„Das Blitzen deiner Kamera irritiert mich, kannst du das nicht ausmachen?", sagte Shelly pikiert und starrte Grey dabei auffällig an. Grey antwortete nicht. In dem Gebäude, das wir gerade besichtigten, gab es keine Fenster, die Lichtverhältnisse waren also nicht ideal, um auf den Blitz zu verzichten. Da Shelly keine Reaktion von Grey bekam, schnaubte sie wütend und wand sich ihren Freundinnen zu. Als wir vor einer Stunde vom Hotel aufgebrochen waren, um mit allen einen Stadtrundgang zu machen, hatte es gerade aufgehört zu regnen. Da wir heute nur zu Fuß unterwegs sein würden, war ich ganz froh über meine Sneakers, denn Edinburgh bestand großflächig aus Kopfsteinpflaster. Unsere Gruppe schlich förmlich durch den imposanten Bau einer ehemaligen Burg. Immer wieder hielt der Gruppenleiter an um etwas über einen in sich zusammengefallenen Steinhaufen zu sagen. Ohne Timm und Mo wäre mir ziemlich langweilig. „Sagt mal, meint ihr, es würde auffallen, wenn wir einfach verschwinden?", fragte Timm an uns gewandt. „Grey muss doch bei der Gruppe bleiben, weil sie die Bilder für die Uni machen muss", sagte ich augenverdrehend. „Außerdem würde Shelly uns sicher verpetzen", erwiderte Mo. Mein Blick schweifte zu der schwarzhaarigen Schönheit, die mich ein wenig an Schneewittchen aus dem alten Disney Film erinnerte. Seit dem Frühstück hatte sich herausgestellt, dass sie eine ziemliche Zicke war. Ihr war die Marmelade zu süß, das Bett zu hart und die Dusche zu klein. Als ich meinen Blick weiter über die anderen schweifen ließ, blieb ich bei Lucien hängen. Sein Profil könnte genauso gut aus Stein gemeißelt sein. Er schien konzentriert, doch nicht wirklich interessiert an dem, was der Gruppenleiter sagte. Dass er mich beim starren erwischte, war eigentlich vorhersehbar gewesen und trotzdem überraschte es mich. Seine grünen Augen bohrten sich förmlich in meine. Er lächelte mich freundlich an, doch ich drehte meinen Kopf weg. Langsam schien es zur Gewohnheit zu werden, dass ich ihn ansah. Dabei hatte er schon eindeutig genug Groupies, die ihn anhimmelten. Die Mädels um mich herum zum Beispiel. Jede von ihnen schaute immer mal wieder rein zufällig in seine Richtung. Die mutigen unter ihnen, fingen ein Gespräch mit ihm an. Natürlich wusste ich das nur, weil ich ihn zu oft ansah. Innerlich von mir und meinen Gedanken genervt, zog ich mir eine Zigarette aus meiner Vouge-Packung, die ich in meiner Hoddie Tasche mitgenommen hatte. Während Timm mir Feuer gab, ging unsere Gruppe nach draußen in den Innenhof der Burg. Auch hier war bereits das Meiste zerfallen. Ein Blitzen und plötzlich stand Grey vor mir. „Cool! Das Bild sieht super aus. Und jetzt gib mir auch einen Zug", sagte sie etwas zu enthusiastisch. Als ich ihr den Lungentöter gab, zog sie genüsslich daran und schloss kurz ihre Augen. Angewidert schaute ich ihr dabei zu. „Was schaust du denn so? Du rauchst doch auch!" Ich zog meine Augenbrauen zusammen und antwortete ihr etwas distanziert: „Aber nur, wenn ich muss. Und schmecken tut es trotzdem nicht." Grey schaute mir kurz ins Gesicht, bevor sie sich bei mir unterhakte. „Was war denn diesmal der Auslöser?", fragte sie ziemlich neugierig. Ich überlegte ob ich ihr den Grund wirklich sagen wollte. Das würde bedeuten, dass ich mir selbst eingestehen musste, dass mir Lucien mehr gefiel, als mir lieb war. Gleichzeitig würde es vielleicht helfen mit jemanden darüber zu sprechen. Wirklich einigen konnte ich mich nicht und so antwortete ich nur mit einen Wort: „Lucien."
