Unter den Lebenden

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Mein Bewusstsein spielte Spielchen, oder eher meine Seele, oder was auch immer noch von mir da war. Nun bildete ich mir ein, dass es kalt war. Vielleicht war das Nichts ja auch kalt? Es roch alles kühl, steinern und feucht, jedoch keine Spur mehr von Erde oder Gras. Nur dieser Geruch, der mich in den Todessturz verfolgt hatte, umschmeichelte meine Nase wie ein sanfter Schmetterling. Nur zart konnte ich ihn riechen, doch mittlerweile empfand ich diesen Geruch nicht mehr als störend. Langsam öffnete ich meine Augen...

Ich sah Stein. Plötzlich stieg mir der Geruch von Blut und Fleisch in die Nase. Ich schaute mich um. Ich bin nicht tot, lachte ich. Ich lebe!, ich versuchte aufzuspringen, doch meine komplette Seite schmerzte und auch mein Hinterbein schien verletzt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht legte ich mich wieder so hin, wie ich aufgewacht war. Okay, ich lebe, dachte ich, das ist schon einmal gut. Ich sah mich so weit um, wie es meine körperliche Verfassung zuließ, doch entdeckte nichts weiter als Steine, Steine und Steine. Selbst mein Gespür brachte mich hier nicht weiter. Ich war gefangen in einem käfig voller Schmerzen und irgendwie tat mein Kopf weh.

"Au!"... pfotengroßer Stein.... Kopf... Bewegung..."Enfuldigung"... zerrendes Gefühl.... 

Wie von einem Blitz, kamen mir plötzlich all diese Bilder und Erinnerungen in den Kopf. Jemand hat mich am Nacken hierher gezerrt. Deshalb dieses "Enfuldigung", weil er meinen Nacken im Mund hatte. Also war es irgendein Tier oder so. Und männlich. Er klang ziemlich grummelig. Dann war ich mit dem Kopf gegen einen Stein geknallt, welcher mich kurz darauf ausgeknockt hat. Ob es sein Geruch war? Meine Neugier stieg immer höher, bis mir meine Pfoten kribbelten. 

Diltya! Wo war Diltya? Verflixt, war sie immer noch auf dem Dach? Wo war ich? Bin ich gefangen? Wurde ich gerettet? Fragen über Fragen zogen ihre Kreise in meinem Kopf. Es wurde immer unerträglicher, bis ich Kopfschmerzen hatte. Die Erschöpfung legte sich wie eine schwere Decke über meinen schlaffen Körper, bis die Sonne für mich erneut unterging.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt