Kapitel 18

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Irgendwann schlief ich dann auch ein, bevor ich ein paar Stunden später dann von einem lauten und herzzerreißenden Schrei geweckt wurde. Erschrocken schlug ich die Augen auf und sah Julia mitten im Zimmer stehen.
"Scheiße!", fluchte ich leise, als ich sah warum sie so schrie. Neben mir lag dicht an mich gekuschelt Johannes und schlief noch immer. Verdammt! Das nahm sie garantiert nicht gut auf!
Schnell stupste ich Johannes an, der daraufhin dann auch mal wach wurde. Wie konnte man nur so einen tiefen Schlaf haben und den Schrei nicht hören?
Er schlug nun ebenfalls seine Augen auf und als er seine Liebste im Zimmer stehen sah, saß er sofort kerzengerade im Bett.
Wütend schmiss sie die Vase, die auf dem kleinen Tisch neben ihr stand an die Wand, bevor sie zu weinen begann. Dann flog ihr Ehering in Richtung Johannes und sie schrie so gut sie es unter Tränen konnte: "Verdammt ich hab dich geliebt!"
Nun verschwand sie und schmiss die Tür hinter sich zu.
Johannes saß da und schien sich in einer Art Schockstarre zu befinden.
"Was sitzt du hier noch so rum? Los! Hinterher!", sagte ich und schubste ihn leicht an. Dadurch erwachte er aus seiner Starre und rannte direkt drauf los. Wieder flog die Tür und diesmal gab die Halterung auf und die Tür flog aus den Angeln. Nun war auf jeden Fall sicher, dass das gesamte Haus wach war.
Wenig später kam dann Ben mit einem blauem Auge und geschwollenen Wange rein und meinte: "Sorry, aber ich konnte sie nicht mehr aufhalten."
"Ich seh's.", meinte ich nur und stand auf, um langsam auf ihn zu zu gehen. Vorsichtig besah ich mir seine Wange und tastete sie ab.
"Glück gehabt. Nichts gebrochen. Höchstens geprellt.", berichtete ich.
"Tut trotzdem weh wie sau, aber egal. Wir müssen da irgendwie mal einschreiten, bevor ernsthaft was passiert."
"Lass die das erstmal alleine ausdiskutieren. Das müssen sie unter sich ausmachen."
"Bist du sicher?"
"Ja. Was ist mit dir? Hast du sonst noch irgendwo Schmerzen?"
"Ne."
"Du blutest aber.", bemerkte ich und schob langsam seinen Hemdkragen ein Stück runter. Ich nahm mir eins der Taschentücher und tupfte vorsichtig das Blut weg.
"Tut das weh?", fragte ich.
"Ein bisschen.", meinte Ben.
"Okay. Sieht aus als hätte sie dich da gepackt."
"Ja."
"Das müssen wir gleich ein bisschen desinfizieren und verbinden."
"Wenn's sein muss."
"Ja muss es! Hat sie dich mit den Rücken an die Wand gedrückt?"
"Ja."
"Tut da irgendwas weh?", fragte ich, während ich um ihn herum ging und sein Hemd hoch schob, um langsam seinen Rücken ab zu tasten.
"Da tut nichts weh, Süße. Alles ist gut.", meinte Ben, aber ich ließ mich davon nicht ablenken und tastete auch weiterhin seinen Rücken ab, um dann fest zu stellen, dass da wirklich alles in Ordnung war.
"Und sonst ist wirklich alles gut und nichts tut weh?", fragte ich.
"Schatz, mir geht's gut. Das sind nur ein paar Kratzer und ein blaues Auge. Mehr nicht."
"Sicher?"
"Ganz sicher. Es ist alles gut!", sagte er und nahm mich in den Arm. Ich kuschelte mich an ihn und so blieben wir erst einmal stehen.

Johannes Sicht:
So schnell ich konnte rannte ich Julia hinterher. Ich wollte sie nicht verlieren! Ich brauchte sie doch! Gerade jetzt! Ohne sie konnte ich nicht leben!
"Julia! Warte!", rief ich ihr hinterher, während ich ihr zu unserem Zimmer folgte. Sie schlug die Tür zu, aber ich hatte noch schnell genug den Fuß dazwischen. Verdammt hatte die eine Kraft! Jetzt war mein Fuß zerquetscht, aber das war mir im Moment mehr oder weniger egal. Ich wollte einfach nur meine Julia um jeden Preis daran hindern ab zu hauen. Das war das Einzige, was momentan zählte. Ich schob nun die Tür auf und huschte hinein. Dort rutschte Julia völlig kraftlos und weinend an der Wand entlang auf den Boden, wo sie sitzen blieb und das Gesicht in ihren Knien vergrub.
"Liebling, das ist nicht so, wie es aussah.", sagte ich und setzte mich neben sie.
"Natürlich! Du hast mit deiner Schwester rum gemacht!", rief sie.
"Nein!"
"Doch das hast du!"
"Das würde ich niemals tun! Ich könnte dich nie im Leben betrügen! Dafür liebe ich dich viel zu sehr! Ich kann nicht ohne dich!!"
"Natürlich kannst du! Du konntest die ganze Nacht ohne mich!"
"Verdammt ich liebe dich und ich will dich nicht verlieren!"
"Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du zu deiner Schwester gegangen bist!", schimpfte Julia und stand auf, um mit ihrem, noch immer gepackten, Koffer das Zimmer zu verlassen.
"Nein! Julia! Bitte nicht!", reif ich und rannte ihr hinterher. Sie war allerdings bereits draußen bei ihrem Auto angelangt und hatte ihren Koffer darin verstaut.
"Bitte Julia!", sagte ich und packte sie am Arm.
"Bitte verzeih mir!", flehte ich.
"Nein! Das habe ich schon einmal getan und das war eindeutig die falsche Entscheidung! Es ist vorbei!", rief sie unter Tränen, riss sich los, stieg ins Auto und fuhr davon.
"Julia!", reif ich ihr hinterher und spürte, wie mir bereits die ersten Tränen die Wange entlang liefen. Völlig fertig setzte ich mich auf die Treppe, wenn man die drei Stufen vor dem Haus überhaupt so nennen konnte.
Kurze Zeit später spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und Lisa setzte sich neben mich. Sie fragte gar nicht erst groß, sondern nahm mich einfach in dem Arm.
"Es tut mir so leid!", flüsterte sie.
Ich kuschelte mich einfach nur an sie und vergoss hunderte Tränen.
So saßen wir stundenlang. Immer wieder gingen Leute an uns vorbei in den Stall, aber keiner fragte so wirklich nach.
Erst nach bestimmt zwei Stunden kam Jenny vorbei und setzte sich zu uns.
"Was ist passiert? Julia kam vor ein paar Stunden völlig aufgelöst mit ihren Koffern bei mir an und ist eingezogen.", fragte sie.
"Ein Haufen Missverständnisse und Streit. Wir sprechen später okay?", meinte Lisa nur.
"Ja. Wir gucken, dass wir eure Pferde irgendwie mit durch schleusen."
"Das ist nett. Danke!"
"Gut. Dann bis später.", meinte Jenny und war auch schon wieder verschwunden.
"Geh ruhig.", schluchzte ich, obwohl ich eigentlich gar nicht wollte, dass sie ging. Ich brauchte sie jetzt als Stütze.
"Nein ich gehe nicht! In dem Zustand lass ich dich garantiert nicht alleine!", sagte sie entschlossen und in dem Moment war ich einfach nur froh eine kleine Schwester zu haben, die sich so um mich kümmerte. Sie war einfach Gold wert!
"Wir könnten uns höchstens mal rein setzen. Da ist es vielleicht ein bisschen gemütlicher als hier.", schlug sie vor. Ich nickte nur und löste mich langsam von ihr, um auf zu stehen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ihr T-Shirt schon völlig durchnässt war von meinen Tränen. Das schien Lisa allerdings relativ wenig zu interessieren, denn sie stand nun ebenfalls auf und legte einen Arm um mich, um mich dann langsam mit sich rein zu schieben. Dort angekommen setzten wir uns in die Küche und Lisa zog mich wieder in ihre Arme. Ich ließ dies zu und weinte weiter. Das brauchte ich jetzt einfach und für alles andere war ich momentan sowieso zu schwach.
"Willst du vielleicht mal was essen oder trinken?", fragte sie nun. Ich schüttelte nur den Kopf. Im Moment bekam ich einfach nichts runter.
"Okay.", sagte sie und strich mir tröstend über den Rücken.
Was wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wussten war, dass jemand anderes das ganze Chaos ausgenutzt hatte, um klammheimlich zu verschwinden...

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt