Ein Kinderspiel

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Ich schnaubte einmal tief durch und rannte mit hoher Geschwindigkeit auf das Tier zu, um es zur Strecke zu bringen. Meine Augen verengten sich, die Luft warf meine Ohren nach hinten. Meine Krallen gaben einen aufregenden Ton, wenn ich mit ihnen beim Rennen den Boden berührte und mich abdrückte, um noch schneller zu sein. Ich fletschte die Zähne und mit einem Satz flog ich durch die Luft und landete auf etwas Weichem. Das Tier gab sofort nach und zersprang in lila-schwarze Quadrate. Mein Herz donnerte, meine Lungen prusteten wie noch nie und ich fühlte mich gut. Verdammt gut. „Ja, du hast deine wahre Existenz gefunden. Am Anfang mag es schwer für dich sein, doch du gewöhnst dich dran. Du musst nur an eines denken, du machst es für ihn. Würdest du nicht  Alles tun, um bei ihm zu sein? Um mit ihm im See herumzutollen? Das klingt toll, was? Doch bevor du das genießen darfst, haben wir einen Pakt geschlossen. Erinnerst du dich? Du tust Alles, was ich dir sage!“ Die letzten Worte hallten in der leeren Kanalisation. „Du weißt immer noch nicht, wo wir sind, hab ich Recht? Dabei warst du so oft in deinen Träumen hier“, sanft streichelte sich mich hinter den Ohren. Obwohl es mir gefiel, ließ ich mich nicht ablenken.  Ich kniff die Augen zusammen um den Kanal etwas genauer betrachten zu können. Nichts. Nur monotone Wege und das Geräusch von fließendem Wasser. Nichts kam mir der Art bekannt vor. Ich war hier noch nie. Das wüsste ich. Selbst in meinen Träumen. "Nun komm, Fellknäuel. Die Wachen werden von meinen Schlägen nicht ewig bewusstlos sein.“ Ich erschrak. Ich schaute ihr tief ins Gesicht. "Naja, die lassen mich sicher nicht freiwillig zu dir. Außerdem hast du getötet", lachte sie. Ich fragte mich gedanklich, ob sie schon getötet hatte.Während ich lief, lachte sie nur und sagte: "Wenn du wüsstest. Und jetzt beeil dich!" Nachdenklich trabte ich los. Doch ich kam nicht weit: auf dem Boden, auf dem ich ging, erstreckte sich eine lange Reihe spitzer Metallstäbe. Dort würde ich niemals durchkommen, ohne mir meine Pfoten zu durchbohren. Diltya sprang auf und flog über die Stäbe hinüber. „Na worauf wartest du? Komm herüber! Wenn du nicht laufen kannst, versuche etwas Anderes.“ Etwas Anderes. Ich befand mich in einer Kanalisation. Fliegen konnte ich nicht. So weit würde ich auch niemals springen können. Ich drehte mich um, denn ich hörte Wasser rauschen. Es lag hinter einem kleinen Holztor. Ich setzte mich und sah diese Holztür an. Es sah aus wie ein großes Hindernis für... großes Wasser! Ich sprang auf und sah mich um. Die Holztür war mit einer Metallkette versehen, die sich über einige Längen an der Decke erstreckten. Fast neben mir an der Wand hing die Kette herab. Zu meinem Gunsten mit einem Griff. Ich sprang hoch, ohne weiter nachzudenken und griff mit meinen Zähnen nach der Kette. Sie hing zu hoch. Ich erreichte sie nicht. Enttäuscht sah ich Diltya an. "Streng dich an verdammt! Willst du hier drin gleich umgebracht werden? Wo sind deine gottverdammten Triebe!?" Sie machte mich wütend. Voller Elan sprang ich hoch, schnappte den Griff und sprang dabei bis fast an die Decke, während ich den Griff fest zwischen den Zähnen hatte. Langsam fiel ich wieder runter und wurde immer schneller. Ich biss fester auf den Griff und schloss die Augen. Mit einem kräftigen Ruck hing ich schaukelnd an der Kette. Sie ließ nach und ich erreichte mit meinen Hinterbeinen langsam den Boden. Ich sah, wie die Holztür hochgezogen wurde. „Ein Kinderspiel“, dachte ich, doch statt mich zu feiern schwebte Diltya vor sich hin, sah mich an und zog die Braue hoch. Ein Lächeln machte sich auf ihrem hübschen Gesicht breit. Meine Ohren bewegten sich unabhängig von mir in die Richtung des Wassers. Das Rauschen wurde lauter. Jetzt hatte ich es begriffen. Mein Kopf schnellte zurück, doch bevor ich mich darauf einstellen konnte, riss mich die Sintflut schon mit. Hilflos strampelte ich mit meinen Beinen in alle Richtungen. Doch es half nichts. Ich rang nach Luft, als ich kurz an die Oberfläche kam, doch die nächste Welle kam und drücke meinen Kopf brutal unter das Wasser. Der Druck schnürte mir die Luftröhre zu. Ich bekam keine Luft mehr und war kurz davor, ohnmächtig zu werden. Ich riss meine Augen auf und sah, dass es über meinem Kopf hell war. Das Wasser war beruhigter. Ich strampelte mit meinen Hinterbeinen. Doch kurz bevor meine Nase die Luft erschnüffelte, stieß ich gegen etwas Hartes. Ich zuckte zusammen, dann kam der Schmerz. Die Angst zu ertrinken war größer als alles andere. Endlich kam ich an die Oberfläche. Meine Pfoten hielten das nächst Beste. Es war das Gitter, an das ich auch gerade gestoßen war. Diltya befand sich auf der anderen Seite des Gitters. „Na da hast du dir aber etwas geleistet. Erst spielst du die Heldin und dann ertrinkst du fast. Tolle Heldentat. Vielleicht hängst du das nächste Mal ein bisschen länger ab. Was hältst du davon?“ Sie war etwas sauer. Dieses ganze Theater hat länger Zeit in Anspruch genommen, als sie geplant hatten.  „Das Gitter ist  unten offen, du kannst durchtauchen. Aber Beeil dich!“, sie drehte sich um. Ich schnappte nach Luft und tauchte durch das Gitter hindurch. Kaum trat ich an Land, fragte mich Diltya, ob ich diesen Ort jetzt kennen würde. Ich schüttelte den Kopf. Sie stöhnte. „Na schön. Dann wirst du es aber bald wissen." Sie wurde langsam ungeduldig. Das sah man ihr an. Sie kniff ihre großen Augen leicht zusammen. Ihre kleinen Hände waren zu Fäusten geballt. Ihre Mundwinkel zeigten nur ganz leicht nach oben. Das war das Lächeln, das mir sympathisch vorkam. Ihr Gesichtsausdruck sah zwar eher böse aus, aber doch wirkte es nett. Zufrieden schüttelte ich mir das kühle Nass aus meinem Fell. Diltya wollte sich nicht auf mich setzen solange ich nass war. Sie schwebte neben mir her. Ich folgte ihr bis zum Ende des Ganges, aber hier ging es nicht weiter. „Siehst du diese Brocken dort oben? Dort kommst du hoch. Vertrau mir.“ Die Steinblöcke, die sie meinte, waren mindestens fünf Menschenlängen von mir entfernt. Ungläubig sah ich sie an. "Nein", dachte ich.  „Tu das, was ich dir sage. Nichts anderes.“ Ich hatte eh keine andere Wahl. Sie flog mit hoher Geschwindigkeit hoch zum Brocken. „So Hündchen und jetzt spring mit aller Kraft zu mir“, ihre spitzen Eckzähne blitzen hervor. Sie lächelte wieder ihr Lächeln. Ich ging in die Hocke und setzte zum Sprung an. Ihre Augen vergrößerten sich und starrten gespannt zu mir herab.

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