Hochmut...

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Ich landete schmerzhaft auf einen Dach, welches so rutschig war, dass ich die Kontrolle meiner Pfoten verlor und mit meinem Kiefer auf die Ziegel krachte. Diltya, die sich ja in ihrem Zustand nicht festhielt, rutschte mir über den Kopf und drohte vom Dach zu fallen. Sie sah anders aus. Ihre grünen Muster leuchteten hell und ihr Schwarz schien eher zu einem Grau zu tendieren. Bewusstlos rollte sie langsam das rutschige Dach hinunter. Mein Körper versprühte Panik, meine Augen weiteten sich und meine ganzen Muskeln zitterten, als ich vergeblich versuchte aufzustehen. Ohne Pause probierte ich weiter auzustehen, bis ich endlich stand und voller Angst versuchte, Diltya einzuholen. Da sie nicht allzuschwer war, rutschte sie nicht so schnell, als wenn ich bewusstlos dort hinabrutschen würde, doch mit Ensetzen stellte ich fest, dass ich sie nicht einholen könnte. Jetzt konnte ich Diltya nicht mehr sehen. Das ellenlange Dach, bei dem das Ende wegen starken Nebels nicht zu sehen war, schien nicht zu enden. Die Panik stieg in mir immer weiter, je tiefer ich in den Nebel rutschte und verlor langsam die Hoffnung in Allem. Mit einem Mal sah ich etwas Großes direkt vor meinen Augen, doch der Nebel war zu dicht, um zu erkennen was es war. Meine Krallen quietschten an den Ziegeln beim Versuch, sofort anzuhalten. Doch es war zu spät- mit voller Wucht wurde ich gegen dieses große Etwas gepresst und Schmerzen durchzuckte meine Schulter. Ich schloss die Augen und wartete. Es geschah nichts. Das einzige was ich hörte, waren die Regentropfen, die sich gerade wieder gedacht haben, dass Regen in meiner Situation gerade richtig gut passen würde. Ich ließ die Augen immer noch geschlossen und versuchte zu lauschen. Das leise Plätschern übertönte beinahe alle, obwohl es nur so leise war. Doch je mehr man sich darauf konzentrierte, desto lauter und unerträglicher wurde es. Ein kaum hörbares Klopfen schlich sich zwischen das Plätschern in meine Ohren. Ruckartig riss ich die Augen auf. Ein Herzklopfen. Es war eindeutig das Herzschlagen, welches Diltya von sich gab. In diesem Moment kümmerte es mich nicht, dass Diltya eigentlich keines besaß, aber ich wusste, sie war hier irgendwo. Das Gefühl von Panik verschwand langsam, stattdessen kam Nervosität und Hoffnung auf. Der Regen wurde stärker und die Sicht beschränkter, doch ich rappelte mich auf und versuchte gegen den ebenso stärker werdenden Wind anzukommen. Mein Fell wurde nach hinten gesogen und klebte mir, aufgrund des Regens an der Haut, sodass es langsam kalt wurde. Ich war gegen einen Schornstein gekracht und vermutete, beziehungsweise hoffte, dass Diltya das selbe passiert war. Meine Pfoten versuchte ich geradeaus zu setzen, doch die rutschigen Ziegel, der Wind, der  Regen, die Kälte, der Nebel und auch noch dieses schräge Dach machten mir alles nur schwerer. Ich schaff es nicht, dachte ich mir. Du schaffst es nicht verdammt, dachte ich mir weiter. Plötzlich stieg in mir ein Gefühl auf, welches ich vorher nicht gekannt habe. Es fühlte sich an, als würde es bei meiner Rute anfangen und langsam bis zu meinen Ohren hochkriechen und mit einem Mal fühlte ich mich stark. Ich fixierte meinen Blick nach vorne, durch den Regen und durch den Nebel. Balancierte mein Körpergewicht auf der Schräge und tänzelte, um der Glätte zu entgehen. Ich muss nur Stand halten, sagte ich mir, nur Stand halten Mädchen!.Je sicherer ich wurde, desto schneller lief und tanzte ich zum Rhythmus des Regens. Diese enorme Kraft ließ mich spüren, dass ich unbesiegbar war, dass ich alles schaffen kann und stark war. Ich setzte mein Gespür ein und konnte sie endlich sehen. Endlich! Das Gefühl von Glück überschwemmte alles und meine Beine wurden noch schneller. Doch dann, einige Schritte von ihre entfernt, rutschte mein Standbein weg. Ich rutschte einfach ab und krachte mit meinem Kopf wieder gegen den Schornstein. Mir war kurz schwarz vor Augen, bis ich spürte, dass ich rutschte. Ich wurde immer schneller und je schneller ich wurde, desto mehr verschwand meine soeben aufgebaute Stärke, der Mut und die Hoffnung. Ja jetzt würde ich sterben, stelte ich fest. Jetzt war es vorbei. 

Ich sürte noch einen starken Schmerz, als ich vom Rand des Daches in die Luft geworfen wurde und schloss dann die Augen.

Du hast versagt, dachte ich mir. Du hast dein Bestes getan.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt