Nachdem sich Kirk verabschiedet hatte, machte ich mich an die Arbeit das restliche Blut verschwinden zu lassen. Jack leistete mir noch Gesellschaft und fragte mich etwas über mein Leben aus, als ich damit fertig war und wir rein gingen, um uns aufzuwärmen.
"Lieblingsfarbe?"
"Grün."
"Warum grün?"
"Weil der Wald grün ist, und ich gerne im Wald war."
"Jetzt etwa nicht mehr?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung.", erwiederte ich. Ich wusste nicht, ob ich den Wald noch so liebte, wie früher. Die Angst, vor dem was darin lebte, war größer geworden. Früher hatte man diese Gefahr kaum wahrgenommen, doch jetzt ragte sie bedrohlich in den Schatten auf."Hast du Angst? Wir könnten ja zusammen in den Wald. Sie greifen nicht an, wenn wir Menschen in einer Gruppe sind." Ich lehnte an der Couch und sah ihn misstrauisch an.
"Woher willst du das wissen? Du kennst die Tiere nicht. Außerdem gehe ich bestimmt nicht in den Wald, wenn ich einen Gips am Bein und eine verletzte Rippe habe. Die Gefahr, dass man mich als potentielle Beute sieht, ist dann doch zu groß.", sagte ich und vermutlich klang meine Stimme schärfer, als ich es beabsichtigt hatte. Er wich ein Stück zurück.
"Na gut, wir könnten es ja versuchen, wenn du wieder ganz gesund bist.", sagte er und lächelte mich entschuldigend an. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wusste nicht, ob ich das wirklich wollte.
Ein Auto fuhr vor und ich sah auf die Uhr.
Emily war schon da und ich hatte ganz vergessen, dass wir noch einkaufen gehen wollten.
Sie schloss die Tür auf und blieb im Türrahmen stehen, als sie uns sah. Irritiert blinzelte sie Jack an, bis sie sich zusammenriss.
"Stör ich?"
"Nein eigentlich nicht. Jack wollte gerade gehen.", sagte ich und Jack nickte. Wortlos verschwand er nach draußen und kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, veränderte sich Emilys Gesichtsausdruck.
Sie grinste mich breit an.
"Was lief hier ab, als ich noch nicht da war?"
"Gar nichts. Er und Kirk haben den Hirsch in den Wald gezogen und nachdem Kirk gegangen ist, ist er noch geblieben."
"Okay. Aber da lief nichts von dem ich wissen sollte?" Sie grinste noch immer.
Ich erzählte ihr von unserem Gespräch und kaum hatte ich geendet, stieß sie einen verzückten Schrei aus, der mich zusammenzucken ließ.
"Oh mein Gott! Neve, raffst du es nicht? Er hat dich eben um ein Date gebeten."
Mein Herz rutschte mir in die Hose, als mir die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. Indirekt war es schon möglich, dass er seine Chancen bei mir testen wollte mit der Herangehensweise. Oh bin ich blöd.
"Ja, weil ein Waldspaziergang bei solchen Wölfen ja auch ratsam ist und vor allem romantisch." Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als mit Ironie.
Ich schluckte. Hatte er das wirklich? Oh mein Gott. Ich sah zu meiner besten Freundin. Ihr nervtötendes Dauergrinsen ging mir gehörig auf den Zeiger. Irgendwie musste ich es ihr aus dem Gesicht wischen.
Blitzschnell griff ich hinter mich, schnappte mir das nächstbeste Sofakissen und warf es nach ihr. Sie quickte erschrocken auf und dieses Geräusch hatte erschreckende Ähnlichkeit mit dem Quicken eines Meerschweinchens. Sie wich aus und statt ihr, traf ich die Obstschale auf dem Tresen und katapultierte sie auf den Boden. Wir liefen hinüber und sahen verdutzt über den Tresen der Kücheninsel und beobachteten, wie die Äpfel über den Boden rollten. Ich prustete los und Emily brach auch in Lachen aus."Du hast gequickt, wie ein Meerschweinchen.", brachte ich nach einer Weile heraus, doch statt irgendetwas zu erwiedern, lag sie halb auf dem Tresen und hatte mit der Atmung zu tun, während ich auf dem Boden saß und versuchte auf das Geräusch klar zu kommen.
Um mich zu beruhigen, sah ich zum Fenster und hinaus in den Wald. Ich ließ den Blick schweifen und blieb plötzlich an einer Stelle stehen. Dort im Schatten der Bäume konnte ich einen Umriss ausmachen. Er war groß und hob sich deutlich vom Schnee ab. Schließlich drehte der Wolf den Kopf und grüne Augen sahen mich an. Augenblicklich verschwand meine gute Laune. Angst stieg wieder in mir auf.
Ich fühlte mich nackt und durchschaubar, als würde er direkt in meine Augen sehen und mein Innerstes durchforschen können. Ich sah eine Weile hin, bis sich schließlich das Tier abwandte und zurück im Wald verschwand.
Emily bemerkte meine Verhaltensänderung.
"Was ist?", fragte sie neugierig und ich sah zu ihr. Wenn ich ihr sagen würde, dass ich schon wieder einen Wolf gesehen hatte, würde sie mich vermutlich bald einweisen lassen, oder sich mit einem Gewehr auf der Veranda positionieren. Ich schüttelte den Kopf.
"Lass uns jetzt einkaufen gehen, bevor wir heute zu gar nichts mehr kommen.", wich ich aus und stand auf.Am Abend saß ich am Tresen auf einem Hocker und beobachtete, wie Emily sich abmühte einen Auflauf hinzubekommen. Ich hätte ihr ja geholfen, aber sie hatte mich zum Stillsitzen verdonnert.
"Du bleibst da sitzen, wenn du neben mir stehst und versuchst zu helfen, bringt mich das aus der Konzentration." Nun beobachtete ich, wie sie die Tomaten schnitt und nebenbei die Nudeln kochen ließ. Die Sahnesoße kochte auch nebenbei auf dem Herd.
"Komm schon, das kann ja keiner mit ansehen.", sagte ich und nahm ihr das Messer aus der Hand und zog das Brettchen zu mir rüber.
Sie überließ es mir kampflos und wandte sich den Nudeln zu.Später als dann alles fertig war, saßen wir mampfend vor dem Fernseher. Es war der beste Auflauf, den ich seit langem gegessen hatte. Nebenbei ließen wir uns von einem altem Krimi berieseln und riefen den Schauspielern zu, welcher der Verdächtigen der Mörder war.
Pappsatt lümmelten wir schließlich auf dem Sofa, das Geschirr neben uns auf dem Boden. Keiner war fähig sich zu bewegen. Eine Stunde vor Mitternacht, rafften wir uns schließlich auf und begaben uns in unsere Betten.
In der Nacht rannte ich durch den Wald. Sie waren dicht hinter mir und ich konnte nicht mehr. Meine Muskeln schmerzten und meine Lunge protestierte. Ich wurde langsamer und sie holten auf. Als sich die ersten Zähne in meinem Bein vergruben, schrie ich auf.
Panisch um mich tretend, wachte ich auf. Mein Atem ging schnell und mein Herz pochte rasend in meiner Brust.
Es war nur ein Alptraum. Ich versuchte mich zu beruhigen. Sie hatten mich nicht wirklich gejagt. Es war nur ein Traum. Ich setzte mich auf und sah mich um. In meinem Zimmer war es still und friedlich. Es gab keinen Grund zur Beunruhigung. Ich ließ mich zurück in die Kissen fallen, als das Gefühl der Sicherheit langsam wieder in meinem Körper verbreitete.Erst nach gefühlten Stunden konnte ich wieder einschlafen.
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Secret of the Timberwolves
WerewolfNie hätte ich einen Fuß in diesen Wald gesetzt, wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß. Nie hätte ich vermutet, dass sie mich als Beute auswählen. Doch heute, am dritten Tag, nach meinem Krankenhausaufenthalt, bemerkte ich es erneut...