"Was 'du?'", harkte er in einem unnachgiebigen Tonfall nach.
Als der Anfall verebbte, versuchte ich wieder die Tasche zu öffnen.
"Sprich mit mir verdammt!", befahl er.
Irgendwann hatte ich endlich die Tasche öffnen können und hielt ihm nun das Papier entgegen.
Wortlos nahm er es entgegen, während der Wolf und ich ihn beobachteten.Während er las, wurde sein Gesicht bleich.
"Jasmina."
Der Wolf neben mir, rührte sich und stand auf.
"Geh zum Rudel und sag ihnen, dass das Wolfsverbot ausgehangen ist. Die Menschen haben vor, Jagd auf uns zu machen."
Jasmina stand auf und lief eilig zwischen den Bäumen hindurch. Die Stelle, an der sie die ganze Zeit gesessen hatte, wurde kalt.
"Du bist doch verrückt! Warum setzt du dein Leben so aufs Spiel?"
Finster sah ich ihm entgegen, als er auf mich zukam, doch in seinem Blick lag nun etwas anderes. Nicht mehr diese Wut und Unnachgiebigkeit, sondern Unsicherheit und Vorsicht. Beinahe schon Zuneigung.
Ich wollte lieber gar nicht antworten, als dass ich wieder einen Hustenanfall erlitt. Meine Lunge fühlte sich an, als wäre sie von Nadeln zerstochen worden.
"Komm. Ich bringe dich nach Hause und wärme dich auf. Kannst du aufstehen?", fragte er vorsichtig und streckte mir seine behandschuhte Hand hin.Wenn man bedachte, wie sehr ich zitterte und wie sich mein Kopf und mein Hals angefühlt hatten, als ich sie bewegt hatte, würde das Laufen kompliziert werden.
Ich nahm seine Hand und ließ mich von ihm hochziehen.
Ich wimmerte angesichts der Schmerzen in meinen halb gefrorenen Beinen, welcher hinauf in die Wirbelsäule zog. Von meinen Füßen wollte ich lieber nicht sprechen. Übelkeit überkam mich und ich stand genau zwei Sekunden auf den Eisklötzen bis ich vornüberkippte und gegen ihn prallte. Er zögerte nicht lange und hob mich auf seine Arme. Wäre das nicht ein außergewöhnlicher Zustand,wäre ich rot geworden, doch stattdessen war ich ihm einfach nur dankbar. Er setzte sich in Bewegung, lief schnell aber dennoch vorsichtig, vermutlich, um mir nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen. Ein Schauer durchzog meinen Körper, ob das allerdings von Ryans Nähe oder von der Kälte kam, konnte ich schwer sagen.Ich setzte zum Reden an, spürte jedoch gleich wieder den nächsten Anfall in mir aufsteigen und vergrub meinen Mund in meiner Ellebogenbeuge, um Ryan nicht anzuhusten.
"Was immer du zu sagen hast, es kann warten, bis du wieder aufgewärmt bist. Es würde mich nicht wundern, wenn du eine Lungenentzündung davontragen würdest.", sagte er und ich sah betreten auf den Weg, der vor uns lag.Ryan lief geschickt durch den dichten Wald so, dass wir kaum Ästen aus dem Weg gehen mussten. Irgendwann standen die Bäume nicht mehr so dicht beieinander und bald darauf lichtete sich der Wald und die Siedlung in der ich wohnte, kam in Sicht.
Am liebsten hätte ich laut aufgeschluchzt, doch das machte mir mein Körper nicht möglich.
Wir liefen über die Wiese und zur Verandatür meines Hauses hinein.
Ryan setzte mich auf dem Sessel neben dem Kamin ab, der in der Ecke des Wohnzimmers stand und feuerte ihn an. Zudem schraubte er noch die Heizung auf Höchstleistung und half mir, mich aus der Jacke und den Schuhen zu schälen.Die wohlige Wärme des Feuers erreichte mich erst nach einer gefühlten Ewigkeit und ich rückte etwas näher ran. Mein ganzer Körper kribbelte unangenehm, als die Wärme ganz langsam von außen nach innen in mich hineindrang und die Kälte vertrieb.
Zusammengekauert saß ich da und beobachtete Ryan, wie er sich an irgendetwas bei meiner Küchenzeile zu schaffen machte.
Kurz darauf, kam er mit einem duftenden, heißem Kakao und einer Wärmflasche zu mir rüber und hielt mir beides hin.
Mit noch etwas klammen Fingern griff ich danach, legte die Wärmflasche auf meine Füße und umschloss die warme Tasse mit beiden Händen.
"Danke.", murmelte ich leise und er nickte nur.
Ich hatte das Gefühl, dass er noch etwas sagen wollte, doch er schwieg und griff stattdessen nach der Decke auf dem Sofa, um sie mir überzulegen. Zaghaft lächelte ich ihm dankbar zu, doch er schien nicht weiter auf irgendetwas eingehen zu wollen. Ich bemerkte, wie Ryan immer wieder zur Haustür und zur Verandatür blickte, als würde er auf irgendetwas oder irgendjemanden warten. Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie er unruhig im Raum hin und her tigerte.
"Was ist los?", fragte ich mit rauer Stimme. Zur Antwort erntete ich ein leises Knurren, bevor er sich zu mir drehte.
"Ich warte auf Neuigkeiten vom Rudel. Ich muss wissen, ob alle wohlbehalten in ihren Häusern angekommen sind.", erklärte er mit leicht gereizter Stimme.
Seine Nerven lagen blank, und das spürte und sah man ihm an.
"Es wird allen gut gehen.", sagte ich, in der Hoffnung, ihn irgendwie beruhigen zu können, doch ich bemerkte, wie seine Nervosität ansteckte.
Konnte ich schon zu spät gewesen sein? Er brummte unsicher, lief jedoch weiterhin im Raum umher. Ich machte nach einer Weile den Fernseher an, um uns beide von unseren Sorgen abzulenken. Ich war mittlerweile halbwegs aufgetaut, doch in meinem Innerem herrschte noch immer eisige Kälte. Trotz der Wärme zitterte ich noch leicht, doch um das zu überdecken, bewegte ich mich immer wieder leicht, damit Ryan es nicht bemerkte.
Ständig blickte er zu mir, wie, um sich zu vergewissern, dass ich noch da war. Irgendwann wurde es mir zu bunt, als ich wieder seinen Blick auf mir spürte.
"Stimmt etwas nicht? Habe ich einen Eiszapfen an der Nase?", fragte ich belustigt mit rauer Stimme. Ich wollte ihn nicht so ernst, nachdenklich und voller Sorgen sehen. Ich konnte ihn nicht so sehen.
Seine grünen Augen sahen direkt in meine und für einen Moment fühlte ich mich wie elektrisiert. Voller Spannung.Er schmunzelte leicht.
"Nein hast du nicht. Ich frage mich nur, warum du dich nicht verwandelt hast. Das hätte dich wärmer gehalten, als deine Kleider.", sagte er und beobachtete mich interessiert. Jedoch zuckte ich mit den Schultern.
"Ich weiß nicht. Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen.", antwortete ich und rutschte unruhig hin und her.
"Hat dir dein Instinkt nicht gesagt, dass du es tun sollst?", fragte er und kniff forschend die Augen zusammen.
Nein? Wenn ich gewusst hätte, dass es dadurch wärmer sein würde, hätte ich es bestimmt auch getan. Vielleicht, war mein Instinkt noch nicht ganz so ausgeprägt, wie er hätte sein sollen. Vielleicht dauerte es noch.
Ich erzählte ihm von meinen Bedenken und er sah irritiert drein.
"Normalerweise müsste dir dein Körper spätestens Warnsignale gegeben haben, als du dort am Baum gekauert hast."
"Ja aber du vergisst, dass ich mich gerade erst verwandelt habe. Vielleicht dauert es noch."
Er zuckte mit den Schultern und folgte wieder dem Geschehen im Fernsehen.
"Wir werden sehen.", murmelte er leise, legte sich auf dem Sofa hin und schloss die Augen, doch an Schlaf konnte wohl keiner von uns so wirklich denken.
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Secret of the Timberwolves
WerewolfNie hätte ich einen Fuß in diesen Wald gesetzt, wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß. Nie hätte ich vermutet, dass sie mich als Beute auswählen. Doch heute, am dritten Tag, nach meinem Krankenhausaufenthalt, bemerkte ich es erneut...