Ertappt

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Immer noch erstarrt und mit einem peinlichen Gefühl, dass ich ertappt wurde, stand ich da und konnte endlich meine halb gekaute Mahlzeit hinunterschlucken, ehe mich in eine angespannte, aber für mich bessere Haltung begab. Sie grenzte an eine Art Kampfhaltung, wirkte aber, empfand ich, sehr zurückhaltend und doch irgendwie ängstlich. Aus dem gelben Augenpaar wurden plötzlich mehrere. Jedoch kam ein Grünes hinzu, drei Braune, und noch weitere Augen, doch meinen Fokus setze ich auf die ersten, die ich gesehen hatte. Sie waren am nächsten an mir dran. Die Silhouette wurde immer schärfer und größer, bis plötzlich ein gewaltiger, riesiger grauer Wolf vor mir stand. Seine gelben Augen wirkten in seinem Gesamtbild sehr weise, jedoch durchbohrend, was mich noch mehr verunsicherte. Seine großen Tatzen setzte er behutsam auf die Erde, wobei ich bemerkte, dass sein rechtes Hinterbein leicht hinkte. Er schien schon etwas älter zu sein. Direkt hinter ihm eine Wölfin, mit einem ebenso weisen Blick. Dahinter jüngere Wölfe, die drei, mit den brauen Augen. Eine Wölfin und zwei Wölfe, sie sahen sich sehr ähnlich. Vielleicht waren sie ja Geschwister oder so. Plötzlich kam mir dieser altbekannt Geruch in die Nase. Einer der Wölfe war es. Einer von denen war derjenige, der mich hierher gebracht hatte.

Peinlich berührt machte ich einen Schritt zurück.

"Interessant", grummelte der alte, graue Wolf, während er versuchte, mir tief in die Augen zu sehen. Doch ich konnte den Blick nicht lange halten, und schaute kurz auf den Boden, auf meine blutverschmierten Tatzen und dann die anderen Wölfe an. Er machte einen Schritt auf mich zu, ich einen zurück. Einer der beiden braunäugigen, männlichen Wölfen starrte mich an. Es war der größere. Er verzog jedoch keine Miene, was mich auch verunsicherte, so wie so ziemlich alles hier. Die alte Wölfin drängelte sich an dem Wolf vorbei und sah mir freundlich in die Augen. Ihre Aura wirkte angenehmer auf mich, also entspannte sich meine gesamte Haltung ein wenig. Ich wusste nur nicht, was hier wirklich los war und das schienen alle zu bemerken. 

"Hallo", sagte sie und klimperte mit ihren grünen, freundlichen Augen. "Verstehst du mich?"

Ich nickte. "Ceasar, bleibst du bitte? Der Rest geht bitte.", sagte sie, nachdem sie ihren Kopf nach hinten gedreht hat. Aus den unklaren Wolfsgestalten wurden wieder leere Silhouetten und dann wieder durchbohrende Augen, die irgendwann verschwanden. 

Ängstlich hockte ich immer noch am zernagten Kadaver. Die Wölfin wandte sich wieder an mich. "Willkommen. Kannst du sprechen?", fragte sie herzlich. "Ja", gab ich schüchtern zurück. Der alte Wolf sah mich immer noch mit ernster und nachdenklicher Miene an. 

"Ich bin Adrian", sagte sie mit einer überaus netten Stimmlage. "Und das ist Ceasar, er ist der Alphawolf dieses Rudels und ich bin seine Gefährtin." Bei dem Wort Gefährten lehnte sie ihre Schulter lächelnd an seine, worauf er mit seiner Schnauze und einem Lächeln ihr Ohr berührte. 

"Fühle dich bitte nicht ertappt, wir können alle verstehen, dass du hungrig bist." Sie sah mich mit einem warmen Lächeln an. Ich nickte und brabbelte ein leises "Danke." 

Ceasar sah mich noch immer mit einem unangenehm durchdringenden Blick an, als würde er mich kennen oder zumindest wissen wer ich sei, es aber nicht wahrhaben wollen. Sein Blick wurde immer schärfer, er bleckte die Zähne, legte seine Ohren an und knurrte mich an. Adrian war verschwunden, ich war hilflos und alleine. Angsterfüllt versuchte ich weitere Schritte nach hinten zu gehen, wobei ich die ganzen Knochenreste zertrat und die Wand mit meinem Hinterteil berührte. Es gab keinen Ausgang, keinen Weg, keine Rettung. Er sah mich noch immer mit einem Teufelsblick an, meine Rute klemmte eng an meinen Beinen und weiter konnte ich mich nicht auf den Boden drücken, um meine Unterwerfung zu verdeutlichen. Doch nichts half, schon sprang er auf und rannte mit offenem Maul auf mich zu, um mich zu zerfleischen.

WolfsblutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt