Wir kriegten uns erst ein, als uns die Tränen kamen. Lucien stand immer noch mit einem leicht irritierten Grinsen an der Küchentür und beobachtete uns. Grey grinste mich kurz an und ergriff dann das Wort: „Über einen Groupie. Ich geh das arme Mädchen mal suchen und sag ihr, dass sie zu viel redet." Ohne auf unsere Reaktion zu warten, verließ sie die Küche. „Einen Groupie?", fragte Luce an mich gewandt. „Ja. Du hast einen kleinen Fan", sagte ich immer noch grinsend. Lucien entfuhr ein kurzes Lachen, bevor er ganz in die Küche trat. „Schade, dass du nicht dieser Fan bist", sagte er plötzlich ziemlich ernst und schaute mich an. Kurz wollte mein Körper in Schnappatmung verfallen, doch das schien mir keine gute Idee zu sein. Seinen Blick zu erwidern, war jedoch auch nicht der beste Einfall, denn so kam kein Wort über meine Lippen. Und schon wieder standen wir da und starrten uns einfach nur an.
Nach ewig langen Sekunden, konnte ich dann doch das Wort ergreifen: „Du bist also Shellys Einladung wirklich gefolgt." Obwohl es eigentlich keine Frage war, antwortete er trotzdem: „ Ja. Eine Einladung, selbst wenn sie von selbsternannten Feinden kommt, sollte immer angenommen werden. Außerdem gibt es Bier umsonst."
Ich musste schmunzeln und nippte an meinem Getränk. „Warum sie sich zu deiner Feindin entwickelt hat, willst du mir wahrscheinlich nicht erklären?", fragte ich extra provokativ und zog erneut eine Augenbraue hoch. Kurz zuckte Luciens Kiefermuskel, doch sonst zeigte sein Gesicht keine Regung. „Nein, das will ich wirklich nicht. Das wäre kein Gespräch für eine Party", sagte er ruhig. Obwohl es mich brennend interessieren würde, fragte ich nicht weiter nach und erwiderte: „Was wäre denn dann ein Gespräch für eine Party?" Lächelnd deutete Lucien an, dass ich näher kommen sollte. Ich stelle mich also an die Wand, an die er lehnte, hielt allerdings einen gewissen Sicherheitsabstand. „Erzähl mir etwas über dich. Was interessiert dich? Oder wie hast du es im Bus genannt, Leidenschaft?" Kurz stutze ich, Lucien wollte etwas über mich wissen? Sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Doch ich konnte bei dieser Frage einfach nicht lügen. „Musik. Musik ist meine größte Leidenschaft. Ich liebe das Singen und wenn ich meine eigenen Texte schreibe, bin ich in einer ganz anderen Welt. Mir fliegen die Worte einfach zu und ich muss sie dann nur noch mit den Noten verbinden. Es ist als...", kurz musste ich mich sammeln und Worte finden. Doch das schien gar nicht notwendig zu sein, denn Luce beendete meinen Satz: „Es ist als würdest du deine eigene Geschichte erfinden, als wäre es ein Buch, nur voller Musik." Überrascht schaute ich in seine Augen. Noch nie hatte es jemand so genau auf den Punkt gebracht. "Ja...", flüsterte ich leise und schloss dann kurz meine Augen. "Was ist mit dir? Wofür brennst du wirklich?", fragte ich motiviert auch etwas über ihn zu erfahren und hoffte er würde nicht wieder sarkastisch antworten, wie im Bus. Kurz schien er abwesend, als müsste er über die Frage nachdenken. „Für eine ganze Zeit war es auch die Musik, für die mein Herz schlug. Aber das hab ich aufgegeben", sagte er leise und schaute in die Ferne. Kurz dachte ich, er würde nichts mehr sagen, dann fuhr er allerdings fort: „Sport und mein Studium nehmen mich ganz schön ein. Da bleibt nicht viel Platz für andere Hobbys. Aber wenn ich doch mal Zeit habe, lese ich gerne und ganz selten klimpere ich noch auf meiner alten Gitarre."
Interessiert schaute ich Lucien an. Mir war in der letzten Minute bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich über ihn wusste. „Was studierst du denn? Was für Sport machst du? Und welche Bücher liest du gerne?", sprudelte es aus mir nur so heraus. Lucien lächelte und zog dabei einen Mundwinkel höher als den anderen. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Becher. „Ich studiere Business Administration, was erstmal ziemlich langweilig klingt. Doch wenn man Mathematik und Rechtswissenschaften übersieht, ist es ziemlich interessant", er machte eine kurze Pause und trank ebenfalls einen Schluck aus seiner Flasche. „Ich gehe ins Fitness-Studio, habe aber eine Zeit lang Football gespielt. Ich musste allerdings wegen einer Verletzung aufhören. Und mein Lieblingsbuch ist Faserland von Christian Krach." So viele Wörter von Lucien war ich gar nicht gewohnt. Um meine Gedanken zu sortieren, nahm ich noch einen Schluck. „Das Buch kenn ich, aber wieso ist es dein Lieblingsbuch? Ich meine die Geschichte ist ziemlich gut, aber das Ende? Ich fand es nicht gut gewählt." Lucien lächelt leicht bevor er antwortete: „Gerade durch das Ende mag ich das Buch noch viel lieber als sowieso schon." Seine Ausage ließ mich kurz stutzig werden, doch dann verstand ich was er meinte. „Ich sehe das ganz anders, ..."
Ein lautes Brüllen übertönte die Musik und auch unser Gespräch. Luce hob seinen Kopf und schaute Richtung des Wohnzimmers. Neugierig trat ich von der Wand weg und ging ein paar Schritte aus der Küche, um zu der verstummten Partymeute zu sehen. Viel bekam ich jedoch nicht mehr mit, das Brüllen kam augenscheinlich von einem Mann, der nun wütend aus der Haustür ging, während ein brünettes Mädchen hinter ihm herlief. Kaum hatten die beiden das Haus verlassen wurde die Musik wieder lauter und die Gäste fingen wieder da an, wo sie aufgehört hatten. Aus dem nichts verlor ich dann plötzlich den Boden unter meinen Füßen und wurde herumgewirbelt. Ich ließ vor Überraschung meinen Becher fallen, der fast leer in irgendeiner Ecke landete. „Peach, da bist du ja!", rief Timm fröhlich und umarmte mich noch einmal fest, bevor er mich wieder auf den Boden absetzte. Immer noch verblüfft über seine Begrüßungsaktion blieb ich stumm. Er sieht gut aus, schoss es mir durch den Kopf. „Peach? Dein Ernst Timmyboy?", fragte ich belustigt und wuschelte durch seine, wie ich erstaunt feststellte, Teddybär weichen Haare. Spöttisch zog er eine Augenbraue hoch. „Timmyboy?", erwiderte er und ließ seine Augenbrauen wackeln, was mich zum Lachen brachte. „Ich werde dich jetzt immer Peach nennen, weil du nach frischen Pfirsichen duftest." Ich wollte mein Lachen zurückhalten, doch als ich hinter Timm auf einmal Luciens belustigtes Gesicht sah, prustete ich los. Und kriegte mich auch erstmal nicht mehr ein.
So, ich bin zurück aus der Sommerpause. Ich hoffe das einige noch weiterlesen werden? ☺️
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A lovely Nightmare
ChickLitSeit knapp vier Jahren besteht Ava's Leben aus Konzerten, Groupies und ihrer Musik. Doch als sie sich der Schattenseite dieses Lebens nicht mehr entziehen kann, verlässt sie die Band. In London versucht die mittlerweile 21 Jährige ein normales Lebe...