Kapitel 36

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Nachdem ich dann mit der Stute fertig war, trainierte ich noch einige von den anderen Pferden, bis ich dann am Mittag Ginger holte, um ihr Trense und Gamaschen an zu legen und dann wieder zur Schule zu reiten. Auf dem Weg dort hin ritt ich sie dann erst locker im Schritt und Trab, bevor ich sie dann auf den letzten Metern galoppieren ließ und sie vor der Schule elegant zum Stehen durch parierte. Dort standen bereits Emely und Lea und warteten.
"Wow! Das ist doch Ginger!", sagte Lea begeistert.
"Genau.", sagte ich und lobt meine Stute.
"Ihr erstes Springen war der Hammer! Sie wird bestimmt genauso ein Champion wie ihr Vater!"
"Das ist sie jetzt schon. Sie ist ein tolles Pferd und ich weiß, dass sie mindestens genauso gut ist, wie er."
"Und dazu ist sie noch wunderschön!"
"Ja. Wenn sie sauber ist auch noch schöner.", meinte ich mit einem Blick auf die Grasflecken auf den weißen Stellen ihres Fells.
"Das ist der große Nachteil an hellem Fell. Man sieht jeden Fleck.", lachte Lea.
"Ja. Das ist das Problem.", stimmte ich ihr zu.
"Aber bei Schecken geht das noch. Ich hab einen Schimmel."
"Oh wie schön. Da freut man sich immer wieder auf das Putzen!"
"Ja. Die ziehen die Grasflecken irgendwie magisch an."
"Das Gefühl hab ich auch immer."
"Schlimm."
"Wir müssten dann aber langsam mal los. Ich hab heute noch fünf Pferde vor mir.", meinte ich.
"Fünf Pferde? Wie viele haben Sie denn?"
"Momentan ungefähr 300. Und sag doch bitte du. Sonst fühle ich mich so alt."
"Ja. So viele?"
"Wir sind das größte Gestüt Polens. Da muss man schon ein paar Pferde haben."
"Und ihr züchtet Springpferde?"
"Nein. Springpferde hab ich nur die, die du wahrscheinlich kennst. Wir züchten Araber und trainieren sie für Distanzrennen."
"Achso. Okay."
Emely schwang sich nun auf den Rücken der Stute und wir verabschiedeten uns noch von Lea, bevor wir dann gemächlich im Schritt los ritten.
"Sie ist echt nett.", meinte ich, als wir im Wald angekommen waren.
"Ja. Und sie hat ein tolles Pferd.", stimmte Emely mir zu.
"Woher weißt du das denn? Hast du das schon mal gesehen?"
"Sie hat mir ein Bild gezeigt."
"Achso."
"Ja."
"Sie wäre doch eine Alternative zu Chantal und co, oder?"
"Ja. Wir sitzen jetzt nebeneinander."
"Das klingt doch super!"
"Ja. Und sie hat die selbe Einstellung, wie ich zu so ziemlich allem."
"Dann könnt ihr ja Freundinnen werden."
"Ja."
Wir schwiegen nun wieder, bis Emely nach einer Weile fragte: "Mama?"
"Ja?", fragte ich.
"Könntest du sie vielleicht trainieren?"
"Das würde ich gerne, aber ich hab keine Zeit."
"Sonntags hast du doch Zeit."
"Da bin ich dauernd auf Turnieren."
"Dann müssen Papa und ich dir halt einmal in der Woche ein oder zwei Pferde ab nehmen."
"Das geht auch nicht. Du hast nicht die Erfahrung, dass du ein Jungpferd trainieren könntest und Papa hat so schon genug Pferde zu trainieren."
"Dann muss das eben irgendwer anders machen."
"Emely, ich würde sie ja sehr gerne trainieren, aber ich hab keine Zeit! Wir haben so schon mehr als genug zu tun!"
"Kannst du sie nicht irgendwie noch dazwischen schieben? Ich würde auch helfen!"
"Wenn ich jemanden finden würde, der die Buchhaltung machen könnte, könnte ich sie spät Abends trainieren, aber so geht das nicht."
"Kann ich das vielleicht?"
"Nein. Du hast da noch keine Ahnung von."
"Und was ist mit Jenny?"
"Die hat so eigentlich schon viel zu viel zu tun."
"Kann das sonst irgendwer machen?"
"Nein. Genau das ist ja mein Problem."
"Ach verdammt!"
"Ja. Sie muss sich leider einen anderen Trainer suchen."
"Kennst du vielleicht irgendjemanden?"
"Hier in der Umgebung nicht. Nein."
"Wo wäre das nächste?"
"Am anderen Ende von Polen."
"Ach man! Es kann doch nicht so schwer sein jemanden zu finden, der sie im Springen trainiert!"
"Doch. Leider schon. In Polen gibt es leider kaum Leute, die springen. Hier ist es schon fast Tradition, dass alle Distanzrennen reiten. Deshalb ist dein Onkel ja damals zum Dressur Reiten nach Holland gegangen und deshalb springe ich im deutschen Team. In Polen gibt es einfach kaum Springreiter und die wohnen dann alle unten direkt an der Grenze zu Deutschland, weil da die ganzen bedeutenden Springturniere sind."
"Wie hast du das denn damals geschafft nach oben zu kommen?"
"Ich hatte ein tolles Pferd und hab anfangs alleine mit deinem Vater trainiert. Bei meinem zweiten Turnier hab ich dann in Deutschland eine Springreiterin getroffen und die hat mich ab da dann die Saison über hier trainiert und ist dann wieder nach Deutschland gereist."
"Kann die Lea vielleicht trainieren?"
"Sie ist mittlerweile über 80 Jahre alt und in Rente."
"Mist!"
"Ja. Springreiten hier ist sehr schwierig."
"Kannst du sie vielleicht doch noch irgendwie mit unter kriegen? Es ist doch nur einmal in der Woche!"
"So gerne ich es auch wöllte, aber es geht nicht! Ich hab einfach keine Zeit!"
"Verdammt!"
"Du kannst ihr aber sagen, dass sie gerne in drei Wochen am Freitag vorbei kommen kann. Da reitet ein Vielseitigkeitsreiter aus Deutschland einen Lehrgang bei mir."
"Und da könnte sie mit reiten oder wie?"
"Ja. Wenn sie will und Zeit hat, kann sie dann kommen und mit reiten."
"Sie springt aber doch nur."
"Ja. Ich unterrichte den ja auch nur im Springen."
"Achso."
"Jetzt springen wir aber erstmal ein bisschen.", meinte ich und galoppierte Ginger nun an.
Kurz vor der Mauer trieb ich die Stute vorwärts und so flogen wir hinüber und drehten ein paar Runden über die verschiedenen Hindernisse des Geländeparcours, bevor wir dann über die zweite Mauer sprangen und in einem rasanten Galopp wieder zurück ritten.
Am Gestüt angekommen legten wir einen eleganten Sliding Stop über den Kies hin und rutschten von Gingers Rücken. Ich übergab diese direkt an Jenny und übernahm von ihr das nächste Pferd, während Emely rein ging, um erst einmal Hausaufgaben zu machen.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit alle Pferde zu trainieren, Essen zu kochen, nach dem Essen mit Ginger joggen zu gehen und mich dann direkt vor den Büro Kram und den Plan für den nächsten Tag zu setzen.

So verbrachte ich die ganze Woche mit dem Training von den Pferden, dem ganzen Papierkram und der Planung von Stuarts Beerdigung, die in zwei Wochen stattfinden sollte. Dazu versuchte ich noch alles, um doch noch irgendwie eine Trainingsstunde in der Woche für Lea frei zu kriegen, aber egal, wie ich es drehte und wendete, fehlte mir einfach die Zeit oder jemand, der den Papierkram übernahm. Anders bekam ich sie einfach nicht unter. Ich konnte nur hoffen, dass ich da noch jemanden fand, denn an dem Wochenende an dem Lea den Lehrgang hätte reiten können, hatte sie keine Zeit. So mussten wir wohl oder übel irgendwas anderes finden und das war gar nicht so einfach, denn mein Terminkalender war rappel voll.

Am Wochenende fuhren die Männer dann zum Fußball Training bei Julian und co. Freitag Morgen fuhren sie los. Alles war gepackt und es hieß nur noch Abschied nehmen.
"Mach bloß keinen Mist! Ich will dich nicht aus dem Krankenhaus abholen!", sagte ich zu Ben.
"Ich geb mein bestes.", meinte dieser.
"Na dann ist ja gut."
"Kommt ihr hier auch wirklich alleine zurecht?"
"Klar! Sobald ihr weg seid, feiern wir erstmal so richtig und machen Mädels Abend!"
"Sollte ich mir Sorgen machen?"
"Schatz, das war ein Scherz! Natürlich kommen wir klar! Es sind doch nur drei Tage!"
"Sicher?"
"Ganz sicher! Wir schaffen das! Keine Sorge."
"Okay. Melde dich, wenn irgendwas ist!"
"Ben! Wir kommen hier klar!"
"Ist ja gut. Ich bin schon still!"
"Na endlich!"

Ben wand sich nun erst einmal Emely zu und nahm sie in den Arm.
"Bis bald meine Kleine! Pass gut auf deine Mutter auf!", sagte er.
"Mach ich schon. Bis bald!", sagte Emely und eilte dann zum Bus, um diesen nicht zu verpassen. Ben wandt sich nun wieder mir zu und nahm mich ebenfalls in den Arm.
"Viel Spaß! Melde dich, wenn ihr da seid uns grüß die Anderen schön von mir!", sagte ich.
"Mach ich.", meinte Ben.
"Und bitte, bitte keine Unfälle!"
"Ich bemühe mich."
"Bis bald!", sagte ich nun und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben. Er erwiderte diesen und sagte: "Tschüss meine Süße! Wir sehen uns Sonntag!"
Dann lösten wir uns von einander und sie fuhren los. Wir winkten ihnen noch hinterher, bevor Jenny sich zu uns umdrehte und meinte: "Sturmfrei! Was machen wir heute?"
"Mit Ginger trainieren, im Haus ein bisschen umräumen und heute Abend Mädels Abend!", schlug ich vor.
"Wir könnten ja heute nachmittag Emely abholen und Picknick an der Lichtung machen.", fügte Julia noch hinzu.
"Super Idee!", meinte Jenny.
"Was ist eigentlich mit deinen Kindern?", fragte ich nun.
"Die schlafen alle bei Freunden und sind das komplette Wochenende weg. Die kann Johannes dann abholen.", berichtete Julia.
"Na dann würde ich sagen wir stellen Ginger in die Führmaschiene, bauen einen Parcours auf und lassen sie Freispringen. Danach können wir dann drinnen umräumen und einen Picknick Korb fertig machen. Dann müsste es auch soweit sein, dass wir die Pferde fertig machen und los reiten können.", schlug ich vor. Die Anderen drei waren einverstanden und so begannen wir damit Ginger Freispringen zu lassen. Da wir beschlossen hatten das Wochenende über den Pferden frei zu geben, war außer uns niemand auf dem Hof. So konnten wir machen, was wir wollten.

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt