Mitternachtsplausch

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Als ich aufwachte, war es fast ganz still. Aus  verschiedenen Ecken hörte man leises Geschnarche. Ich streckte mich in meiner Kammer und genoss das Gefühl, wie meine Muskeln sich auseinander zogen, die Wirbelsäule gestreckt wurde und jeder kleine hörbare "Knacks" ein Gefühl der Befreiung meines Körpers auslöste. Vorsichtig schob ich mit meiner Nase den Leinenvorhang zur Seite und schaute hinaus. Es war sehr düster, doch mit der Zeit gewöhnten sich meine Augen schnell daran. Ich stieg aus meiner Kammer und trottete langsam zur Wasserquelle, um meine trocken gewordene Kehle zu befeuchten und meinen quälenden Durst zu stillen. Langsam drehte ich mich um, um wieder zu meiner Kammer zu trotten, da eh alle schliefen und überlegte, ob ich jetzt weiter schlafen sollte oder nicht. Andererseits blieb mir gar keine Wahl übrig. 

Plötzlich bemerkte ich, dass hinter einer der Leinenwände Licht brannte. Vorsichtig trat ich heran und kratze an die Steinwand direkt am Kammerloch. Meine Geste wurde richtig interpretiert und eine Nase schaute heraus. Der Kopf folgte und die Augen sahen mich an. 

Es war der große schwarz-braune Wolf, mit den braunen Augen. Okay, ich gestehe, ich wusste es schon vorher, da ich ihn am Geruch erkannt habe. 

"Hey, bei dir brennt ja Licht", sagte ich zaghaft und lächelte.

"Hm ne, das sind Leuchtnesseln", gab er wieder, ohne eine Miene zu verziehen. "Ist doch Licht", lachte ich und hoffte, er würde es erwidern, da es sonst zu einer sehr peinlichen Konversation führen würde.

Er grinste. "Ja stimmt, hast auch wieder Recht. Magst du reinkommen?", er ging einen Schritt zur Seite und ließ mich passieren. Bis auf den Leuchtnesseln und einem Haufen Leinentüchern gab es hier nichts, was es bei mir nicht auch gäbe. Stroh. 

"Du bist sehr früh schlafen gegangen oder?", fragte er mich, während er sich in eine Ecke legte. 

Ich setzte mich ein wenig von ihm entfernt hin und nickte. "Ja, ich war ganz schön fertig." 

"Mh-hm", machte er und sah dann auf den Boden. "Wie alt bist du?" fragte ich ihn. 

Er überlegte lange, bis er mir eine Antwort gab. "Zweieinhalb Jahre", gab er zurück und musterte meine Reaktion. Ich versuchte, sehr entspannt zu wirken, als würde es mich nicht extrem verunsichern. "Und du?" Er musterte mich wieder. Ich überlegte aber nicht allzu lange und antwortete: "Ganz so genau weiß ich es gar nicht". Er grinste und ich grinste einfach zurück. Während unseres Gesprächs kam heraus, dass er mich hierher gebracht hatte, weil ich ihm zufällig "auf den Kopf" gefallen wäre. Ich erinnerte mich. Er brachte mich hierher, weil Wölfe hierher gehören und da draußen alleine in Gefahr wären. Das akzeptierte ich. Warum er überhaupt dagewesen war, verschwieg er mich. Er beantwortete auch nicht alle meine Fragen, was mich hin und wieder irgendwie störte, denn ich spürte, dass irgendwas los war. 

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt