Mit einer angelegten Wiese, direkt vor dem Eingang und den runden Skulpturen, sah das Southampton General Hospital im Vergleich zu anderen Krankenhäusern fast elegant aus. Doch die weiß-gräuliche Fassade und die dreckigen Säulen ruinierten dieses Bild wieder. Während ich das Gebäude betrachtete, überkam mich mit aller Macht ein Gefühl: Traurigkeit. Allerdings sollte ich der Liste an Emotionen auch noch Wut, Einsamkeit, Beklemmung und Angst hinzufügen. Während ich also noch immer im Auto saß und das Lenkrad fest umklammerte, war Neven bereits ausgestiegen. Um auf sich aufmerksam zu machen, klopfte er sachte ans Fenster. Ich atmete tief durch und löste langsam meine Finger. Mein flauer Magen machte sich erst bemerkbar als ich die Wagentür hinter mir schloss und so musste ich mich kurz am Dach abstützen. Wieder atmete ich tief durch. Nevens Arm schlang sich um meine Taille bevor ich auch nur etwas sagen musste. Sein Mund war nah an meinem Ohr, als er die Worte flüsterte, die mich nach Luft schnappen ließen: "Alles wird gut." Der Letzte der mir das gesagt hatte, saß jetzt in einem Rollstuhl. Ungehindert lief mir eine einzelne Träne die Wange hinunter. Doch bevor ich vollkommen in Tränen ausbrechen konnte, lenkte mich Neven ab. Seine Nase vergrub sich an meiner Halsbeuge, zu der er durch meine zusammengebundenen Haare freien Zugang hatte. Ein Zittern durchfuhr mich und ich schloss kurz meine Augen. Seine Nasenspitze fuhr von meinem Ohr zu meinem Nacken und hielt dort inne. Seine Lippen schwebten nur Millimeter über meiner Haut und mein Körper stand unter Spannung. Neven murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte, dann berührten seine Lippen meine Haut. Ein Prickeln, das in meinem Nacken anfing, breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Als Nev seinen Kuss an meiner Halsbeuge intensivierte, keuchte ich auf. Meine Finger zitterten, als ich meine Hand in seine Haare fahren ließ. Dies entlockte seiner Kehle ein Brummen und er trat so nah wie möglich an mich heran. Sein Mund, der sich jetzt meinen gesamten Hals und nicht mehr nur meiner Lieblingsstelle widmete, brachte mich fast um den Verstand. Von außen betrachtet, musste diese Szene eigenartig aussehen. Eine Frau, die mit dem Vorderkörper am Wagen lehnte und ein Mann der sich von hinten an sie drückte, den Kopf an ihrem Hals vergraben. Gut, dass wir keine Zuschauer hatten, da ich den hintersten Parkplatz nehmen musste. "Wir sollten reingehen, sonst kommen wir zu spät", sagte ich mühsam um Beherrschung ringend. Doch statt sich von mir zu lösen, drehte er mich nur in seinen Armen um. Seine vor Lust verdunkelten Augen schauten in meine, bevor er mich küsste. Lange und intensiv, so dass ich von meinen aufkochenden Gefühlen nur so überrannt wurde. Dann löste er sich von mir und nahm all die Wärme mit, die mich eben noch umgeben hatte. Er hatte sich bereits abgewandt, bevor ich ihn auch nur anschauen konnte und ging davon. Zitternd stieß ich mich vom Auto ab und folgte ihm schweigend zum Eingang des Krankenhauses.
Wir wurden dort bereits erwartet und nachdem wir unsere Ankunft angemeldet hatten, kam auch schon eine Krankenschwester auf uns zu. "Sie sind bestimmt Mrs und Mr Philothes ich bin Schwester Nina", stellte sich die Dame freundlich vor. Kurz verfing sich Nevens Blick in meinem, dann drehte er sich zur Krankenschwester um und lächelte. In Southampten würden wir also das Ehepaar spielen. Bevor Neven etwas sagen konnte, ergriff die Schwester erneut das Wort: „Bitte folgen Sie mir. Wir werden erst einige reguläre Test machen. Dann haben sie den Abend frei und morgen werden Sie dann den behandelten Ärzten vorgestellt." Neven nickte nur und drückte kurz meine Hand. „Ich fahr dann schon mal ins Hotel und hol dich nachher ab?", fragte ich etwas unbeholfen und schaute unsicher zwischen den beiden vor mir hin und her. „Klar, such uns ein schönes Restaurant aus, ja?", antwortet Nev grinsend und folgte dann Schwester Nina.
Das gebuchte Hotel war eins der gemütlichsten, in denen ich je war. Es war ein Boutique Hotel in einem orientalischem/altmodischen Stil, nur ein paar Blöcke vom Krankenhaus entfernt. Ich fühle mich direkt wohl als ich an die Rezeption trat. Eine junge Frau, nicht viel älter als ich, lächelte mich breit an. „Hallo und herzlich willkommen! Ich bin Sina, was kann ich für Sie tun?", stellte sie sich mir vor. Ich lächelte sie ebenfalls an, bevor ich erklärte, dass ich gerne in mein gebuchtes Zimmer einchecken würde. Nach einer Weile, in der Sina auf dem Bildschirm hinter den Tresen geschaut hatte, runzelte sie plötzlich die Stirn. „Ich habe ihr Zimmer gefunden. Aber hier steht, dass sie das Zimmer sechs Wochen gebucht haben. Ist das korrekt?" Erleichtert, dass sie nur über meinen langen Aufenthalt stutzte, bejahte ich ihre Frage. "Das ist aber ungewöhnlich", rutschte es ihr da über die Lippen. Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, lief sie auch schon rot an. "Das tut mir leid, ich wollte nicht die Länge Ihres Aufenthalts kommentieren", sagte sie sofort und wurde wenn möglich noch röter. "Schon gut, das kommt hier sicher nicht alle Tag vor", erwiderte ich ruhig und nicht im Geringsten beleidigt. "Zimmer 154", sagte sie und reichte mir eine Schlüsselkarte. "Mit Balkon", flüsterte sie noch verschwörerisch und deutete dann auf einen Fahrstuhl in einer Ecke, welcher von zwei Pflanzen umrahmt wurde. „Vielen Dank, Sina", erwiderte ich an sie gerichtet, bevor ich mich langsam auf dem Weg zu meinem Zimmer machte.
Der Fahrstuhl war passend zum Stil des Hotels gehalten und ich staunte nicht schlecht, als sich die verschnörkelten Türen öffneten. Eine flauschige Sitzbank und ein breiter Spiegel begrüßten mich, als ich hinein trat und den 4. Stock anwählte. Geräuschlos fuhr der Aufzug los. Mein Spiegelbild zeigte mir leichte Augenringe und ich rieb mir müde über die Augen. Der Schlafmangel und die lange Fahrt schienen sich langsam bemerkbar zu machen.
Der Flur in dem besagten Stockwerk war nicht minder beeindruckend. Der orientalische Stil spiegelte sich hier mit dunklen Holzmöbeln und dunklen Farben deutlich. Vor der Zimmertür mit der Nummer 154 blieb ich stehen und hielt meine Karte gegen den Scanner. Der plötzliche Wechsel des Untergrundes brachte mich dann jedoch fast zu Fall. Ein flauschiger Teppich durchzog das gesamte Zimmer und die Rollen des Koffers hatten sich in diesem verhagt. Mühsam hob ich den Koffer an und trug ihn zum Bett. Als ich ihn abgestellt hatte, schaute ich mir erstmal das Zimmer an. Wie zu erwarten war es sehr gemütlich, hatte ein großes Bett und mein Blick suchte den Raum förmlich nach dem versprochenen Balkon ab. Doch wie ich mit vorgeschobener Unterlippe feststellte, gab es keinen. Ein lautes Summen unterbrach meine bekümmerten Gedanken und ich ging an mein Handy ohne auf das Display zu schauen. „Endlich nimmst du ab!", rief mir eine aufgeregte Violett entgegen. Erschrocken riss ich meine Augen auf. Ich hatte die letzten Wochen vollkommen vergessen, mich bei ihr zu melden. „Oh mein Gott!", verließ es meinen Mund sofort. „Nein hier ist nur Vi, deine beste Freundin", antwortete sie mir direkt frech. „Es tut mir ja so leid!", sagte ich ihr, immer noch total erschrocken. „Muss es nicht, ich hatte selbst viel zu tun", erwiderte sie und wusste natürlich sofort wofür ich mich entschuldigt hatte. Als ich stumm blieb, ergriff sie erneut das Wort. „Ava? Wir müssen reden." Oh Shit, das hörte sich verdammt ernst an.
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A lovely Nightmare
ChickLitSeit knapp vier Jahren besteht Ava's Leben aus Konzerten, Groupies und ihrer Musik. Doch als sie sich der Schattenseite dieses Lebens nicht mehr entziehen kann, verlässt sie die Band. In London versucht die mittlerweile 21 Jährige ein normales Lebe...