Ein treuer Freund

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„HALT! STEHEN BLEIBEN!“, Focko rannte mir bis zum Fenster nach. Dann blieb er stehen. Er sah mich noch gerade vom Dach springen. Da es bis zum Dorfausgang noch sehr weit war und man meine Spuren im weichen Boden sehen würde, empfand ich es für sinnvoll mich für kurze Zeit im Gebüsch zu verstecken. Alle drei Männer stürzten aus der Tür. Focko rannte zu seinem Pferd und sprang ohne zu zögern in den Sattel. „Ich werde dieses Vieh suchen. Und wenn es das letzte ist, was ich tue. Ich werde es suchen und ihm danach das Fell abziehen!“, Focko war fest entschlossen mich zu töten. Mir war bewusst, dass er nicht wusste, wer sich unter diesem dichten Fell wirklich versteckt hielt, doch konnte ich leider nicht mit ihm kommunizieren.  Doch bevor Focko auf seinem Pferd davon reiten konnte, kam Siwan auch schon mit einer Öllampe angerannt. „Habe ich richtig gehört? Dieses Miststück lebt noch? Und es hat Kiras Schwert gestohlen?“. Er war außer Puste. „Schlimmer. Es hat zusätzlich auch noch unseren besten Schild geklaut. Wir haben es noch gesehen, wie es mit dem Schwert auf dem Rücken und dem Schild in der Fresse aus dem Fenster gesprungen ist. Ich reite los um es zu suchen. Ich schwöre dir, ich werde es finden und töten“, Fockos übermännliche Stimme machte mir etwas Angst. Und wenn er das Es betonte, spürte ich einen Schmerz in meiner Brust. „Aber, aber. Es ist Nacht. Es ist im Vorteil. Möglicherweise hat es übersinnliche Kräfte. Du wirst da draußen sterben“, wollte Siwan ihn abhalten. Quil und Tario hielten sich raus. Ihnen schien es Recht zu sein, dass er versuchte mich Bestie zu töten. „Weißt du eigentlich, was es mir Alles angetan hat? Ich weiß ja nicht was Kira getötet hat, aber ich werde diesem Drecksvieh so was von die Hölle heiß machen, damit es leidet. Und zwar genauso stark wie ich es tue. Ende der Durchsage!“ Während er das sagte, drohte meine Brust zu zerspringen. In tausende Teile. An der Stelle, an der sich mein Herz befand, klaffte eine tiefe Wunde. Sie war nicht wirklich da, doch es schmerzte. Am liebsten würde ich es haben, wenn ich endlich aus diesem Albtraum erwachen würde. Ich hielt es nicht mehr aus. Im hohen Gras fühlte ich mich zunächst sicher. Eine kleine Spinne krabbelte über meine Nase. Ich beobachtete sie eine Weile, aber nur solange, bis mir wieder einfiel, was für eine panische Angst ich doch vor Spinnen hatte. Ich riss meine Augen auf und sprang in die Luft. Ich schnaubte und drehte mich, sprang in die Luft und wirbelte herum. Den Schild hatte mir Diltya zum Glück schon umgelegt. Ich flippte völlig aus. Nach kurzer Zeit beruhigte ich mich wieder und starrte in die Gesichter von vier höllisch wütenden Männern, die sich mir langsam näherten. Ich hörte eine Stimme: „Lauf Freundin! Lauf! Ich werde nicht gehorchen und überlasse dir einen Zeitvorsprung.“ Es war das Pferd von Focko. Der Hengst sah mich mit seinen braunen, hübschen Augen an, während er mir Sachen zurief. Für die Menschen muss es wie ein Wiehern klingen, denn Focko versuchte ihn zu beruhigen, während die Männer immer noch bedrohlich da standen, sich jedoch nicht mehr bewegten, weil sie mich nur verscheuchen würden und Focko somit Zeit verlieren würde. 

