Tanz der Herzen

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"Ja" sagte ich und stierte auf das bewegungslose Wasser. "Hey" er stupste mich an. "Hm?" ich hob den Kopf. "Rede mit mir!" sagte er in einem strengen Tonfall, dennoch zärtlich. "Ich kann hier nicht bleiben. Ich bin nicht diejenige, für die du mich hälst." Für eine Weile sagte er nichts, sondern setzte sich und sah wie ich ins Wasser. Nach einer Weile kam eine Antwort: "Dann sag mir, wer du bist.." 
"Ich kann nicht." "Wieso nicht?" Nun sah er mir wieder ins Gesicht, doch ich versuchte ihn nicht anzusehen, was mir in diesem Augenblick wirklich schwer fiel. Er tat mir irgendwie Leid. "Ich muss gehen" sagte ich schließlich. "Ich weiß" gab er zurück. Dann lachte er. "Was ist?" Ich sah ihn mit großen, leicht feuchten Augen an. "Ach, ich hatte gehofft, dass ich dich dank des Trainings noch etwas länger dazu bringen kann, hier zu bleiben. Aber ich glaube, das wird nichts. Ehe verprügelst du mich!" Er lachte weiter. Nun musste ich auch kichern. All das hier wirkte so menschlich an ihm. Und das machte es mir nicht leichter, mir einzugestehen, dass er ein Tier war und ich vor allem hier war, um einen anderen jungen Mann zu retten. Ich fühlte mich so verlogen. "Tja, ich glaube, das muss ich dann wohl" grinste ich. "Naja, ganz loswerden wirst du mich nicht, habe ich soeben beschlossen." sagte er strahlend. "Was?" erschrocken hob ich meinen Kopf. "Ich komme mit dir." "Das geht nicht." "Warum nicht?" Er klang klagend. "Es geht nicht verdammt." Ich stand auf. "Warte!" er sprang ebenfalls auf und stand direkt vor mir. Wir sahen uns tief in die Augen, der Mond ließ sein Fell blass erscheinen, doch seine Augen waren noch so warm wie vorher. Ohne darüber nachzudenken, was genau gerade passierte schloss ich einfach die Augen als ich bemerkte, dass er näher kam. Unsere Nasen berührten sich, danach unsere Lippen und ich spürte, wie unsere Herzen zusammen tanzten. Und sie würden die ganze Nacht noch tanzen, wenn wir, oder besser gesagt, wenn ich es zulassen würde. "Das hättest du nicht tun sollen" sagte ich verlegen. "Verzeih, ich hatte das Gefühl, dass du es nötig hättest." Diese Aussage verwirrte mich etwas, doch ich ließ sie so, wie sie war, im Raum stehen. "Bleibt das unter uns?" Déjà-vu. Ich nickte. "Danke" gab er zurück. "Und jetzt?" fragte ich, peinlich berührt. "Wollen wir schlafen?" fragte er. "Eine letzte Nacht noch hier. Morgen früh breche ich auch." "Okay" Er wirkte bedrückt. 
Wir gingen zusammen wieder zu den anderen Wölfen. Ceasar und Adrian waren wieder aufgetaucht und taten, als wäre nichts. Ich sagte ihnen, dass ich noch dringend etwas zu tun hätte und morgen abreisen müsse. Es ginge um meine Familie. Sie boten mir, ähnlich wie Phoenix ihre Hilfe an, die ich jedoch entschuldigend ablehnte. Wie würden sie nur reagieren, wenn sie erfuhren, dass ich ein Mensch war? Ich konnte hier nicht leben, als wäre alles normal. Es ging einfach nicht. Sie stimmten meiner Entscheidung zu und waren beide der Meinung, dass ich immer wieder herzlich Willkommen war und wann immer ich sie brauchte, auf ihre Hilfe zählen könnte. Ihr Motto war: "Ein Rudel hält ja schließlich zusammen." Außerdem wollten sie meine Familie gerne kennenlernen. Ich sagte ihnen, dass das sicher machbar wäre. Damit blieb ich unauffällig in meiner Wortwahl. Die darauf folgende Nacht konnte ich nicht schlafen. Phoenix war wieder bei mir diese Nacht. Doch egal wie sehr ich es versuchte zu schlafen, blieb ich die ganze Nacht wach und hoffte, Dilytya morgen unversehrt finden zu können. Ich überlegte, wie ich vorgehen könnte. Plötzlich fiel mir ein, dass ich doch hier war. Dass ich mich gar nicht auskannte und dass es, wie ich mitbekommen hatte, sehr weit bis zum Schloss Tyrollus war. Die andere Hälfte der Nacht verbrachte ich damit, die Möglichkeiten abzuwiegen, welche nun am günstigsten war. Müsste ich Phoenix mitnehmen und in mein Geheimnis einweihen? Wie würde es dann mit uns, wenn wir weiter so viel Zeit verbrachten weitergehen und wie würde Focko reagieren. Ich bemerkte, dass sich mein halbes Leben im Moment nur um Fragen drehte und das nervte mich. Für ein paar Minuten fiel ich immer mal wieder in den Schlaf, bis es irgendwann soweit war. 

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