28. Kapitel

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Ryan löste sich murrend von mir, schnappte sich seine Kleidung und verschwand im Bad, während ich zur Tür ging. Da ich nicht mit Besuch rechnete, war ich umso überraschter, als ich sah, wer mir gegenüber stand, als ich öffnete.
"Kirk?"
"Hallo Nevaeh, heute mal kein Hirsch auf der Veranda?" , begrüsste er mich.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf und wollte schon zu der Frage ansetzen, was ich für ihn tun könnte, als er schon mit der Sprache herausrückte.
"Ich würde gerne mit Ryan sprechen. Ist er da?"
Perplex starrte ich ihn an, während es hinter mir polterte und krachte als Ryan zur Tür eilte. Hunderte Fragen wirbelten in meinem Kopf auf. Woher wusste er, dass er hier war und woher kannten sie sich?

Verwirrt ließ ich Kirk ein, der Ryan zur Begrüßung auf die Schulter schlug.
"Was tust du hier?" , nahm Ryan mir die Worte aus dem Mund. Sie kannten sich aber wusste Kirk, was wir waren? War er einer vom Rudel? Aber das konnte nicht sein, sonst wären Jack und er sich schon an dem Tag an die Kehle gegangen, als sie den Hirsch weggebracht hatten. Als ich zu den beiden trat, roch ich unauffällig an ihm. Mensch. Er wusste also nicht, was Jack ist.
"Die Jäger ziehen in zwei Tagen ab, wenn sie euch bis dahin noch nicht gefunden haben. Ihr müsst also nur noch zwei Tage durchhalten. Aber auch danach würde ich noch vorsichtig sein. Sie werden trotzdem noch nach euch suchen."
Mein Herz machte einen Hüpfer. Laufen. Wir durften bald wieder laufen. Montag. Bis dahin musste ich meine Energie noch zügeln.
Auch Ryan wurde hibbelig. Er trat von einem Fuß auf den anderen.
"Ich hatte sowieso vor, das Rudel noch etwas zurückzuhalten. Erst wenn die Gefahr nicht mehr besteht, dürfen sie wieder etwas sorgloser in den Wäldern rennen." Seine Aussage dämpfte meine Vorfreude. Wie lange würde er das Wolfsverbot noch hängen lassen?

Ryan wurde ernster und bedachte Kirk mit einem strengem Blick.
"Warum hast du uns eigentlich nicht Bescheid gegeben? Sie hätten uns eiskalt erwischt, wenn Nevaeh uns nicht gewarnt hätte." Ein leichtes Knurren lag in seiner Stimme. Meine Nackenhaare stellten sich leicht auf angesichts seiner Wut.

"Spar dir dieses Verhalten! Du bist nicht mein Alpha. Ich bin ein Mensch, auch mir steht es zu mal wegfahren zu können. Ich hatte es selbst nicht gewusst, bis ich wiederkam."
Murrend wandte sich der Alpha ab.
"Die andere Angelegenheit, um die ich dich gebeten habe, hat sich auch erledigt. Ich weiß jetzt, wer es ist.", erklärte er nach einer Weile.
Kirk nickte.
"Und wer?"
Ryan sah mich an, bevor er weitersprach.
"Der Junge, der hier in der Straße wohnt. Jack heißt er, glaube ich." Kirk sah uns beide ungläubig an.
"Jack? Der Junge mit dem ich den Hirsch zurück in den Wald gezerrt habe? Der ist ein Puma?" Er sah zu mir und ich nickte. Kirk blies die Wangen auf.
"Ich habe ihn vorhin noch gesehen, wie er bei sich rein ist. Er hat mich noch gegrüßt." Er klang etwas verdutzt. Vermutlich traute er Jack so etwas gar nicht zu.
"Er weiß nicht, dass du mit uns zusammenarbeitest. Dabei würde ich es gern belassen.", meldete sich Ryan zu Wort. Seine Stimme hatte jetzt plötzlich etwas abweisendes. In seinen Augen blitzte etwas auf.
"Okay, ich mache mich dann mal wieder auf den Weg. Ich wollte euch bloß Bescheid geben, dass das Ganze an Schärfe abnimmt." Kirk hatte die Veränderung ohne Zweifel bemerkt.
Er wandte sich um und ging zur Tür.