„Danke Zeno! Vielen Dank! Ich werde wiederkommen. Als Mensch. Das versichere ich euch Allen!“, ein Funken Hoffnung machte sich breit. „Nun lauf Freundin! Lange kann ich nicht ungehorsam sein! Beeil dich und laufe zur Quelle der Finorie. Na los!“ Zeno schnaubte und tänzelte auf einer Stelle. Ich verschwand so schnell es ging durch das Gebüsch Richtung Ausgang. „Es flüchtet! Los Focko! Bring es zur Strecke!“, Quil registrierte als Erster, dass ich flüchten wollte. Ich hatte nicht viel Zeit. Ein falscher Schritt könnte meinen Tod bedeuten. Jeder betonte das es mit einem angewiderten Ton. Es machte mich traurig. Wieder spürte ich dieses Gefühl, ein Loch in der Brust zu haben, das sich immer weiter ausbreitete. Solange, bis von mir nichts mehr von mir übrig war. Ich wünschte, sie wüssten, wer ich wirklich war. Meine Ohren wehten im Wind, der mir von vorne ins Gesicht peitschte. Das verlangsamte mich nur. Als ich die kleine Bachbrücke überquert hatte, hörte ich Zeno wiehern. Ich drehte mich um und sah, wie er stieg. Sein entschuldigender Blick verriet mir, dass es ihm wirklich Leid tat. Er galoppierte los. Logischerweise war Focko mit Zeno um einiges schneller als ich. Doch ich hatte den Vorteil, unter Baumstämmen hindurchzukriechen, während Zeno herüber springen musste. Und ich wusste, dass Zeno das Springen nicht so gerne mochte. Also nahm ich den hindernisreichsten Weg um Zeit zu sparen. Zeno schien meinen Plan zu verstehen und gab sich viel Mühe so viel zeit wie nur möglich zu verschwenden.

Focko fluchte hinter mir. „Sei bloß froh, dass ich keinen Bogen mithabe, du verfluchtes Schattenwesen! Schneller Zeno verddammt!“

Ha!’, dachte ich mir. ‚Du alter Angeber! Du kannst doch gar nicht reiten und mit Pfeil und Bogen umgehen’ Es amüsierte mich etwas, ihn zu ärgern, doch es tat mir trotzdem weh, da wir kein Spiel spielten, sondern um Leben und Tod rangen. Ich schaute des Öfteren nach hinten, um meine Verfolger zu mustern. Sie waren mir dicht auf den Fersen. Ich spurtete nun und war schneller als Zeno im normalen Galopp, nur  wusste ich auch, dass Zenos Jagdgalopp fast so schnell war, wie der von Zacharias. Schneller als Zacharias war ich auf keinen Fall.

Zeno schnaubte laut und galoppierte dicht neben mir. „Los! Renne den Berg hinauf zum See und springe hinein! Ich werde Focko hineinwerfen. Da du als Tier schneller schwimmen kannst, kannst du wieder Zeit gewinnen“, Zeno fiel das sprechen beim Galoppieren schwer, da wir schon eine lange und schwierige Strecke gelaufen waren. „Danke Zeno! Dafür hast du dir eine extra Streicheleinheit verdient!“, ich zwinkerte ihm zu. Im Augenwinkel sah ich, dass Focko mit dem Schwert ausholte. Schnell machte ich einen Ausfallsprung zur linken Seite. Zeno konnte nicht so schnell um die Kurve und musste deshalb einen kleinen Bogen reiten.

„Hüa Zeno!“ Ich drehte mich um und musste grinsen. Ich rannte jetzt so schnell wie ich noch nie gerannt bin. „Hach ist das gemütlich“, sagte Diltya so leise, dass nur ich es hören konnte. „Im Schatten zu liegen ist echt entspannend!“

Nun kicherte sie schadenfroh.

„Hehe, pass auf, gleich wird’s nass!“, lachte ich zurück.

Ihre Augen wurden groß.

„Was?“

Ich rannte nun direkt auf den See zu, den Hügel hinunter. Ich nahm einen Stein als Rampe und sprang wie ein Fisch ins Wasser. Es platschte laut.

Als ich auftauchte erschrak ich. Focko flog direkt auf mich zu. Das Schwert lag neben Zeno, der einen Huf darauf gelegt hatte. Ich versuchte schnell wegzuschwimmen, doch so schnell kam ich nun doch nicht von der Stelle und stehen konnte ich hier auch nicht. Da ich fast so groß war wie Focko, ging ich davon aus, dass er es auch nicht konnte. Seine Arme waren ausgebreitet, so, als wolle er mich packen. Und dies hatte er auch vor. Ich schaute auf meinen Körper. Das Schild und das Schwert waren weg. Hastig schaute ich zu Diltya, die sich vor dem kühlen Nass in Sicherheit gebracht hat. Sie saß versteckt hinter dem Stein, von dem ich gesprungen bin. Das Schwer hielt sie achtsam in den Händen und saß auf dem Schild. Diese ganzen Gedanken verflogen in einem solchen schnellen Tempo, dass Focko immer noch in der Luft segelte. Mit einem lauten Platsch schmiss er sich auf mich rauf. Er packte meine Kehle und kämpfte sich auf mich, um nicht unter mir zu sein. Er war verdammt stark, denn letzten Endes war ich auch nur ein Mädchen. Wenn er seine ganze Kraft einsetze, könnte er mich töten. Und das würde gleichzeitig seinen Tod bedeuten.

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