Edinburgh - Gedankensturm

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„Aber wir dürfen das Spiel nicht verpassen! Das ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Saison", sagte Moe an mich und Grey gewandt. Timm und Lucien nickten Moe zustimmend zu. Grey verdrehte ihre Augen und machte Anstalten zu gehen. Energisch griff ich nach ihrem Arm und drehte mich zu den Jungs. „Wir werden an den Strand fahren! Und dann fahren wir halt für euer dämliches Spiel früher zurück", sagte ich aufgebracht, um ein Kompromiss in die Diskussion zu werfen. Seit über 20 Minuten stritten wir uns über den Verlauf des Tages. „Das klingt fair", sagt Timm, die anderen nickten zustimmend. Das Moe dann auf die Berichte, die vor jedem Spiel liefen, verzichten musste, war das beste Kompromiss, dass mir eingefallen war. Als Moe seinen Fehler bemerkte, wollte er protestieren, doch der Deal war von allen abgenickt worden und die Diskussion war beendet.

Die Vorfreude auf den Strand war uns bereits beim Frühstück anzusehen. Während ich lächelnd an meinem Kaffee nippte, kam Grey gerade halb tanzend vom Buffet zurück. Auch die Jungs traten wenig später laut lachend in den großen Frühstückssalon. Lucien verstummte als sie sich zu uns gesellten. Während Moe noch immer an einem Lachanfall erstickte, trafen meine Augen die von Luce. Er lächelte nicht, schaute eher böse drein, trotzdem las ich noch etwas anderes in seinem Blick. Ich musste mehrmals blinzeln, doch der Anflug von Begehren verschwand nicht. „Ihr solltet echt damit aufhören euch ständig vor anderen mit den Augen auszuziehen", flüsterte Grey mir ins Ohr und sofort senkte ich meinen Blick. Passierte das wirklich so häufig? Diese Frage schwirrte noch eine Weile in meinem Kopf. Selbst dann noch, als ich zwischen Grey und Timm auf der Rückbank des vollen Linienbusses saß.

„Deine Haare riechen unglaublich gut", sagte Timm plötzlich aus heiterem Himmel und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich sah ihn kurz an und lächelte geschmeichelt. „Nach Gras und ein klein wenig nach Pfirsich", sagte Timm und machte sein anfängliches Kompliment zunichte. „Nach Weed? Dann solltest du mal ganz lange an mir ziehen und schauen ob du High wirst", sagte ich lachend. „Ach? Sollte ich das?", fragte er dann herausfordernd und zog dabei seine gepiercte Augenbraue hoch. „Stoned am Strand? Dann kannst du dich ja gleich zu den Steinen legen", erwiderte ich grinsend. „Also wenn du wirklich high machst, werde ich vielleicht süchtig nach dir", sagte er neckisch, während ich lachend nur den Kopf schütteln konnte. Was war nur heute los mit ihm? Als ich mich dem Fenster zuwenden wollte, begegnete ich Greys Augen. Ihre grauen Augen sahen mich nur belustigt an, während ich leicht achselzuckend andeutete, dass ich selbst nicht wusste, was das war. Moe und Lucien sprachen die ganze Fahrt über das Spiel heute Abend.
Nach 30 langen Minuten kam der Bus an und wir stiegen bei leicht bewölkten, Himmel aus. Es war windig und ein wenig kühl. Die Haltestelle befand sich direkt gegenüber einer langen Steilküste und man konnte das Meer schon tosen hören. Ich beugte mich gerade ganz vorsichtig über den Abrund um die dunklen Wellen zusehen, da spürte ich einen Ruck. Der Abgrund zu dem mein Körper daraufhin taumelte, kam gefährlich nahe und ich verfiel in eine art Schreckstarre.

Als Timm seinen Arm um meinen Bauch schlang und mich an seine Brust zog, starrte ich immer noch aufs Meer. Sein Lachen war tief und klang viel zu laut in meinen Ohren, während mein Bewusstsein langsam registrierte, dass alles nur ein Spaß gewesen war. Timm hatte mich geschubst und dann  zurück gezogen und langsam wachten meine erstarrten Glieder wieder auf. Um die ausgelassene Stimmung nicht zu trüben, schluckte ich meinen Ärger runter und sagte lediglich „Arsch" bevor ich mich aus seinen Armen befreite. Grey war die Einzige die nicht lachte und legte mir kurz eine Hand auf den Arm, bevor sie sich dem Meer widmete. Moe hingegen lachte immer noch und Timm hatte sein Grinsen auch noch nicht verloren. "Ich glaube da muss jemand noch googeln lernen", sagte Grey und verfiel danach erneut in ein Schweigen. Wir anderen verstanden erst nicht, was sie meinte, doch schlussendlich klärte Luce uns auf. "Kein Strand, nur Steilküste und Meer", sagte er, als er sich uns näherte. Er war augenscheinlich schon ein Stück an der Küste spaziert. Timm und Luce schauten Moe grimmig an und verfielen in eine Diskussion, dessen Thema ich nicht mehr mitbekam. Ich schulterte meine Tasche neu und fing an, in die Richtung zu laufen, aus der Luce gekommen war. Es war still hier draußen, etwas entfernt von der Stadt und dem Straßenlärm, hörte man hier nur das Rauschen und Tösen der Wellen. Obwohl, als Leise konnte man es auch nicht bezeichnen, nur ruhiger, gemütlicher als das Großstadtleben. Als ich eine Weile gegangen war, fand ich einen kleinen Weg, der ein Stück die Steilküste runterführte. Ich schaute zu meinen Freunden zurück, doch sie waren nur noch Schemen, die sich in der Ferne bewegten. Ich beschloss den Abstieg zu wagen. Mein Mut wurde belohnt, denn keine 5 Minuten später fand ich mich auf einem Felsvorsprung wieder. Das Wasser der brechenden Wellen erreichte mich hier noch nicht, dennoch sah ich nun die weißen Schaumkronen wesentlich besser. Kurzerhand setzte ich mich mit dem Rücken an einen Fels und kramte aus meiner Tasche mein Heft heraus. Ich fühlte mich inspiriert von diesem Ausblick aufs tiefblaue Meer und die Wörter flossen aus meinem Handgelenk, als wären sie Wasser. Ich versank in den Worten und ließ mich treiben, dass die anderen mich suchen würden, kam mir nicht in den Sinn. Das nach einer Weile sogar leise mein Name übers Meer hallte, nahm ich gar nicht war.

Lucien fand mich, leise vor mich hinsummend, und absolut nicht in dieser Welt. Ich erwachte erst aus meinem Zustand, als er sich vor mich setzte. "Wir suchen dich schon seit ner Stunde", sagte er, mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. Ich blinzelte, war noch nicht in der Lage mich zu verteidigen. "Aber das hast du nicht mitbekommen, oder?", fragte er nun sanft. Erneut antwortete ich nicht, sonder packte lediglich mein Heft wieder ein. Er schaute mir immer noch ins Gesicht, als ich wieder aufsah. Grün, Moosgrün, sollte als Augenfarbe verboten sein, man konnte einfach zu leicht darin versinken. Sobald mir der Gedanke bewusst wurde, ärgerte ich mich auch schon darüber. Doch diesmal, dieses eine Mal, wand ich mich nicht ab, sondern erkundete einfach weiter. Zu meiner Überraschung schaute auch Lucien nicht weg.

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