Irgendwann musste ich eingedöst sein, denn als ich die Augen öffnete, war es dunkel im Raum, das Feuer im Kamin glimmte nur noch schwach und ich hörte regelmäßige Atemzüge vom Sofa her. Ich bewegte mich mühsam. Mein Genick war steif, da ich wahrscheinlich immer nur in einer Position verharrt hatte.
Ich stand auf und ging zum Sofa. Meine Glieder schmerzten, doch es war erträglich. Ryan schlief unruhig. Er knurrte ab und zu leise und bewegte sich als wolle er sich irgendwas entziehen.Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sanft.
"Ryan. Wach auf!", sagte ich ruhig und leise, doch er war sofort wach. Seine Augen richteten sich blitzartig auf mich und ich bemerkte, wie er langsam wieder in diese Welt zurückkehrte.
"Ich habe oben noch das Gästezimmer frei.", sagte ich, hielt mich aber nicht weiter damit auf, zu warten, ob er einwilligen würde oder nicht.
Ich ging nach oben und stieg, nachdem ich mich umgezogen hatte, in mein Bett.
Als ich lag, hörte ich leise Schritte im Flur, bevor sie im Gästezimmer verstummten.Irgendwann, als ich über die heutigen Geschehnisse grübelte, fielen mir die Augen zu, doch traumlos, bleib mein Schlaf nicht.
Sie jagten mich. Schüsse hallten durch den Wald und das Gekläffe der Hunde kam immer näher. Ich rannte um mein Leben. Ich rannte allein.
Ich hatte Ryan nicht finden können, weder in meiner menschlichen Gestalt, noch in meiner Wölfischen. Nun hatten sie mich aufgespürt und verfolgten mich.
Ich lief so schnell ich konnte. Meine Pfoten berührten kaum noch den Waldboden.
Ich rannte an einer großen Eiche vorbei, zu deren Wurzeln sich eine kleine Erdhöhle befand.
Vielleicht konnte ich die Hunde abschütteln, indem ich dafür sorgte, dass sie einer anderen Fährte folgten.
Ich lief an dem Baum vorbei, hinein in die engstehenden, jungen Tannen. Die Zweige peitschten in mein Gesicht, dass ich kaum die Augen offenhalten konnte. Ich wich den Stämmen so gut ich konnte aus, rannte mehrere Haken, um die Hunde zu verwirren. Und als ich bemerkte, dass der Abstand zwischen mir und den Hunden größer wurde, wurde ich etwas langsamer.Ich lief in einem großen Bogen zurück Richtung Wurzelhöhle, die mir hoffentlich genug Sicherheit bieten konnte, dass sie mich nie finden würden.
Besonders vorsichtig war ich, als ich an den Menschen vorbeilief. Sie waren auf die Hunde fixiert und achteten sehr darauf, diese nicht aus den Augen zu verlieren.
Ich erreichte endlich die Höhle und wollte schon erleichtet aufatmen, da griff mich plötzlich etwas von der Seite an. Ich fiel zu Boden, doch mein Fall war erstaunlich lang. Zu lang, als ich normalerweise gebraucht hätte, um aus dem Stand direkt auf den Boden zu fallen.Ich riss hektisch atmend die Augen auf. Grelles Licht und Kälte schlugen auf mich ein.
Als ich mich halbwegs an das Licht gewöhnt hatte, erkannte ich, dass ich auf dem Boden neben meinem Bett lag. Meine Bettdecke hatte sich um meinen kompletten Körper geschlungen und sich in meinen Beinen verheddert.
"Ist alles okay bei dir?", fragte eine schläfrig klingende Stimme. Ich sah auf und bemerkte Ryan, der, zu meinem Entsetzen, halbnackt im Türrahmen stand. Mir blieb die Spucke weg und ich sah mit Sicherheit, wie ein Eichhörnchen aus, das sich einem Fuchs gegenübersah."Ja ... Ja.", stotterte ich. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust, als er sich mir näherte. Er hielt mir die Hand zum Aufstehen entgegen und nachdem ich mich halbwegs aus meiner Decke herausgekämpft hatte, ließ ich mir von ihm aufhelfen.
"Du siehst aber nicht in Ordnung aus.", stellte er vorsichtig fest.
Ja wie sollte ich auch gut aussehen, wenn ich gerade erst nach einem Alptraum aus dem Bett gefallen war und mich nun einem attraktiven, halbnacktem Mann gegenübersah? Ich konnte nicht leugnen, dass sein Aussehen mich anzog.
"Ich hatte nur einen Alptraum.", sagte ich leise und sah zum Fenster. Ich musste meinen Blick irgendwo haben, nur nicht nicht in seine Richtung.
Ich wusste, dass er mich musterte.
Leider konnte ich jedoch nicht verhindern, dass ich rot anlief.
"Und worum ging es?" Es dauerte kurz bis ich wieder begriff, was er meinte.
Ich sah zu Boden.
"Dass sie mich jagen,"antwortete ich zögernd.
Er nickte verstehend, zog jedoch seine Augenbrauen nachdenklich zusammen.Er setzte sich auf mein Bett und deutete auf den Platz neben sich.
Meine Gedanken spielten kurzzeitig verrückt, doch ich riss mich zusammen, bevor ich mich neben ihn setzte."Leider müssen wir immer mit dem Risiko leben, gejagt zu werden." Verwirrt blinzelte ich. Ich war in der Erwartung gewesen, er würde mich beruhigen wollen.
Aber ein Freund der beruhigenden Worte und der Beschönigung von Dingen, war er ja scheinbar nicht. Wie blöd musste ich auch sein, dass ich annahm, ich würde ein friedvolles Leben führen können."Aber es ist immer gut, wenn einer der Jäger, einer von uns ist, oder zumindest über uns Bescheid weiß. Wer es in unserem Rudel ist, findest du noch früh genug raus", erklärte er ruhig, als würde er mir nicht gerade von irgendeiner Art kleiner Mafia beichten.
Wer weiß, was sie noch alles infiltriert hatten. Obwohl, vielleicht wollte ich es lieber nicht wissen.
Völlig baff ließ ich mich vollends auf das Bett fallen."Alles klar, das hilft mir jetzt wirklich beim weiterschlafen. Vielen Dank auch."
Er setzte sein Standardlächeln auf und einmal mehr wünschte ich, ich könnte es ihm aus dem Gesicht kratzen."Ja nicht wahr? Also ich weiß nicht, warum du noch nicht eingeschlafen bist, vor Entspannung, die diese Aussage in dir hervorgerufen hat."
Gegen meinen Willen musste ich lächeln. Seine Stimme triefte, wie meine eigene auch vor Ironie. Auch sein Lächeln wurde echter und beinahe wirkte er gelöst. Beinahe.
Plötzlich kratzte etwas am Fenster. Ich schrak hoch und sah in die Richtung. Ein kurzer Blick zu Ryan verriet mir, dass auch er nicht damit gerechnet hatte.
Seine Miene wurde augenblicklich ausdruckslos, bevor er sich dem Fenster zuwandte. Eine dunkle Gestalt hockte davor und ich war kurz davor in Panik auszubrechen, aus Angst, es könnte einer der Jäger sein, doch Ryan sah kurz stumm zu mir und ich befahl mir, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Er ging vorsichtig zum Fenster und lugte hinaus. Kurz darauf seufzte er erleichtert auf.Fragend sah ich ihn an, doch er öffnete nur das Fenster und ließ die Gestalt ein. Sie sprang leichtfüßig auf den Boden und hinterließ dabei kleinere Schneereste, die sich in das Profil der Schuhe geklemmt hatten. Mein Atem stockte kurz, bevor ich erkannte, wer es war.
DU LIEST GERADE
Secret of the Timberwolves
WerewolfNie hätte ich einen Fuß in diesen Wald gesetzt, wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß. Nie hätte ich vermutet, dass sie mich als Beute auswählen. Doch heute, am dritten Tag, nach meinem Krankenhausaufenthalt, bemerkte ich es erneut...