Kapitel 49

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Als ich dann richtig saß, galoppierte ich die Stute aus dem Stand an und drehte erst einmal ein paar Runden auf dem Zirkel, bevor ich dann den Zirkel wechselte und sie einen fliegenden Wechsel sprigen ließ. Das sah zwar nicht ansatzweise so elegant aus, wie bei Johannes, aber sie landete auf der richtigen Hand und nur das zählte. Sie war ein Springpferd. Da musste das nicht ganz so exakt sein.

Nachdem ich dann auf beiden Händen ein wenig galoppiert war, nahm ich ein paar kleinere Hindernisse mit und steigerte dies langsam, bis ich dann bei den großen Hindernissen angekommen war. Hier trainierte ich nun ein paar einzelne Sprünge, Distanzen und Kombinationen aus dem Parcours, bevor ich diesen dann komplett durch ritt. Das wiederholte ich ein paar Mal, bevor ich sie dann in Ruhe trocken ritt. Am Zaun konnte ich beobachten, wie Emely sich mittlerweile zu Paul gestellt hatte und sich angeregt mit ihm unterhielt. Sie hatte wohl tatsächlich ihre englisch Kenntnisse rausgekramt. Eigentlich sollte sie ja Hausaufgaben machen, aber es gab Sachen, die einfach wichtiger waren. Außerdem hatte sie ja noch ein ganzes Wochenende Zeit.
So ließ ich sie ausnahmsweise mal damit in Ruhe und holte stattdessen das nächste Pferd.

Den Nachmittag verbrachte ich dann damit die restlichen Pferde im Akkord nach einander zu trainieren und nach der Fütterung dann Ginger auf zu trensen. Mit ihr am Zügel ging ich dann raus, wo Emely und Paul bereits warteten. Paul hatte Bismarck am Zügel und Emely ihren neuen Schatz Nasim. Ich holte nun noch zwei Gerten, wovon ich eine Emely in die Hand drückte. Ich kannte den jungen Hengst ja schon eine Weile und wusste, dass es besser war, wenn man bei ihm eine Gerte in der Hand hatte.
Die zweite behielt ich selbst. Man wusste ja nie, wie Bismarck sich benahm. Da ging ich dann doch lieber auf Nummer sicher.
Nun verließen wir langsam im Schritt den Hof und gingen in den Wald.
"Welche Runde nehmen wir denn?", fragte Emely nach einer Weile.
"Die lange. Das haben die Beiden mal dringend nötig.", sagte ich.
"Wie waren die eigentlich? Heute war ja die erste Einheit."
"Naja. Wie Johannes es ausgedrückt hat: Er hat einen sehr guten Grundsitz und eine schöne, ruhige Hand, aber die Lektionen sind total schlampig geritten."
"Das heißt so viel wie er sitzt gut, aber alles andere geht gar nicht oder wie?"
"Ja. Er trifft keine Distanz richtig und in der Dressur sieht es auch nicht viel besser aus."
"Und ich dachte das wäre so ein super Spitzenreiter."
"Ne. Der reitet nur S. Ich sollte ihn nur ein bisschen trainieren, weil er nächste Saison die deutschen Meisterschaften reitet. Wie er es geschafft hat sich dafür zu qualifizieren ist mir ein Rätsel."
"Na dann viel Spaß noch beim Training!"
"Danke!"

Nach etwa einem Kilometer schnalzte ich dann mit der Zunge und begann zu joggen. Meine Stute trabte locker neben mir her und auch Emely neben mir lief mit dem Hengst am Zügel locker los. Paul lief vor uns auch noch relativ locker und Emely hypnotisierte ihn von hinten.
"Er ist heiß oder?", fragte ich nach einer Weile.
"Mama!", schimpfte Emely.
"Gib's zu. Er versteht uns doch eh nicht."
"Ja. Er sieht schon nicht schlecht aus."
"Wäre der nicht was für dich?"
"Nein! Er wohnt in Deutschland und ich hier in Polen."
"Das lässt sich ändern. Der zieht bestimmt liebend gerne zu uns."
"Warum sollte er das machen?"
"Hier hat er jeden Tag seine privaten Trainer und eine tolle, riesige Anlage. Außerdem die hübsche Tochter von der Chefin. Ich an seiner Stelle würde sofort her ziehen, wenn ich könnte."
"Was sollte er denn ausgerechnet von mir wollen?"
"Das fragst du noch? Du wohnst auf einem riesigen Gestüt, reitest super und siehst dabei auch noch super aus!"
"Also das mit dem super aussehen würde ich jetzt nicht unbedingt bestätigen."
"Natürlich! Guck doch mal in den Spiegel! Du hast eine super Figur!"
"Denkst du er findet das auch?"
"Also doch."
"Ja. Ich gebs ja zu. Bei dir hab ich eh keine Chance."
"Du bist mir einfach zu ähnlich. Das ist das Problem."
"Ja."
"Hat er vielleicht schonmal was gesagt?"
"Nein. Er meinte nur, dass ich dir sehr ähnlich bin."
"Na das ist doch schonmal ein Anfang. Immerhin könnt ihr euch so halbwegs verständigen. Du hast noch zwei Tage. Dann fährt er wieder. Bis dahin kriegst du garantiert seine Nummer!"
"Und wenn nicht? Was, wenn ich ihn nie wieder sehe?"
"Dann ist er es nicht wert."
"Na das ist ja sehr beruhigend."
"Das wird schon. Und wenn nicht muss ich halt ein bisschen die Finger im Spiel haben."
"Nein! Du hältst dich da raus!"
"Ja ja."
"Mama!"
"Ja. Ich mach schon nichts!"
"Okay."

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt