen Plan bist du?"
"Bei dem für morgen oder eher gesagt heute."
"Okay. Dann lass uns mal los legen."

Wir lösten uns nun voneinander und schrieben gemeinsam den Rest der Nacht die Pläne für die komplette Woche, sodass ich dann nur noch die ganzen Abrechnungen und den Papierkram erledigen musste. Das schaffte ich allerdings nicht mehr, denn als wir fertig waren, war es schon wieder so spät, dass wir uns etwas frisch machen konnten und es dann auch schon wieder zur Morgenfütterung ging.
Danach begannen wir dann auch die Pferde zu trainieren und so verlief die ganze Woche, bis es dann Donnerstag war. Am Tag zuvor hatte ich mich drum gekümmert, dass alles so weit lief und wir auch mit zwei Pferden nach Deutschland reisen konnten. Wir hatten beschlossen Ginger gleich mit zu nehmen und ich hatte noch mit einem Pferd nach genannt, sodass ich nun mit zwei Pferden startete. So konnte Ginger sich schon einmal an die Turnier Atmosphäre gewöhnen und es war einfach ein unverbindliches Turnier, das für sie unwichtig war. Außerdem hatte sie noch ein zweites Pferd dabei, das sie kannte und war nicht gleich ganz alleine in dem ganzen Stress.

Am Donnerstag packten wir dann noch die restlichen Sachen ein und verluden nach der Fütterung direkt die Pferde, um uns auf den Weg nach Aachen zu machen.
Dort kamen wir dann auch am Abend an und versorgten erst einmal die Pferde. Ginger war sehr interessiert an dem ganzen Umfeld und schaute sich aufmerksam um. Für Devil hingegen war das alles reine Routine und er trottete ruhig neben mir her. Er kannte das einfach alles schon, während das für Ginger alles neu war.
Nachdem die Pferde dann in ihren Boxen standen, räumten wir noch meine beiden Schränke in das Stellzelt, bevor wir dann zu unserem Hotel fuhren und uns schlafen legten.

Am nächsten Morgen ging es dann schon morgens um fünf Uhr in den Stall, um die Pferde zu füttern und Devil schon einmal fertig zu machen. Mit ihm startete ich als erstes um neun Uhr und bis dahin mussten wir ihn noch einflechten, gründlich putzen und warm reiten. Mit Ginger hingegen startete ich letztes Pferd, sodass ich genug Zeit hatte, um auch sie ordentlich fertig zu machen und warm zu reiten, bevor wir starten mussten.
Eine Stunde vor dem Start begann ich dann den Hengst ganz ruhig und entspannt warm zu reiten und ein paar Hindernisse mit zu nehmen, bevor ich dann noch kurz ein wenig Schritt ritt und schließlich mit Ben und Emely zusammen zum Einlass ritt.
"Viel Spaß! Ihr Beiden macht das schon.", meinte Ben. Ich nickte nur und konnte dann auch schon einreiten.
Den Parcours, den ich vor dem Abreiten schon abgegangen war, absolvierten wir ohne jegliche Schwierigkeiten und kamen mit einer super Runde und ohne Fehler aus dem Parcours.
"Wie immer ohne Probleme verlässt Lisa Michalòw mit ihrem Spitzenhengst Black Devil die Bahn und übernimmt mit diesem perfektem Ritt vorläufig die Spitze.", kam es von dem Stadionsprecher. Er kannte uns schon ziemlich gut, da wir ja schließlich seit 17 Jahren ausnahmslos jedes Jahr hier waren.
Am Einlass angekommen, warf Emely dem Hengst nur schnell eine Decke über und Ben meinte: "Ich kann dem Stadionsprecher nur zustimmen."
Ich nickte und so gingen wir entspannt zurück zum Stallzelt. Auf dem Weg dort hin kam uns eine hektische Jenny entgegen und meinte: "Wir müssen jetzt ganz schön reinhauen. Du startest in einer halben Stunde mit Ginger."
"Nein. Wir sind letztes Pferd und starten in zwei Stunden.", berichtigte ich sie.
"Nein. Leider nicht. Das wurde alles irgendwie umgeschmissen und jetzt bist du schon in einer halben Stunde dran."
"Verdammt! Dann aber schnell!"
"Ja. Ich hab sie schon so weit geputzt und eingeflochten und die Stollen hab ich auch schon rein gedreht. Du musst nur noch wegen Sattel, Trense und Gamaschen gucken. Da war ich mir nicht sicher."
"Okay. Dann mach du mit Emely zusammen Devil fertig. Ich und Ben kümmern uns um die Kleine.", meinte ich, schwang mich von dem Rücken des Hengstes und warf Jenny seine Zügel zu, um dann im Stechschritt zum Stallzelt zu eilen und Ginger fertig zu machen. Diese stand bereits auf der Stallgasse, sodass ich ihr nur noch schnell die restlichen Sachen anlegen musste und dann auch zum Abreiteplatz konnte.
Meine Stute war mit der ganzen Aufregung völlig überfordert und lief eher Piaffe, als einen ruhigen Schritt. In dem Moment hätte man sie auch glatt mit einem Dressurpferd verwechseln können. Dabei war sie eigentlich durch und durch Springpferd.

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt