30. Kapitel

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Ich hatte das Gefühl, sie verdiente es die Wahrheit zu erfahren, nach allem, was sie für mich getan hatte. Ich schloss die Augen als sich mein Körper veränderte.

Emily sog scharf die Luft ein. Ich blinzelte und schüttelte mich kurz, um mein Fell richtig zu legen.

"Was zur Hölle sind das hier für Wölfe? Sind die alle so", fragte sie plötzlich nach mehreren Minuten des Schweigens.
Ich nickte, jedenfalls soweit ich es wusste. Abwartend musterte ich Emily. Sie hatte zwar eine leichte Panik in den Augen, aber auch Neugierde und Überraschung. Ich bewegte mich nicht weiter, um sie nicht zu verunsichern. Sie sollte auf mich zukommen, damit nicht ihre Angst Überhand nahm. Vermutlich rang sie gerade mit sich, damit sie sich nicht selbst für verrückt erklärte. Langsam setzte ich mich und beobachtete jede ihrer Bewegungen, als sie nach einigen Minuten einfachen Starrens, aufstand und auf mich zu kam.
"Darf ich?", fragte sie zögernd und ließ sich neben mir nieder. Sie fuhr mit der Hand durch das Fell an meiner Schulter.
Ich bekam eine Gänsehaut, als mein Fell gegen den Strich aufgestellt wurde. Es fühlte sich komisch an, aber sie musste es wahrscheinlich fühlen, damit sie es glaubte.
"Wie kann es sein, dass ihr direkt vor den Nasen der Menschen lebt und trotzdem nicht erkannt werdet? Wie kann das überhaupt sein?"
Sie gestikulierte auf meine neue Erscheinungsform.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich wusste es nicht. Ich hatte Ryan nie danach gefragt und er hatte es nur kurz angeschnitten, als wir gerade beim Üben waren.
Emily hielt in ihrer Bewegung inne.
"Und Ryan ist auch ein Wolf? War er deshalb hier? Um dir zu helfen?" Ich zuckte zusammen. Sie zählte viel zu schnell eins und eins zusammen.
Langsam stand ich auf, sammelte meine Kleidung zusammen und wollte ins Bad gehen, als mir ein Augenpaar durch das Fenster entgegensah.
Kurz blickten wir uns an, bevor Nolan sich umdrehte und wieder aus meinem Blickfeld verschwand.
Ohne, dass Emy etwas bemerkt hatte, drehte ich mich um und ging in das kleine Bad, um mich dort zu verwandeln und anzuziehen.

"Das ist so krass, dass ich es kaum glauben kann",erklärte Emy fassungslos. Sie hatte sich in der darauffolgenden Stunde die ganze Geschichte angehört, schien alles in sich aufzusaugen, was ging. Ein Detail ließ ich trotzdem weiterhin aus, dass es Ryan war, der mich gebissen hatte. Emy stellte immer wieder Fragen, die ich nach Möglichkeit beantwortete und es war lange nach Mitternacht, als sich erneut ein Schatten vom Waldrand ablöste. Emy stoppte mitten im Satz als sie bemerkte, dass meine Aufmerksamkeit nicht länger ihr galt. Er ging langsam und bedacht, als wüsste er, was hier gerade vor sich ging. Vermutlich war das auch der Fall, wenn Nolan ihm begegnet war.
Vor der Veranda blieb er stehen und sah zögernd zwischen Emy und mir hin und er, bis sein Blick schließlich an mir hängen blieb.
'Du hast dein Oberteil falsch herum an.'
Überrascht blickte ich nach unten. Jap das Schild war vorn.
Seufzend zog ich die Arme durch das Tshirt, drehte ich es richtig herum und trat an die Tür, um ihn einzulassen.
Emy verfolgte das Geschehen stumm und ließ sich unauffällig tiefer in das Sofa sinken.
Ryan wandte sich an sie, als er sich Jacke und Schuhe angezogen hatte. Er wirkte angespannt, was man angesichts der Situation nachvollziehen konnte.
"Also weisst du jetzt von uns..."
Verwirrt schrak ihr Blick zu mir, doch ich schüttelte den Kopf. Später.
Zögernd nickte sie.

"Du weisst auch, dass du niemandem gegenüber etwas erzählen oder auch nur andeuten darfst?" Emily nickte erneut, setzte sich aufrecht hin und straffte ihre Schultern.
"Mir ist klar, wie groß die Sache ist, sonst hätte Nevaeh es mir auch schon eher erzählt." Sie klang ein wenig verletzt, was ich ihr nicht verübeln konnte. Ich hätte vermutlich genauso reagiert.

Ryan ließ nicht locker.
"Dir ist auch klar, dass ich nicht zögern werde, die Probleme zu beseitigen, solltest du uns verraten", erklärte er eisig.
Emy wurde bleich und auch mir wich alle Farbe aus dem Gesicht.
Ein laues Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.
Er bedrohte gerade ihr Leben. Diese Tatsache setzte sich nur schwer in meinem Kopf fest.
"Ryan. Stop!" Ich prügelte diese Worte quasi durch meine Fassungslosigkeit, die Angst und die Unsicherheit, die diese Situation ausgelöst hatte. Blut rauschte in meinen Ohren.
"Nevaeh, ich werde garantiert nicht die Sicherheit des Rudels aufs Spiel setzen. Sie soll wissen, was kommt, sollte sie unsere Art verraten", knurrte er leise. Emys Augen rasten zwischen Ryan und mir hin und her.
'Ich will nur sichergehen, dass von ihr keine Gefahr ausgeht', fügte er noch in Gedanken hinzu. Ob er sie nun nur einschüchtern wollte, oder nicht, es war längst eine Grenze überschritten. Da konnte auch meine Zuneigung für ihn die Situation nicht retten.
Ich knurrte ihn an.

"Ich habe nicht vor meine beste Freundin zu verraten. Bevor ich das tun würde, würde ich mich eher im Winter nachts in den Fluss werfen."
Emys Stimme drang klar in meine Ohren.
Ryan knurrte leise bestätigend. Ich konnte heraushören, dass er nachhelfen würde, wenn sie sich gegen ihr Wort wenden würde. Jetzt reichte es! Ich drängte mich zwischen Ryan und Emily und sah ihm fest in die Augen.
"Es ist jetzt genug!", fuhr ich ihn an. "Ich hätte es ihr nicht gesagt, wenn ich ihr nicht vertrauen würde!"
Ryan zuckte zusammen.
Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich seine Überraschung und Unsicherheit sehen, bevor er sich wieder fing, seine Gefühle überspielte und mich kühl ansah. In seinen Augen tobte ein Sturm.
"Na schön. Ich hoffe, eure Loyalität füreinander ist stark genug für diese Geschichte hier."
Er sagte das in einem Tonfall der mir ganz und gar nicht gefiel und als er sich murrend abwandte, rebellierte mein Innerstes auf, dass er nicht gehen sollte. Ich unterdrückte dieses Gefühl und ließ ihn gehen.
An der Tür wandte er sich nochmal kurz an mich.
"Nolan übt mit dir am Wochenende." Nach dieser knappen Aussage, die ich erst nicht wirklich realisierte, war er auch schon verschwunden. Der kühle Windhauch, der durch das Haus ging, bezeugte, dass er gegangen war. Ich stöhnte frustriert auf. Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

"Auch wenn er jetzt schon etwas furchterregend war, muss ich zugeben, dass er ziemlich sexy ist, auch wenn er wütend ist."
Als ich knurrte, zog sie ihre linke Augenbraue hoch und grinste.
"Ich wusste doch, dass da noch mehr Hintergedanken waren, als nur diese Verwandlung!", rief sie lachend auf. Mein Blut schoss in meinen Kopf zurück, was Emy noch mehr lachen ließ.

Wir redeten uns in dieser Nacht die Münder fusselig und das Thema Ryan nahm einen Großteil der Zeit ein, nicht zu guter Letzt, weil Emy mich ständig mit meiner Schwärmerei für den Alpha aufzog! Die Angst, die er ausgelöst hatte, war wie ausgelöscht.
Erst in den frühen Morgenstunden, als es langsam dämmerte, verschwanden wir in den Betten.

Secret of the TimberwolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt