Fahrt ins Ungewisse

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Gerade noch rechtzeitig sperrte ich das Display meines Smartphones und lächelte Neven an. Dieser erwiderte mein Lächeln, schmiss seine Reisetasche in den Kofferraum und nahm neben mir Platz. Ein paar Papiere warf er auf die Ablage unter der Windschutzscheibe. Als er sich dann vorbeugte und mir einen Kuss auf die Wange gab, zuckte ich kurz zusammen. Natürlich ließ er das nicht unkommentiert. „Alles in Ordnung?" Ich lächelte ihm steif zu, bevor ich den Motor anließ. „Ja, ich bin nur ein wenig angespannt. Hast du auch alle Dokumente?", antwortete ich so neutral wie möglich. Dabei hingen meine Gedanken immer noch an Greys Nachricht. Nev verdrehte seine Augen und nickte zu dem Papierstapel. Während ich dem Wagen wieder auf die Straße navigierte, spielte er am Radio herum und stellte einen Rocksender ein. „Wir hätten auch meinen Wagen nehmen können", sagte Neven nach einer Weile und schaute weiterhin aus dem Fenster. „Ja hätten wir. Aber ich komme besser mit meinem klar", erwiderte ich. Nevens Jeep zu fahren war einfach anders und bei einer langen Strecke verließ ich mich lieber auf meinen Mini. „Du kannst wahrscheinlich mit jedem Auto dieser Welt fahren", sagte er daraufhin ernst, fast respektvoll. Überrascht riss ich meine Augen auf. Neven wand sich mir zu, ich ließ jedoch meinen Blick weiterhin auf die Straße gerichtet. Einen Unfall war das Letzte was wir gebrauchen konnten. „Ich weiß von China - den nicht ganz so legalen Autorennen", sagte er dann und ich umklammerte das Lenkrad fester. „Nev, ich...", doch weiter kam ich gar nicht, denn er unterbrach mich. „Du musst dich nicht rechtfertigen. Ich wünschte einfach, du hättest mir davon erzählt." Kurz kniff ich meine Augen zusammen umso die aufkommenden Erinnerungen zurück zu drängen. „Ich konnte nicht", flüsterte ich leise und gab mehr Gas um einen blauen Fiat zu überholen. Während Neven das Thema zu meinem Leidwesen nicht fallen ließ, sondern die folgenden Minuten immer wieder betonte, dass er für mich da gewesen wäre, mir geholfen hätte, oder mich abgelenkt hätte, schaltete ich meine Ohren automatisch auf stumm. Mir brachten seine Worte nichts, außer Schmerz. Mir war bewusst, dass ich damals einen Fehler gemacht hatte. Doch ihm davon zu erzählen, worein ich da geraten war, kam mir nicht mal in den Sinn. Wenn ich mich schon nicht selbst davor retten konnte, wollte ich wenigstens ihn nicht mit reinziehen. Mit einem einfachen „Wir beschützen einander, weißt du noch?", brachte er mich dazu, meinen Blick von der Straße zu nehmen. Ausdruckslos starrte ich ihn einige Sekunden an, bevor ich mich wieder auf das Fahren konzentrierte. Die nächsten Minuten schwiegen wir beide. „Dir nichts zu sagen war meine Art, dich zu schützen", ergriff ich dann jedoch leise das Wort. „Ok. Aber damit hast du mir auch jede Möglichkeit genommen, dir zu helfen", erwiderte Neven etwas hilflos, ließ dann aber endlich von dem Thema ab. „Wo müssen wir als erstes hin, wenn wir angekommen sind?", fragte ich ihn um das unangenehme Schweigen zu überbrücken. Zettel knisterten, als er seine Unterlagen in die Hand nahm. „Ich muss mich um 15 Uhr in der Station anmelden. Dann folgen ein paar normale Untersuchungen und ab 18 Uhr habe ich nichts mehr", sagte er mit einem kleinen Lächeln. „Gut, dann werde ich in der Zeit im Hotel einchecken und wir gehen nach deinen Untersuchungen noch irgendwo essen", plante ich laut den Rest unseres Tages. Neven schmunzelte nach meinen Worten eine Weile vor sich hin. „Was!?", fragte ich nach und erntete dadurch ein raues Lachen. „Nichts, es ist nur so typisch du, dass alles durchgeplant sein muss", antwortete er, immer noch schmunzelnd. Schmollend schob ich meine Unterlippe vor bevor ich erwiderte: „Stimmt gar nicht, ich kann auch spontan sein." Grinsend nickte Neven und sagte dann: „Ich weiß. Aber am liebsten planst du alles. So bist du einfach, durchweg organisiert." Grinsend nahm ich sein insgeheimes Kompliment, zu mindestens beschloss ich es als solches zu interpretieren, entgegen. Als Neven nach einer Weile seinen Kopf ans Fenster lehnte und vor sich hinschlummerte, stellte ich das Radio etwas lauter. Heartless von The Fray spielte gerade und ein breites Lächeln zierte mein Gesicht. Während ich eins meiner absoluten Lieblingslieder leise vor mich hinsang, zog die graue Landschaft immer schneller an mir vorbei. Kurz bevor wir die Ausfahrt nahmen, öffnete Nev wieder die Augen. „Ich mag es, wenn du singst und denkst keiner würde zu hören", flüsterte er fast, so, dass es schwer für mich war, diese Worte überhaupt zu hören. Belustigt schlug ich ihm auf den Oberschenkel. „Sei nicht so gefühlsduselig heute. Du bist doch sonst nicht so", sprach ich dann das aus, was mir schon auf der Zunge lag. Ein quicken entwich mir, als er mir die Seite pickte und aus Spaß lies ich den Wagen etwas zur Seite ausweichen. Diese Aktion zeigte augenblicklich Wirkung. Nevens Hand hatte sich bereits am Türgriff festgekrallt und sein Blick war starr geradeaus gerechtet. Wie ein verängstigter Hase. Ich konnte mir mein Lachen einfach nicht mehr verkneifen. Als Neven begriff, dass alles in Ordnung war, entspannte er sich merklich. „Schon kapiert, kein Kitzeln solange du fährst", belehrte er sich nach meiner Aktion selbst. „Ohja ganz richtig. Und sonst auch nicht", antwortete ich immer noch mit einem Grinsen auf den Lippen. „Das werden wir noch sehn", sagte er ebenfalls grinsend. Keine zehn Minuten nach unserer Plänkelei, nahm ich die Ausfahrt nach South Hampton. Der Himmel war immer noch grau und so erschien der Hafen auch nur halb so beeindruckend, als wir wenig später unser Ziel erreichten.

A lovely NightmareWo Geschichten leben. Entdecke jetzt