Kaum war er draußen, wandte ich mich zu Ryan.
"Er ist also dein Spion bei den Jägern."
"Ja. So kann man es nennen." Er klang irgendwie abwesend, als wäre er gar nicht richtig da.
"Und ich weiß jetzt auch, was aus deinem Hirsch geworden ist. Die scheiß Katze hat ihn gefressen, nachdem sie ihn selbst in den Wald zurück gebracht hatte!"
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht bevor er durch den Raum zu tigern begann.
"Ich hatte mich schon die ganze Zeit gefragt, was daraus geworden ist. Du konntest ihn nicht gefressen haben, da du dich noch nicht verwandelt hattest."
Ein selbstironisches Lachen erklang.

"Ich dachte damals, dass es eine Drohung sei. Dass ich die Nächste bin. Ich bin zwischendurch fast verrückt geworden, vor Angst. Jedes Mal, wenn ich in den Wald sah, dachte ich, Wolfsaugen zu sehen.", beichtete ich ihm schmunzelnd. Wer hätte gedacht, dass das Ganze so ausgeht? Er ließ sich auf das Sofa fallen.
"Um Himmels Willen! Nein! Er war als Entschuldigung gedacht. Ich habe ihn selbst gejagt und erlegt. Ich habe dir weh getan und das wollte ich wieder gut machen. Das Biest hat mich über Stunden auf Trab gehalten, bis er endlich vor Erschöpfung zusammengebrochen ist. Ihn dann noch tot bis zu deinem Haus zu zerren, war ein Kraftakt. Auf die Idee, dass du ihn noch gar nicht fressen könntest, bin ich erst gekommen, als Nolan mir erzählte, dass er den angefressenen Kadaver am Waldrand gefunden hatte."
Sein Gesicht hatte einen bitteren Zug angenommen. Also hatte Jack doch Recht gehabt. Es war eine Art Entschuldigung gewesen. Aber was hätte ich mit dem Hirsch anfangen sollen? Ich konnte keine toten Tiere zerlegen und einfrieren, bis ich sie brauchte. Beklommen sah ich zu meinen Füßen.

"Es ist jetzt leider, wie es ist. In dem Moment konnte ich nichts damit anfangen. Und dass Jack ihn fressen würde, konnte ich nicht ahnen."
Er winkte ab.
"Ist jetzt nicht mehr wichtig. Ab Montag können wir uns wieder verwandeln und laufen gehen. Dann kann ich dir gleich das Jagen richtig beibringen. Dein erster Versuch war ja miserabel."
In dieser ersten Nacht hatten wir gejagt. Was genau, wusste ich nicht mehr, doch es war für Ryan bestimmt und ich hatte es laufen lassen.
Er grinste mich schief an, als wüsste er genau, dass ich das Tier mit Absicht hatte laufen lassen.
Ich streckte ihm die Zunge heraus, doch dann veränderte sich plötzlich die Situation.
Er sprang auf und versuchte nach mir zu greifen, doch ich wich aus und rannte die Treppe hinauf. Er folgte mir.
Ich lief in mein Zimmer, schmiss die Tür hinter mir ins Schloss und rannte zum Fenster. Im Bruchteil einer Sekunde hatte ich es offen und stand nun auf dem Dach der Veranda. Da es letzte Nacht ein letztes Mal geschneit hatte, lag direkt unter mir ein Schneehaufen, der vom Dach gerutscht war. Ich dachte nicht lange nach und sprang, kaum dass Ryan im Fenster erschien.

Secret of the TimberwolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt