Kapitel 50

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So ging es Runde für Runde und die Hindernisse wurden immer ein wenig höher, bis wir dann etwa bei S Höhe angekommen waren. Nun ließ ich Bismarck Runde für Runde laufen und gönnte ihm nur zwischendurch mal kurze Pausen, um die Richtung zu wechseln.
Nachdem wir dies etwa 10 Minuten lang gemacht hatten, blieb der Hengst schwer atmend vor mir stehen.
"So. Ein gutes Vielseitigkeits Pferd, das einen Gelände Ritt auf S Niveau laufen soll, müsste normal etwa doppelt so lange durchhalten.", erklärte ich nun an Paul gerichtet.
"Ja. Er hat nicht die beste Kondition.", meinte dieser.
"Das habt ihr beide nicht. Da müssen wir dringend dran arbeiten! Und Bismarck muss ordentlich was an Kraft aufbauen. Er tut sich noch sehr schwer über die höheren Hindernisse zu kommen und gerade bei den Oxern hat er Schwierigkeiten."
"Wie schaffe ich es, dass er Kraft aufbaut?"
"Freispringen. Jeden Tag Freispringen und ihn ordentlich fordern. Das macht ihm Spaß. Ansonsten immer viele Übergänge. Und mit viele meine ich alle zwei Sprünge oder Tritte die Gangart wechseln. So Dressur mäßig ist Rückwärtsrichten und daraus direkt antraben oder auch angaloppieren eine ganz gute Übung. Ansonsten ist Stangenarbeit auch immer eine gute Sache und wenn du die Möglickeit hast, kannst du ihn auch mal einen Berg hoch schicken. Da reicht es schon, wenn du ihn einfach mal im Schritt so eine halbe Stunde hoch und runter laufen lässt."
"Okay."
"So. Jetzt bring ihn erstmal wieder weg und versorg ihn in Ruhe.", wies ich ihn nun an. Er nickte und verschwand.
"Soll ich hier wieder abbauen?", fragte Johannes nun.
"Nein, aber du könntest den Parcours vom Anfang nochmal aufbauen. Die Taktstangen lass ruhig weg. Du kannst höchstens eine davor legen. Ich hol Ginger.", meinte ich und machte mich auf den Weg zum Stall. Auf halbem Weg kam mir bereits Jenny mit Ginger am Zügel entgegen.
"Sie ist schon Schritt gegangen. Du kannst direkt los legen.", meinte Jenny.
"Klasse! Danke!", sagte ich und nahm ihr die Stute ab, um mit ihr zur Halle zu gehen. Dort longierte ich sie noch ein paar Runden locker in Trab und Galopp, bevor ich sie dann springen ließ.

Nachdem ich dann mit meiner Stute fertig war, übergab ich sie wieder an Jenny, um dann mit dem nächsten Pferd fertig zu machen.
So ritt ich den Rest des Vormittags ein Pferd nach dem anderen, bevor ich dann Springtrainig mit Paul hatte. Hierfür gingen wir auf einen der Reitplätze, wo Johannes bereits den Parcours aufgebaut hatte, den ich ihn aufgezeichnet hatte. Ich prüfte noch einmal kurz, ob die Distanzen auch alle stimmten und wies Paul dann auf deutsch an: "Reit ihn schonmal warm. Einfach locker vorwärts abwärts. Ich bin sofort wieder da."
Er nickte und so machte ich mich nun auf den Weg in den Stall, um Emely zu treffen. Als erstes kam mir allerdings eine hoch beschäftigte Jenny mit fünf Pferden am Zügel entgegen.
"Schwer beschäftigt?", fragte ich.
"Ja. Im Moment schon. Warum?", antwortete Jenny.
"Schon gut. Dann kümmer ich mich selber um ihn."
"Warum? Was wolltest du denn?"
"Ich und Emely wollten gleich mit Nasim trainieren, aber um den kann ich mich auch selber kümmern."
"Ja. Das wäre nett."
"Gut. Dann mach ich das."
"Was ist mit Ginger? Soll ich die trotzdem fertig machen?"
"Ja bitte."
"Okay. Dann mach ich mal weiter.", meinte Jenny und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Ich suchte nun weiter nach Emely, die ich wenig später auch fand.
"Hey!", begrüßte ich sie.
"Hey! Wolltest du nicht mit Paul trainieren?", fragte Emely.
"Der ist noch am Abreiten. Danach hätte ich Zeit für dich zum Training mit Nasim. Machst du ihn dir fertig?"
"Ja klar. Soll ich ihn dann schon warm geritten haben?"
"Ja. Wenn's geht schon."
"Okay. Mach ich."
"Super! Bis dann!"
"Bis dann!", sagte ich und ging dann zurück zum Springplatz.

Am Springplatz angekommen parierte Paul den Wallach gerade durch. Das nannte ich mal perfektes Timing!
"Können wir los legen?", fragte ich nun.
"Ja.", kam es von ihm.
"Super. Dann nimm erstmal das rote Kreuz und reite dann eine enge Wendung auf das gelbe zu."
Er nickte und galoppierte auf den ersten Sprung los. Mit einem niedrigen Sprung setzte der Wallach perfekt hinüber und galoppierte dann mit einer engen Wendung direkt auf das gelbe Kreuz daneben zu. Er hielt den Wallach jedoch im falschen Moment vorne fest und so wurde der Sprung nicht wirklich gut.
"Okay. Das selbe nochmal und dann konzentrierst du dich mal auf die Distanz dazwischen. Das müssen exakt sieben Galoppsprünge sein.", rief ich ihm zu. Er versuchte es erneut und wieder das selbe Problem.
"Das waren acht! Du hältst ihn zu sehr fest!", rief ich. Noch einmal versuchte er es.
"Jetzt bist du zu schnell! Das waren nur sechs!", rief ich. Wieder nur ein Nicken von ihm. Wieder ritt er auf das Hindernis zu. Um ihm das Ganze ein wenig zu erleichtern zählte ich die Galopp Sprünge nun laut mit. Und diesmal passte es tatsächlich nahezu perfekt.
"Es geht doch! So muss das sein!", lobte ich ihn.
"Und jetzt?", fragte er.
"Nochmal. Und diesmal alleine! Versuch mal, ob es besser geht, wenn du selber laut mitzählst.", wies ich ihn an. Er nickte und tat dies. Auch diesmal passte es fast perfekt.
"Super! Es geht doch!", lobte ich ihn. Er nickte strahlend.
"Gut. Dann können wir jetzt ja mal ein bisschen in die Höhe gehen. Ich hab dir da so einen kleinen Parcours aufbauen lassen. Das ist der Parcours vom letzten CHIO. Ich hab den nur ein bisschen runter geschraubt. Das Ziel ist, dass du den in einer guten Zeit ohne Fehler reitest. Das müsste für deine Klasse eigentlich kein Problem sein.", meinte ich.
"Woher kennst du den Parcours vom CHIO?"
"Ich hab da selber gewonnen."
"Jetzt echt?"
"Ja klar. Der Pokal steht doch drinnen in der Vitrine. Der ist wohl kaum von alleine da rein geflogen."
"Da stehen so viele."
"Ja. Ich bin nicht umsonst die erfolgreichste Springreiterin der Welt. Ich hab das CHIO jetzt schon ungefähr zum 30. Mal gewonnen. Das erste mal, als ich vierzehn war."
"Wow! Ich wusste ja, dass du erfolgreich bis, aber ich dachte nicht gleich so erfolgreich!"
"Ach ich hab schon so einiges gewonnen. Das kann ich dir gar nicht alles aufzählen. Aber das ist jetzt auch egal.", meinte ich und erklärte ihm dann den Parcours mit den ganzen Distanzen und Kombinationen. Paul guckte mich nur groß an und ich merkte, dass er sich das wohl nicht so ganz merken konnte.
"Du kannst mir nicht so ganz folgen oder?", fragte ich.
"Nicht wirklich.", meinte er. Okay. Wie verdeutlichte ich ihm das jetzt am besten. Da kam mir eine Idee.
"Darf ich mal kurz?", fragte ich. Paul nickte und stieg ab. Ich schwang mich nun in den Sattel und schlug die viel zu langen Steigbügel über. Ich war einfach einen halben Meter zu klein dafür. Nun galoppierte ich den Wallach an und ritt mit ihm den kompletten Parcours einmal durch. Das klappte auch schon ziemlich gut, aber der Wallach hatte noch nicht so die Kraft, die er bräuchte.
Wieder bei Paul angekommen stieg ich ab und fragte: "Jetzt verstanden?"
Von ihm kam nur ein begeistertes Nicken.
"Gut. Dann leg mal los.", meinte ich und übergab ihm die Zügel. Er schwang sich nun in den Sattel und ritt den Parcours selbst noch einmal. Bis auf ein paar versämmelte Distanzen klappte das auch schon ganz gut.
Den Rest der Stunde, die ich eingeplant hatte, verbrachten wir damit auch diese Distanzen zu trainieren, bis er den Parcours dann ohne Probleme schaffte. Es war immernoch nicht perfekt, aber immerhin schonmal ein Anfang.
Paul ging nun Bismarck fertig machen, während Emely nun auf einem komplett fertigen Nasim und einer fertig gesattelten Ginger zum Platz geritten kam.
"Danke!", sagte ich und nahm ihr die Zügel ab, um mich in den Sattel zu schwingen.
"Ich soll dir von Jenny sagen, dass sie schon Schritt gegangen ist."
"Okay. Super. Wie weit bist du?", fragte ich nun.
"Fertig. Wir können direkt los legen."
"Gut. Dann schauen wir mal, wie hoch der Kleine so kommt. Den Parcours kennst du noch?"
"Ja. Den hab ich ja stundenlang mit dir gelernt. Den kann ich mittlerweile selber auswendig."
"Sehr gut. Dann nimm mal die kleine Kombination ein paar Mal auf beiden Händen und den roten Steil auf beiden Händen einmal, dass er sich ein bisschen warm springen kann. Wenn du willst, kannst du auch den gelben Oxer nochmal mitnehmen."
"Okay.", meinte Emely und legte los. Ich legte in der Zeit die Stangen ein Stück niedriger, sodass sie nur noch etwa auf L Höhe waren. Man musste es ja nicht gleich übertreiben und höher konnte man die Stangen immernoch legen.
Als ich fertig war, waren auch Emely und Nasim fertig und hielten vor mir.
"Was jetzt?", fragte Emely.
"Jetzt reitest du den Parcours einfach mal nach Turnierbedingungen. Also erstmal kurz den Parcours zeigen und dann los legen.", wies ich sie an.
"Okay.", sagte sie und galoppierte den Hengst aus dem Stand an. Ich blieb einfach am Rand stehen und schaute mir jede Bewegung von Pferd und Reiter genau an. Wenn sie wirklich erfolgreich in der Vielseitigkeit werden wollte, musste jede Bewegung stimmen. Jede Linie musste exakt eingehalten werden und die Distanzen mussten auf den Punkt geritten sein.
Emely ließ den Parcours ohne großartige Schwierigkeiten hinter sich und hielt schließlich vor mir an. Mit strahlenden Augen schaute sie mich an und fragte: "Und? Was sagst du?"
"Für's erste Mal gar nicht mal so schlecht.", meinte ich.
"Wo genau sind die Fehler?"
"An dem Grundtempo müssen wir noch arbeiten. Das ist mal zu schnell und dann wieder zu langsam. Da müsst ihr die Mitte treffen und das Tempo den kompletten Parcours lang durchhalten. Dann passt das auch mit den Distanzen ein bisschen besser. Die sind noch nicht ganz perfekt. Außerdem musst du noch ein bisschen an deiner Haltung in den Flugphasen arbeiten. Da könntest du ihn noch einen Ticken mehr und länger entlasten. Du fällst ihm ein bisschen zu früh in den Rücken."
"Okay. Sonst noch was?"
"Mach mal die Bügel ein Loch kürzer. Dann kommst du besser aus dem Sattel raus."
"Gut.", sagte Emely und tat dies.
"So. Dann reit das Ganze einfach nochmal.", wies ich sie nun an. Sie tat dies und diesmal sah es schon um einiges besser aus.
"Klasse! Wenn wir jetzt noch ein bisschen an dem Grundtempo arbeiten wird das noch richtig super!", lobte ich sie, als sie strahlend vor mir anhielt.
"Der Kleine ist klasse!", sagte Emely glücklich.
"Wollen wir es vielleicht mal ein bisschen höher versuchen?", fragte ich.
"Ja!", strahlte Emely.
"Okay. Halt ihn in Bewegung. Ich bau dir was auf.", sagte ich und machte mich daran die Stangen alle ein Loch höher zu legen.
Als ich dann fertig war rief ich Emely zu: "Nimm erstmal den roten Steilsprung und wenn er damit klar kommt den Oxer. Wir wollen erstmal gucken, ob er mit der Höhe zurecht kommt."
Sie nickte und tat dies. Der Hengst flog nur so über die Hindernisse und so rief ich Emely zu: "Leg direkt los. Der hat da keine Probleme mit. Lass ihn nur erst wieder ein paar Runden galoppieren!", rief ich ihr zu. Wieder kam ein Nicken von ihr, bevor sie meinen Anweisungen folgte. Nun kam auch Paul wieder zu mir und fragte: "Sie springt auch?"
"Ja, aber nur mit Nasim. Der ist unser Sorgenkind.", erklärte ich.
"Warum? Er läuft doch super."
"Ja, aber er sollte eigentlich Distanzrennen laufen."
"Und wo ist da das Problem?"
"Er hat eine tolle Abstammung, aber als Rennpferd taugt er nichts. Ihm ist es einfach zu langweilig durch die Gegend zu laufen. Der geht dann über jeden Zaun, der irgendwo in der Nähe ist."
"Klingt nach einem tollen Vielseitigkeits Pferd."
"Da sind wir gerade dran am arbeiten. Emely soll mit ihm dann Turniere gehen."
"Da hat sie hier ja die besten Trainer."
Ich nickte nur und konzentrierte mich dann wieder auf Emely, die nun auf den ersten Sprung zu ritt. Diesen ließ sie ohne Probleme hinter sich und auch der Rest des Parcours sah gar nicht mal so schlecht aus.
"Die beiden sind verdammt gut!", sagte Paul beeidruckt.
"Naja. An dem Grundtempo und an der Flugphase müssen wir noch arbeiten.", sagte ich zu ihm und erklärte Emely dann auf polnisch: "Das sah gar nicht schlecht aus. An der Höhe und der Sprungkraft brauchen wir schonmal nicht zu arbeiten. Wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf das Grundtempo und auf deinen Sitz. Du fällst ihm über den Sprüngen immernoch ein bisschen zu früh in den Rücken. Aber das kriegen wir auch noch hin. Nach dem Winter fangen wir mal mit einer A Vielseitigkeit an. Das müsstet ihr bis dahin locker hinkriegen. Wenn er sich gut macht können wir weiter arbeiten.", wies ich sie an.
"Okay. Was jetzt?", fragte sie nun.
"Kommst du mit Ginger klar?"
"Ich weiß nicht. Ich saß noch nie auf ihr."
"Okay. Dann holen wir das jetzt nach. Du reitest sie ein bisschen warm und ich probiere mal, wie er sich so bei einem ordentlichen S Parcours macht.", sagte ich und drückte ihr die Zügel in die Hand, als sie abgestiegen war. Die Zügel von Nasim übergab ich kurz an Paul und legte die Stangen dann wieder auf S Höhe, um mich dann in den Sattel des Hengstes zu schwingen. Ich ließ ihn nun ein paar Runden galoppieren, bevor ich dann den Parcours ansteuerte. Diesen ließ ich ohne jegliche Probleme hinter mir und der Hengst gab sich größte Mühe so perfekt wie möglich über die Hindernisse zu fliegen. Man merkte, wie ehrgeizig er war und wie sehr er das Springen liebte. Er war ein junges Talent und ich war mir ganz sicher, dass er mit Training und harter Arbeit ein Champion werden würde. Und das mit Emely im Sattel. Die Beiden waren das perfekte Team. Beide jung und unerfahren, aber auch beide ehrgeizig und sehr willensstark. Zusammen konnten die Beiden es schaffen. Wir mussten nur noch Ben davon überzeugen, dass Vielseitigkeit gar nicht so gefährlich war, wie er meinte. Das war nur gar nicht so einfach, denn genau genommen war sie das. Immerhin starben immer wieder Pferde und auch Menschen in Military Parcoursen. Eigentlich war es wirklich ganz schön gefährlich und riskant, aber ich wusste, das Emely schon seid Jahren davon träumte. Außerdem waren sie und Nasim jetzt schon ein super Team und ich war mir sicher, das der Hengst sie nicht im Stich lassen würde. Außerdem wollten wir ja auch nicht gleich mit den zwei Meter Hindernissen anfangen, sondern erstmal langsam ein paar kleinere Turniere mitnehmen. Da war die Gefahr schon deutlich kleiner. Das Risiko war allerdings immer noch da. Es würde schwer werden Ben zu überzeugen. Aber mit ein paar Diskussionen und ein bisschen betteln von Emely würde er schon weich werden. Gegen uns beide zusammen hatte er einfach keine Chance. Vor allen Dingen nicht, wenn die Anderen mit spielten. Darüber musste ich mir jetzt allerdings noch keine Gedanken machen. Es würde ja noch eine ganze Weile dauern, bis Emely ihr erstes Turnier reiten würde und bis dahin konnten wir das noch geheim halten. Trainieren konnten wir auch ohne das Ben etwas mit bekam. Bei Turnieren war das allerdings nahezu unmöglich. Immerhin musste uns ja auch irgendjemand fahren und selbst wenn wir jemanden fanden, der fahren konnte, mussten wir bedenken, dass wir für die Turniere wohl oder übel nach Deutschland mussten. Das heißt wir waren jedes Mal mindestens drei Tage weg. Das konnte man nicht so einfach vertuschen.
Aber wir hatten ja noch Zeit, bis wir uns darüber Gedanken machen mussten. 

Der falsche Sprung - KorrekturWo Geschichten leben. Entdecke jetzt