„Ich wusste du magst ihn", war das Einzige was sie dazu sagte. „Nicht wirklich", erwiderte ich. „Du findest ihn toll, gib es zu", streute sie Salz in die Wunde. „Niemals", antwortete ich stur. „Du würdest ihn gerne vernaschen und das kann jeder sehen", haute Grey nochmal einen drauf. Ruckartig blieb ich stehen und zwang Grey automatisch auch dazu. „Will das nicht jeder? Ich meine, schau ihn dir doch mal an. Dieser arrogante Arsch sieht aus wie ein Gott", sagte ich grimmig zu ihr und schaute dann nochmal zu besagtem Arsch. „Stimmt", sagte sie und zuckte mit ihren Schultern. „Seit wann bist du eigentlich so neugierig und frech?", fragte ich einerseits weil ich von ihrem Verhalten überrascht war, andererseits, um das Thema zu wechseln. Grey antwortete nicht. Sie lächelte mich nur kurz an, bevor sie nach vorne sprintete und wieder anfing Fotos zu schießen. Komisches Mädchen, dachte ich kurz, bevor ich mich nach Moe und Timm umsah, die sich zu meinem Bedauern zu Lucien gestellt hatten. Da ich bisher keine anderen Freundschaften geschlossen hatte und Jamie keine Option für mich darstellte, ging ich zu ihnen rüber. „Und du bist einfach eine 3 Meter hohe Welle geritten ohne Angst zu haben?", fragte Moe gerade an Timm gewandt. „Ja, es war ein unglaublich berauschendes Gefühl. Mir fehlt das Meer", antwortete Timm. „Mir auch." Ich schloss meine Augen und würde mir gerne die Hand vor die Stirn schlagen. Genau gleichzeitig waren diese zwei Worte mir und Lucien entflohen. Ich spürte bereits seinen Blick auf mir, noch bevor ich meine Augen wieder öffnete. Grün, klares, stechendes Grün, ein schwarzer Ring rahmte es, wunderschöne Augen. Meine Gedanken sprangen nur so von Wort zu Wort, während ein Teil von mir wusste, dass ich endlich wegsehen sollte. Doch unser Blickkontakt wurde nicht unterbrochen. Ich blinzelte und riss meinen Blick, fast gewaltsam, so fühlte es sich zumindest an, von ihm los. „Was war das denn Leute?", fragte Moe belustigt während Timm mir einen zweideutigen Blick zuwarf. Durch Timms Blick musste ich grinsen und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Da wir jetzt alle unsere Liebe zum Meer verkündet haben, sollten wir an unserem freien Tag, vielleicht auch hier ans Meer fahren!", sagte Moe enthusiastisch und die unangenehme Situation von eben rutschte in den Hintergrund. Der Gedanke an Sand und das Rauschen der Wellen, zauberte mir ein verträumtes Lächeln aufs Gesicht. „Es soll morgen sogar trocken bleiben", warf Timm ein. Auch er lächelte bei dem Gedanken an Meer zu fahren. „Dann machen wir das! Wir fahren zusammen ans Meer", sagte Luce zum Abschluss energisch.
Als wir Grey am Abend von unserem Plan erzählten, war ihre einzige Antwort ein breites Grinsen. Wir hatten den Stadtrundgang nur knapp überstanden. Edinburgh war zwar eine echt schöne Stadt, allerdings war unser Gruppenleiter sehr einschläfernd. So kam es, dass wir nach dem Essen nur noch eine Runde Karten spielten, bevor wir ins unsere Zimmer gingen.
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A lovely Nightmare
ChickLitSeit knapp vier Jahren besteht Ava's Leben aus Konzerten, Groupies und ihrer Musik. Doch als sie sich der Schattenseite dieses Lebens nicht mehr entziehen kann, verlässt sie die Band. In London versucht die mittlerweile 21 Jährige ein normales Lebe...