Vertrauenssache

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Ohne, das ich wirklich wusste, was sich denn jetzt genau hier abspielte, schlug Protus mit seinem Umhang umher und war verschwunden. Die Monster ließ er mir natürlich – natürlich. Also, obwohl ich mir geschworen hatte, Diltya umzubringen, wenn dies nicht möglich sei, dann halt zu ignorieren, war ich doch auf ihre Hilfe angewiesen. Du elendige Heuchlerin! Du hast mich benutzt um diesen Ekel zufrieden zu stellen! „Indirekt hast du Recht ja. Ich brauche dich, um ihn glauben zu lassen, dass ich auf seiner Seite wäre. Ich erkläre es dir Kira, aber du solltest mir jetzt wirklich vertrauen. Er ist mein Mittel zum Zweck.“ Mit großer Anstrengung senkte ich meinen Kopf, konzentrierte mich auf alle vier Schattenwesen, um sie mit einer Art Kreis meiner Konzentration einzuschließen, den Diltya gerade für mich bildlich sichtbar machte. Doch bevor ich die Konzentration schweifen ließ, und jedes eingezogene Biest mit einem Attackensprung sofort zerlegen würde, schlug mich eines dieser Monster und ich musste es noch einmal versuchen. Beim zweiten Mal klappte es. Mittlerweile langweilten mich diese Monster, da sie einfach leicht zu berechnen waren und ich sie mit einem Male fertig machte.
„Mensch, du wirst ja immer besser! Es tut mir leid, dass ich dir nichts sagte. Aber ich bin dir letzten Endes keine Rechenschaft schuldig. Schließlich will ich ja nur meine Welt retten, indem ich diesem Kotzbrocken die Ohren lang ziehe!“ Diltya schien außer sich zu sein. Ich ließ jede Diskussion, Frage oder Anschuldigung in meinem Hinterkopf verrecken und entschied mich dafür, ganz brav weiterzulaufen. Mit vollem Schwung krachte sie auf meinen Rücken, ich sah nach hinten und knurrte- aus Reflex. Doch sie sah mich nur gleichgültig an, während ihr einziger, langer, spitzer Eckzahn herausguckte. „Prinzessin Loana wird dir alles erklären. Vertrau mir.“ Ihre Stimme war eher ein Flüstern. Langsam kam eines der vier Stadttore zum Vorschein. Ich stieg die Treppen herauf und ging durch den großen Bogen. Darauf folgte eine lange Zugbrücke. Ich trabte in der Mitte entlang, als es plötzlich anfing zu regnen. Wie in Trance blieb ich stehen. Es kam mir vor, als wäre ich hier schon einmal gewesen. Ich versuchte mich zu erinnern, doch mir fiel nichts ein, egal wie lange ich mir dieses Bild vor mir ansah. Mir wurde krampfhaft klar, dass ich irgendetwas mit diesem Schloss zu tun hatte, was es war, wusste ich nicht. Diltya riss mich aus meinen Gedanken indem sie mir in die Seite tritt, wie bei einem Pferd. Ich schloss die Augen und schüttelte mich. Dabei flogen Wassertropfen aus meinem Fell. Ich bemerkte kaum, dass es regnete, kein bisschen Wasser berührte meine Haut, die von meinem dichten Fell geschützt wurde. Ich schaute an meine Seite und sah, dass mein Fell klatschnass war. Wieder trat mir Diltya wortlos in die Seite, nun aber ungeduldiger. Ich schaute geradeaus und ging durch das große Stadttor. Zu meiner Überraschung war es nicht voll. Es war… leer. Ich erinnerte mich den Tag, an dem ich aus dem Schloss geflohen war. Es hatte sich also nichts geändert. Als ob ich es das erste Mal sehen würde, blieb ich erstarrt stehen und schaute mich um. Der leere Brunnen, die umher fliegenden Lichter und das leise Gemurmel. Es schienen über tausend Stimmen zu sein. Selbst Diltya schien von dem Marktplatz zu verstummen.  Langsam setzte ich eine Pfote vor die Andere und schnüffelte an dem Boden, um meine alte Fährte aufzunehmen. „Hey Wolf! So langsam scheinst du gut in deinem Körper zu Recht zu kommen, hm?“ Sie lachte ihr schäbiges Lachen. „Du entdeckst immer mehr Fähigkeiten. Du wirst sie alle brauchen.“ Nun seufzte sie. Diltya war mir ein Rätsel. Ein Schattenrätsel. Insgeheim wünschte ich mir immer noch aufzuwachen und zu wissen, dass es ein Traum war. Doch etwas in meinem Kopf sagte mir, dass dies, wenn es ein Traum wäre, niemals enden würde. Was sich auch immer mittlerweile in meinem Kopf abspielte, musste ich versuchen zu ignorieren um meine Welt zu retten. Doch wenn ich auch ein Teil des Schattens in mir hatte, was war denn dann meine Welt? Ich musste zugeben, dass ich mich hier in der Schattenwelt nicht gerade unwohl fühlte. Im Gegenteil, ich fühlte mich sogar wohl. Als Mensch fühlte ich mich in der lichten Welt wohler, denn als Wolf wurde ich dort verscheucht. Wenn sie doch bloß wüssten. Auf einmal schnupperte ich einen Geruch, der mir sehr bekannt vorkam. Es war mein Geruch. Triumphierend reckte ich den Kopf in die Luft und heulte ein Lied. Es war kurz, doch ich fand es sehr hübsch. „Ist ja gut! Du hast deinen eigenen Geruch wiedererkannt! Kein Grund so einen Aufstand zu machen“, keuchte sie, während sie sich noch in der letzten Sekunde an meinem Nackenfell festhalten konnte. Entschuldigend blickte ich nach hinten und folgte meinem Geruch bis zu einer Wand. Ich strengte mich an, mich zu erinnern. Mein Blick fiel auf den lockeren Boden unter meinen sanften aber doch kräftigen Pfoten. Ich schabte leicht an der Oberfläche. Ja, den Sand konnte man leicht wegschaufeln. Ich hielt meine Nase noch einmal an den Sand um meine Vermutung zu bestätigen. Tatsächlich musste ich durch dieses Sandloch gekommen sein. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern. Wie auf Kommando fragte mich Diltya das, über das ich nachdachte. „Sag mal, sind wir wirklich durch Sand gekommen? Also wenn deine Nase es dir so sagt, wird es schon so sein, nur kann ich mich nicht mehr daran erinnern.“ Mir kam es sehr merkwürdig vor, doch ich zuckte leicht mit den Schultern und fing an zu graben. Mit zwei kräftigen Hieben war das Loch zu gut wie frei. Durch den Restsand konnte ich leicht hindurch kriechen. Diltya sprang ab und schwebte durch die Wand. Ich war mittlerweile unter der Erde und stieß mich mit meinen kräftigen Hinterbeinen ab. Ich hielt die Luft an, denn sonst hätte ich wohlmöglich Sand eingeatmet. Lange würde ich es hier nicht mehr aushalten. Ich brauchte Luft. Verzweifelt suchten meine Vorderpfoten nach dem Ausgang. Als ich wieder erfolglos war, passierte etwas Merkwürdiges. In meinem  Körper passierte etwas. Doch ich konnte nicht wissen was. Ich erlebte so Etwas zum ersten Mal. Am Anfang war es angenehm doch dieses Gefühl tat langsam weh. Es fühlte sich an, als würde ich mir selbst mit meinen Pranken in den Bauch schlagen. Nur von innen. Plötzlich hatte ich meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Automatisch knurrte ich. Meine Glieder zitterten, meine Nackenhaare stellten sich auf und ich bellte laut auf. Ohne meine Augen zu öffnen genoss ich, wie etwas an meinen Ohren vorbei sauste. Es war merkwürdig, denn ich hatte nicht mehr das Gefühl von Sand um mich herum. Eher das Gefühl von Luft. Sofort roch ich Diltya. Meine Fährte, zumindest der Geruch von meinem nassen Fell war sehr intensiv. Es roch außerdem modrig und feucht. Wie in meiner Zelle. Ein fremder Geruch durchkreuzte alle bekannten Gerüche. Es roch ein wenig nach Blut. Bei dem Gedanken daran, lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ich erschrak. Was hatte ich da gerade gedacht? Vor Schreck riss ich meine Augen auf. Jetzt wurde mir bewusst, was das Alles sollte. Ich flog. Naja, was heißt flog. Ich fiel! Ich wollte noch meine Beine ausstrecken, um mich aufzufangen, doch ich reagierte zu spät und flog auf meinen Bauch, was starke Schmerzen hinterließ. 

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt