Die Jagd

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Die Tür ging leise auf und jemand lief heraus. In der Hand trug die Person eine Fackel. Die Person zündete sie an einer anderen Fackel, die neben dem Haus stand an und blickte sich um. In dem Moment stockte mir der Atem. Es war Focko. Mein Herz hörte nicht auf zu schlagen. Diltya schien gar nichts mitzubekommen. Automatisch wedelte mein Schwanz wie verrückt. Ein großer Nachteil, denn so machte ich Focko auf mich aufmerksam. Gebannt stand er da und schaute zu mir, ohne recht etwas zu erkennen. Er ließ die Fackel fallen und rannte weg. Und so sah ich ihn nicht mehr. Ich lauschte meinem Atem und bekam so nichts von der Außenwelt mit. Doch mein Gedankengang wurde von einem Hufgetrappel unterbrochen. Angestrengt blickte ich zum Wald hinüber. Ich traute meinen Augen nicht. Es war mein Vater. Er kam stolz mit vollem Wagen wieder. Gerade Als er vor dem Haus von Tario Halt machte, kam Focko wieder. Allerdings mit allen anderen Männern des Dorfes. Tario verließ sein Haus mit gesenktem Kopf. So kannte mein Vater den Empfang normalerweise. Doch drei Dinge waren anders als sonst. Tario schaute stumm auf den Boden, alle anderen hatten einen traurigen Gesichtsausdruck und ich fehlte. Verständnislos hüpfte mein Vater vom Pferd und fragte was los war. Ich konnte nichts hören. Ich sah nur, wie Tario etwas erklärte. Danach schaute er zu Focko. Dieser erzählte den Rest. Mein Vater schüttelte den Kopf. Sein Gesicht von Freude war auf einen Schlag verschwunden, denn ein Gesichtsausdruck von Entsetzten und Trauer machte sich breit. Ich war so froh, dass es ihm gut ginge. Obwohl “gut“ der falsche Ausdruck war. Mein Vater schaute in den Himmel. Dann sah er jedem ins Gesicht um sicherzugehen, dass es auch Alles der Wahrheit entsprach. Mein Vater sagte nichts. Tario ging auf ihn zu, um ihm seine Hand auf die Schulter zu legen, doch mein Vater zuckte zurück. Er starrte ihn nur fassungslos an und brach zusammen. Vor meinen Augen ging mein Vater auf die Knie und ließ das Gesicht in die Hände fallen. Sein Rücken zuckte und ich wusste, er weinte. Tario nickte Focko zu, der ihn ansah. Danach setze Focko sich in Bewegung, um meinen Vater ins Haus zu bringen. Doch mein Vater stand auf und nahm die Fackel in die Hand, die Focko zuvor fallen gelassen hat. Er zündete sie an und blickte in meine Richtung. Ich beobachtete das Verhalten der anderen. Doch dieses kamen schon Grüppchenweise mit Waffen und Fackeln wieder. Mein Vater zeigte zu mir und sagte etwas, während alle anderen Nickten. Und mit einem Mal wurde mir schlecht. Ich wusste, dass Focko mich verraten hatte. Er wusste zwar nicht, wer ich wirklich war, aber das spielte in diesem Fall keine Rolle. Sie marschierten alle auf mich zu. Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht das schmerzverzerrte Gesicht meines Vaters sehen, wie er mich tötete. Nein, das konnte ich nicht mit ansehen. Focko stand als Einziger alleine am Haus. Schritte ertönten neben mir. Doch nach kurzer Zeit verstummten sie. „Sie stehen jetzt alle um mich herum und gucken mich an. Sie planen sicherlich, wie sie mich am besten zur Strecke bringen“, dachte ich ohne Hoffnung darauf, dass ich doch noch mit Focko glücklich werden konnte. Doch als ich nichts von Anwesenheit menschlicher Wesen spürte, öffnete ich meine Augen für einen Spalt. Sie waren weg. Die Männer und mein Vater waren verschwunden. Nur Focko stand noch am Haus und schaute an mir…Nein…er…er schaut zu mir…er…schaut mir in die Augen. Ich wollte nicht länger warten, bis ich mich in seine Arme schmiegen konnte. Er war unbewaffnet. Er war ungefährlich. „Focko! Ich komme! Ich lebe! Ich bin hier! Ich liebe…“ „NEIN!“, schrie Diltya. Focko schien nichts gehört zu haben. „Wenn du das machst, wird er die Männer zurückholen und dich mit ihnen töten. Kira! Hör auf mich! Tu es nicht. Er ist im Moment dein Tod! Ich werde dir nicht helfen können. Kira. Hör auf mich.“ Ich beachtete Diltya nicht und sprang aus dem Gras. Ich trabte zu Focko, der mich mit riesigen Augen anstarrte. Ohne seinen Körper zu rühren, zuckte er ein Messer aus seinem Gürtel. Er hielt das Messer hoch um mir zu drohen. Ich schaute ihn an. Ich sah doch aus wie ein normaler Hund. Okay, wie ein normaler W…Nein, ein Wolf hatte nicht diese bekannte Markierung, die ein Schattenwesen hatte. Ich hatte dieselbe Markierung wie diese Monster, die das Dorf attackierten. Focko rührte sich nicht. Er starrte mir nur in die Augen. Auf einmal wurde sein Blick sanft. Er bückte sich leicht. Aber nur ganz leicht, denn wir waren schon so fast auf Augenhöhe. Erst jetzt war mir bewusst, wie groß ich wirklich war. Ich ging einen Schritt auf ihn zu. Er stattdessen Einen zurück. Ich hob meine Pfote, um ihn zu berühren, doch er richtete seine Hand mit dem Messer auf mich und ging eine Schritt auf mich zu. Ich wich aus und ließ mich in eine Ecke drängen. Ich wusste nicht, was mit mir geschah. Ich sah Focko vorwurfsvoll an. Wie konnte ich im Beweisen, dass ich ich bin. Er schaute mir immer noch in die Augen. Seine Miene verfinsterte sich wieder, nachdem er den Kopf schüttelte. Er schrie: „Vater! Vater! Leonard! Hilfe! Ein Monster! Eins ist hier!“ Ich fasste es nicht. Mein Gesicht schien zu glühen und als ich die Männer sah, war ich plötzlich voller Adrenalin und Panik. Die Gruppe von Männern teilte sich auf und rannte schnurstracks auf mich zu. Focko drehte seinen Kopf soweit es ging nach hinten, um zu sehen, wie weit weg die Anderen noch weg waren. Die Chance nutze ich und machte einen Ausfallschritt. Ich flog über die Steine und hörte wie Focko schrie: „Hey! Du Miststück“ Die anderen Männer brüllten sich gegenseitig etwas zu, worauf ich nicht viel Wert legte, es zu verstehen. Ich rannte so schnell, wie mich meine Beine tragen konnten. Ich hörte nur noch die Stimme meines Vaters neben meinem Geröchel: „Verschwinde du wildes Monster! Sieh zu dass du Land gewinnst! Schnappt euch diese Bestie! Sie muss sterben!“ Ich rannte. Es war dunkel und mitten in der Nacht. Ich rannte so schnell ich konnte auf allen Vieren. „Lass dich nicht mehr hier blicken!“ Mein Fuß wurde von etwas Hartem blockiert und ich knickte um.  Ein kurzer Fall. Schmerz durchzuckte meinen Fuß. Ein stechender Schmerz an meinem Bein. Ein Schrei erstickte in meiner Kehle. Mein fellbedecktes Bein war mit Blut verklebt. Ein Pfeil steckte tief im Fleisch. Mir wurde schlecht. Was habe ich getan? Ich konnte nicht mehr. Geschreie. Ich hörte sie näher kommen. Sie waren in der Überzahl. Außerdem haben sie sich in Gruppen eingeteilt. Eine ganze Gruppe von Menschen. Verrückten Menschen. Ich bin ich. Doch sie jagten mich. Mit Fackeln und Mistgabeln. Wie in einem Film. Doch dies ist kein Film. „Du hast es so gewollt. Du wirst jetzt sterben, Kira.“ Ein gehässiges Lachen ertöne in meinem Kopf. Nein. Ich will nicht. Ich stand auf. Rannte weiter, doch... Ein Loch. Ein Sturz. Ein Schrei. Der Tod.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt