Sorgen

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Ich blinzelte Mira einfach nur an und versuchte ihre Worte zu verarbeiten. Er hatte sich Sorgen gemacht? Um mich? Mira schien die Situation unangenehm zu werden, denn sie lächelte mich noch einmal schüchtern an und ging dann in Maxs Zimmer. Während ich alleine in der Küche zurück blieb und meinen Tee in langsamen Schlücken trank, dachte ich nach. Das gerade er sich um mich sorgte, hätte ich nicht gedacht. Nach einer Weile entschied ich mich, ihn in seinem Zimmer aufzusuchen. Als ich allerdings an seine Tür klopfen wollte, schallten mir harte Klänge einer Gitarre entgegen. Also betrat ich sein Zimmer ohne mich vorher anzukündigen. Schnell schloss ich die Tür hinter mir und drehte mich wieder um. Meine Augen suchten den Raum ab und fanden Luce auf seinem Bett. Er schaute mich bereits ziemlich grimmig an. Bevor es zu einem Blickduell kommen konnte, schaltete er die Musikanlage leiser, sodass die Musik nur noch im Hintergrund zu hören war.

"Was willst du hier?", fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue und verschränkte seine Arme. Auch meine Braue schoss bei dieser Bemerkung in die Höhe. "Ich denke, du hast die Situation vorhin etwas falsch verstanden", sagte ich ruhig und lehnte mich an die geschlossene Tür. Lucien richtete sich im Bett auf, bevor er mit abschätziger Stimme erwiderte: "Ach, hab ich das? Du bist also nicht einfach während des Spaziergangs mit Max und Mira verschwunden um dich mit Loverboy zu vergnügen?!" Vor Wut nahm mein Gesicht eine rötliche Färbung an, die er allerdings erneut falsch interpretierte und als Reaktion darauf wütend schnaubte. "Wir haben dich stundenlang in der verdammten Kälte gesucht! Während du dich mit dem Typen durch die Laken gewälzt hast!", rief er vorwurfsvoll und wütend aus und ließ mich gar nicht zu Wort kommen. Während er da auf dem Bett mit verschränkten Armen saß, kam ich nicht drumrum, seine trainierten Arme zu bewundern. Bei diesem Gedanken stampfte ich wütend mit dem Fuß auf den Boden. Entgegen meiner Erwartung kommentierte er die kindliche Geste nicht. Als er dann endlich nichts mehr zu sagen hatte, ergriff ich mit zusammengepressten Zähnen das Wort: "Ich hab mich verlaufen, du Idiot! Ich bin stundenlang durch den Park und durch die Stadt geirrt. Hätte Jay mich nicht am Straßenrand aufgegabelt und mich mit zu sich genommen, wäre ich wahrscheinlich erfroren. Und auch wenn es dich nichts angeht: Ich bin nur so spät hier, weil ich vor Erschöpfung eingeschlafen bin." Meine unterdrückte Wut konnte man deutlich hören. Sein nun emotionsloses Gesicht machte es nicht besser. Eine Weile sagte niemand etwas und ich beschloss gerade, dass Zimmer wieder zu verlassen, als er vom Bett aufstand und auf mich zu kam. Durch die plötzliche Bewegung und den schwindenden Abstand zwischen uns, zuckte ich leicht zusammen. Dicht vor mir blieb er stehen. Der Blick mit dem er mich musterte war unergründlich und meine Wut war auf einmal wie weggeblasen. "Ich hab nicht mit ihm geschlafen", flüsterte ich aus einem Impuls heraus und als ich ihm in die Augen sah, fand ich einen sanften Ausdruck in ihnen. Seine Finger strichen mir einige Haare aus der Schläfe und er seufzte leise. "Ich hab mir Sorgen gemacht", gab er dann leise zu. Ich nickte nur kurz, immer noch enttäuscht, dass er mich direkt beschuldigt hatte mit Jay geschlafen zu haben. Er seufzte erneut. "Und es tut mir leid, dass ich dich beschuldigt habe, uns absichtlich Sorgen zu bereiten", murmelte er und schaute mir dabei in die Augen. Ich nickte wieder und verlor mich währenddessen in seinen Augen und spielte alle möglichen Szenarien durch, die jetzt folgen könnten. Seine Hand, die eben noch mein Gesicht berührt hatte, fuhr nun langsam meine Wirbelsäule hinauf. Ich schauderte unwillkürlich und eine leichte Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. Doch schlagartig holte mich die Realität ein, als ich MEINE Stimme aus den Musikboxen hörte. Es war eins der ersten Lieder der Wild Roses und war damals in den amerikanischen Charts gelandet. Erinnerungen blitzten in meinem Kopf auf: kreischende Fans, wilde Partys, ein sauberes Hotelzimmer, Scherben voller Blut, überall Blut... Mein Atem ging hektisch und ich versuchte die Erinnerungen an die schlimmste Nacht meines Lebens zu vertreiben. Lucien war währenddessen einen Schritt zurück getreten und fragte sich wahrscheinlich, warum ich gerade am rande einer Panikattacke stand. Als ich mich nach einer Weile endlich wieder beruhigt hatte, war das Lied längst verklungen. Bevor Lucien mich fragen konnte, ergriff ich das Wort: "Frag nicht. Das passiert mir manchmal, Erinnerungen, die sich nur schwer vergessen lassen." Wieder entgegen meiner Erwartung fragte er nicht weiter nach, sondern schwieg und nickte verständnisvoll. "Ich wollte mir gerade den neuen Avengers-Film angucken, willst du mitschauen?", fragte er mich dann, um das Thema zu wechseln und ein echtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. "Aber sowas von ja!", jubelte ich schon fast und folgte ihm zu seinem Bett, auf dem sein Laptop schon bereit lag. Ich liebte Marvel-Filme, seid Neven sie mir gezeigt hatte. Während Lucien sich mit dem Rücken an dass Kopfende lehnte und seine Beine ausstreckte, krabbelte ich ebenfalls aufs Bett. Mit einem kleinen Abstand setze ich mich neben ihn und er startete den Film. Nach ungefähr 20 Minuten legte ich meine  Kopf auf seine Schulter. Sein Arm legte sich daraufhin fast automatisch um mich - wodurch mein Wange auf seiner Brust landete. Ein wohliger Laut entwich mir und er drückte mich noch enger an sich. Ohne uns weiter zu bewegen schauten wir den Film zu ende.

Als ich später in meinem Zimmer lag und die vergangenen Stunden noch einmal in meinem Kopf durchspielte, musste ich lächeln. Wir waren zum ersten Mal miteinander ausgekommen ohne zu streiten. Und wir hatten beide zum ersten Mal nicht das Bedürfnis verspürt den anderen auf der Stelle auszuziehen. Ein Fortschritt, oder? Mit dem Ergebnis meiner Gedanken zufrieden, griff ich nach meinem Handy. Ich hatte es den ganzen Tag nicht angeschaltet. Neben einigen Anrufen von Max und Lucien, hatte ich auch eine Nachricht von Neven im Postfach.

moje srce,
es ist etwas passiert, wir sollten uns treffen.
Ich hoffe auf bald.
zauvijek

A lovely NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt