25.Kapitel

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Jasmina schluckte. Ihr war die Situation sichtlich unangenehm. Sie warf Nolan kurz einen Blick zu, doch der zuckte nur mit den Schultern.
"Du kannst mich sowohl Jasmina als auch Danielle nennen. Ich habe einen Doppelnamen. Jasmina ist der Erste und der Einzige, den meine Freunde benutzen dürfen. Die Menschen kennen mich als Danielle." , erklärte sie und wippte dabei unruhig mit dem Fuß auf und ab. Ich schnaubte.
Warum auch nicht? Vielleicht lebte man so ja sicherer. Ist ja auch völlig normal, sich so eine Art Decknamen zu schaffen, und von den "Menschen" zu sprechen, als wäre man selbst keiner. Ich könnte nicht auf den einen hören, wenn ich den anderen Namen gewohnt wäre.
Nolan brach das Schweigen.
"Was war denn gerade mit Ric los? Hat er wieder etwas kaputt gemacht?"
"Hör mir auf, der Kerl nervt mich tierisch. Jeden muss er herausfordern, und sobald er verliert, bekommt er schlechte Laune und wirft etwas durch die Gegend. Eben musste einer meiner Töpfe unter seinen Aggressionen leiden. Naja, kommt erst einmal rein.", sagte sie und trat bei Seite, um uns einzulassen.
Das Haus war von innen wärmer und freundlicher eingerichtet als man es von außen vermutet hätte.
Beige Wände und der dunkele Holzfußboden hätten zusammen relativ finster wirken können, doch das wurde durch einige hohe Fenster und Bilder wieder aufgelockert. Sie lotste uns in ihre Küche, wo tatsächlich ein Kochtopf an der Tür lag. Sie hob ihn auf und stellte ihn auf ihre Arbeitsfläche. Kurz blickte ich zu Nolan, wie um mich zu vergewissern, dass er noch da war. Jasmina entging mein Blick nicht.

"Wenn du das restliche Rudel kennenlernst, darfst du aber nicht wie ein aufgescheuchtes Reh nach Hilfe suchen. Denn Nolan und ich dürfen dir dann nicht helfen, wenn sie sich auf dich stürzen. Du musst von Anfang an deine Stellung klarmachen und verteidigen.", erklärte sie und beobachtete mich eindringlich.
"Welche Stellung wäre das?" , harkte ich nach, denn ich war mir nicht sicher, welche Stellung ich verteidigen sollte, wenn ich im Rang sowieso ganz unten war.
Sie zuckte mit den Schultern und schmunzelte.
"Es kommt darauf an, welche Stellung du haben möchtest. Rangniedrigster will keiner sein. Also darfst du dich nicht wie der Rangniederste verhalten. Du musst eine gewisse Dominanz zum Vorschein bringen, wenn du unter uns überleben willst. Wir mögen zwar wie Menschen aussehen und meistens so leben, aber die Instinkte machen uns zu den Tieren, die wir in Wahrheit sind."
Ich wusste nicht, wie ich auf diese Aussage reagieren sollte.
Meine menschliche Seite hätte sich am liebsten zurückgezogen und wäre auf Abstand gegangen, doch diese neue, rauere Seite zog herausfordernd die Leftzen hoch.

Sie lächelte leicht. "Gut, du lernst schnell. Das wird die Sache einfacher machen." Was für eine Sache sie auch immer meinte. Plötzlich veränderte sich die Stimmung. Sie verspannte sich, wurde kalt. Ich konnte sie fast mit Händen greifen.
Meine Nackenhaare stellten sich auf und ich verspannte mich ebenfalls und sah zwischen Jasmina und Nolan hin und her. Sie starrten einander geradewegs in die Augen, schienen eine Art stummes Gespräch zu führen, bis Nolan nickte.

Schneller als ich begreifen konnte, was gerade abging, wurde ich umgeworfen und lag mit dem Rücken auf den gefliesten Küchenboden. Meine Knochen protestierten als ich abwehrend die Arme ausstreckte, um mich zu beschützen. Ein Kiefer mit scharfen weißen Zähnen umschloss meinen linken Arm und mir entwich ein leises Schmerzwimmern.
Kaum war mir das entwichen, bohrten sich Jasminas Zähne tiefer in mein Fleisch. Sie begann immer fester zuzubeißen.
In mir baute sich Panik auf, wie vor einigen Tagen, als Emily kurz davor stand mein Geheimnis zu enthüllen.
Ich knurrte laut, doch sie ließ mich nicht los. Ich warf einen Blick zu Nolan. Er stand an der Küchenzeile und beobachtete das Blut, das auf den Boden tropfte. Von ihm würde keine Hilfe kommen.

Mein Wolf kämpfte sich nach oben und ich machte mir dieses Mal gar nicht erst die Mühe ihn zu unterdrücken.
Ich lag zwar noch unter Jasmina, deren graues Gesichtsfell mittlerweile rot beträufelt war und ich konnte mich kaum bewegen, doch mir war es gelungen mein Vorderbein zu befreien. Ich zog meine Beine an und stieß sie von mir. Überrascht jaulend krachte sie gegen einen ihrer Schränke. Es polterte und krachte als etwas kaputt ging. Ich stand auf und erwartete sie schon als sie angesprungen kam, um mich nieder zu ringen. Ich duckte mich instinktiv unter ihr weg und meine anfängliche Panik entwickelte sich in etwas anderes. Ich spürte das Blut an meinem Bein hinunterlaufen, bemerkte jeden Tropfen, der auf dem Boden landete und die Fliesen rutschig machte. Schmerz spürte ich in diesem Adrenalinrausch nicht. Ich beobachtete Jasminas Bewegungen und ahnte, wie sie mich als nächstes attackieren wollte. Wieder wich ich ihr aus, biss jedoch in ihre Flanke und schüttelte heftig. Kurz darauf schmeckte ich Blut.

Sie knurrte angsteinflößend, bevor sie nach mir schnappte. Ich ließ los, drehte mich blitzschnell aus ihrer Reichweite. Ihre Zähne schnappten laut zusammen, als sie nur Luft zu beißen bekam. Ich griff meinerseits wieder an, als sie versuchte mir zu folgen. Ich schaffte es irgendwie sie im Genick zu packen und mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie stolperte und fiel mir vor die Pfoten. Trotz ihrer heftigen Trittversuch, legten sich meine Kiefer um ihren Hals. Ich biss leicht zu, bis ich ihrem Puls durch ihre Haut an meinen Zähnen spürte, knurrte noch einmal laut und wartete, ob sie noch einmal versuchte aufzustehen. Sie lag reglos auf der Seite, zog aber die Leftzen hoch und entblößte ihre weißen, etwas mit Blut beschmierten Zähne. Ich schüttelte sie noch einmal kräftig durch, damit sie meine Nachricht verstand. Keine Lügen oder Angriffe mehr!

Jasmina sah mich noch einmal ernst an, bevor ich sie losließ. Ich knurrte wieder als sie sich langsam erhob. Ihr Kopf blieb, im Gegensatz zu meinem, geduckt und ihre ganze Körperhaltung strahlte Vorsicht aus. Ich verstand die Situation jetzt. Nolan hatte diesen Kampf vorher mit Jasmina abgesprochen. Sein Ende hatte scheinbar doch keiner vorrausahnen können.
Auf einmal brach Gelächter hervor und überrascht, sahen wir zu Nolan.
Er lehte sich an den Küchenthresen.
"Jasmina, ich glaub, du bist gerade einen Rang tiefer gerutscht.", japste er und schlug mit der Faust auf den Tresen.
"Und zwar durch einen Jungwolf."
Er ließ sich zu Boden gleiten und Jasmina knurrte auf. Sie sprang vor und wollte ihm an die Kehle, doch genau darauf hatte er gewartet. Er wich so geschickt aus, dass ihr Manöver, ihn doch noch zu packen, aussah, als würde ein Welpe ihn angreifen. Er packte sie am Hals und drückte sie auf den Boden, bevor er selbst knurrte.
"So meine Süße, jetzt bist du doch noch genau dort, wo ich dich haben will.", sagte er mit rauer Stimme und sinnlichem Lächeln.

Jasmina knurrte und kämpfte sich schließlich aus seinem Griff. Er lächelte sie an, bevor er uns, wie durch ein unsichtbares Kommando, den Rücken zu drehte und den Raum verließ. Die Tür schloss sich mit einem leisen Klicken hinter ihm.
Mit einem Seufzen verwandelte sie sich zurück in ihre menschliche Gestalt.

"Zugegeben, ich war nicht darauf vorbereitet, dass du schon so weit wärst.", sagte die graue Wölfin, während sie sich anzog. "Mein Bruder hat erstaunlich viel in der kurzen Zeit in dich hinein getrichtert."
Ich erstarrte.
Bruder? Ryan war ihr Bruder?! Ich verdrehte die Augen.
Oh es wurde ja immer besser.
"Obwohl Ryan auch sehr fordernd sein kann.", überlegte sie laut. Es stimmte. Ryan hatte mir neben der Verwandlung auch die Selbstverteidigung in tierischer Gestalt beigebracht, was ihm immer mehr Spaß machte, wenn er es schaffte, mich aus der Reserve zu locken.
Ich saß immernoch in meiner dunkelbraunen Wolfsgestalt da und grübelte. Irgendwann gab ich es auf und schüttelte den Kopf. Den Verwandlungspunkt zu finden war mittlerweile so natürlich wie atmen. Er war etwas gewachsen und schien leicht zu pulsieren, das konnte jedoch auch an seiner Nähe zu meinem Herzen liegen.
Ich sammelte meine Kleider ein und zog mich an.
Kurz darauf kam Nolan wieder in den Raum, doch dieses Mal nicht allein.

"Was muss ich da hören, kleine Schwester? Du wurdest unterworfen?", fragte Ryan amüsiert und seine Augen glänzten vor wildem Stolz.

Secret of the TimberwolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt