Unerwartet erwartet

349 26 1
                                    

 „Hmm…ziemlich wenig Monster heute unterwegs findest du nicht?“ versuchte sie ein Gespräch anzufangen. Ich zuckte mit den Schultern. Über dem Schloss flogen riesige Monstervögel. Mit denen hatte ich auch noch eine Rechnung offen. Es war mittlerweile frischer Morgen geworden, doch es zwitscherten keine fröhlichen Vögel, stattdessen hörte man gelegentlich einen kläglichen Schrei eines solchen Greifvogels. „Wir haben es bald geschafft, Kira“, triumphierte Diltya. Doch bevor ich daran denken konnte, mich darüber zu freuen, stürzte etwas sehr großes vor uns zu Boden. Ein Schrecken breitete sich in mir aus. Diese Schildmonster! Mein Herz fing an zu rasen, meine Beine zitterten. Die Gestalt rappelte sich auf und schüttelte sich, doch es kam nicht auf mich zu, stattdessen fielen drei weiter Monster vor mir auf den Erdboden, der bei jedem Aufprall zu zerbrechen drohte. Zumindest kam es mir so vor. Diltya schwebte vor meiner Nase. „Vier Stück? Du bist noch gar nicht so gut ausgebildet!“ Sie überlegte kurz. „Ich erledige die schon, lenke sie nur ab!“ Und schon war sie verschwunden. Ehe ich mich auf den Kampf vorbereiten konnte, entstand um die Monster und mich wieder so eine elektrische Mauer. Ich stellte mich in Kampfstellung und senkte meinen Kopf leicht, schaute jedoch weiterhin jedes einzelne Monster an. Ich sah Diltya mir gegenüber hinter den Gestalten. Doch bevor ich mich etwas beruhigen konnte, kam plötzlich ein Wirbelsturm auf. Die Monster sahen aus, als würden sie sich verbeugen. Ich wurde stutzig. Vor mir stand ein großer Mensch. Zumindest sah er aus wie einer. Sein schwarzer Mantel schien mit dem Wind zu tanzen, doch es war windstill. Am liebsten hätte ich meinen Schweif eingezogen und wäre davon gerannt, doch um Focko und mein Dorf zu retten musste ich hart bleiben. Die Ärmel des Mantels waren viel zu groß und hingen lang über die Hände. Am Ende der Ärmel befanden sich Fransen. Ich blinzelte flüchtig zu Diltya herüber, die wie versteinert, mit offenem Mund und mit erschrockenem Gesichtsausdruck auf dem Boden stand. So wirkte sie noch kleiner, als sie eh schon war. Nun widmete ich dieser komischen Person meine volle Aufmerksamkeit. Ich musterte ihn. Er trug eine Maske. Sie sah aus wie aus Stein und erinnerte mich ein wenig an die von Diltya. Allerdings war dieser hier größer und sah etwas aus wie ein Insekt. Mit einem kurzen Rüssel. Mir blieb mein fetter Kloß im Hals, es war unmöglich ihn wegzubekommen. Ohne zu zögern, stellte ich mich in Kampfposition. Die Person begann zu lachen. Die tiefe Stimme erschreckte mich. Sie dröhnte stark in meinen empfindlichen Ohren. „Hahahahahahahaha!“ Ich verstand noch immer nicht, was so lustig sei. „Sehr gut, Diltya. Ich muss schon sagen, du hast gute Arbeit geleistet! Schau sie dir doch mal an. Diese feminine Grazie, der kraftvolle Körper, die Kampfbereitschaft, der gute Instinkt und der wilde und doch verführerische Blick“, er schwärmte nur so. Ich knurrte. Er schien nicht überrascht von meiner Reaktion zu sein. Man konnte weder sehen, ob er lächelte, oder böse guckte, die Maske gewährte mir keines Blickes und das machte die gesamte Situation komplizierter und unübersichtlicher.  Ich dachte nichts. „Wie unhöflich, Kira.“ Bei meinem Namen zuckte ich zusammen. „Ich, bin Protus. Der Herrscher dieses wunderschönen Reiches! Wir haben dich schon… erwartet“ Dabei lächelte er zu Diltya, von der Seite sah man seinen Mund. Doch Diltya sah nur beschämt auf die Erde. Ich wusste nicht recht, was das alles sollte. Ich brachte nur ein leises Keuchen heraus. „Diltya!“, schrie Protus, „Wenn du schon so unerhörte Dinge denkst, dann denke sie leise.“ Seine tiefe Bassstimme verwandelte sich in ein fieses Zischen. Ich blieb wie erstarrt stehen, um das Geschehen genauestens zu beobachten. „Kira“, sagte die Stimme wieder im tiefen Ton in einem überfreundlichen Klang, „Sieh mir in die Augen“, befohl er. Noch ehe ich auf seine Maske blicken konnte, nahm er seine Maske ab. Das Gesicht von Protus war gar nicht so schrecklich, wie ich es mir in meiner Phantasie ausgemalt hatte. Es hatte frische, männliche Züge. Die Wangenknochen traten stark hervor, welche das Gesicht etwas schmaler machten. Volle Lippen und eine perfekte Nase. Protus kicherte, und ich vergas, dass auch er meine Gedanken hören konnte, wenn ich zu laut dachte. Unter meinem Fell rötete sich mein Gesicht. Es war mir so unangenehm, dass es schlimmer nicht ging.  Er öffnete den Mund und ich erschrak, lange Speichelfäden hingen an den Zähnen, wie flüssiger Honig, der verhinderte, dass sich der Kiefer öffnen sollte. Die Zähne waren alle spitz und die Zunge war am Ende gespalten, wie bei einer Schlange. Auf die Augen hatte ich zuvor nicht geachtet, ich war zu sehr mit der männlichen Schönheit des Gesichtes beschäftig, um in die Augen zu sehen, die so stark gelb leuchteten, dass man sie eigentlich nicht hätte übersehen können. Trotz des Schreckens und der Angst, sah ich ihm weiter in die Augen. Ich fing an zu zittern. Mein Herz erhöhte die Pumpzahl und mein Atmen wurde schneller.  „So ist’s gut.“ Er lächelte. Ich dachte nichts Konkretes, ich hatte Angst, Protus würde es hören. Ich verlagerte mein Gewicht auf alle vier Pfoten gleich, um besser stehen zu können. Jetzt erst fiel mir auf, dass Protus schwebte.  Er schwebte sanft über dem Boden, wie Diltya. „Deine Fähigkeiten sind noch nicht ausgeprägt. Schade, ich hätte sie gerne ausprobiert. Deine Art zu gehen, zu stehen, zu atmen, ähnelt noch zu sehr eines Menschen. Du sollst lernen, dich wie ein Schattenwesen zu verhalten. Du wirst nie vollendet sein, denn du bist zum Teil Mensch, Tochter Lana’s. Wirklich schade. Aber wer weiß, wie mächtig du doch hinter deinen blauen Äuglein bist?“ Ich zuckte beim Namen meiner Mutter zusammen. Woher kannte er meine Mutter und womit hatte diese gestalt mit ihr zutun? Fragen und keine Antworten. „Antworten auf deine Fragen, bekommst du noch rechtzeitig." Er lachte und ich fühlte mich verdammt unwohl in dieser Situation. "Diltya?“ Er dreht sich halb zu ihr um, doch ein Auge beobachtete mich immer noch. Ein Schauer jagte mir über den Rücken. „Du hast wirklich nicht zu viel versprochen, sie ist wirklich vorzüglich und absolut perfekt. Wie du’s gesagt hattest.“
Ich war fassungslos. Hat Diltya mich etwa benutzt? Wieder nur Fragen. Ich sollte aufhören, mir ständig Fragen zu stellen. Ich würde eh alles erfahren, was ich erfahren sollte. Und den Rest werde ich schon herausfinden. Doch irgendwie musste ich hier weg.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt