11. Kapitel

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Am späten Nachmittag kam Danielle. Ihr Geruch schlug mir entgegen, als ich der Physiotherapeutin die Tür öffnete. Dieses Mal hatte sie es mit Parfum wirklich übertrieben, denn nach kurzer Zeit bekam ich von diesem penetranten Blumenduft Kopfschmerzen. Kaum hatte sie die ersten Übungen durchgeführt, kombinierte ich diese mit der Öffnung der Verandatür und frische, kalte Luft drang in den Raum. Erst nach einer Weile flauten die Schmerzen ab und ich konnte wieder normal durchatmen. Danielle schien das offene Fenster nicht weiter zu stören, auch wenn sie ab und zu nach draußen schaute, wo die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings den Schnee wegtauten.

Die junge Therapeutin bewegte gerade mein gesamtes Bein durch, als mir noch ein weiterer Geruch an ihr auffiel. Versteckt unter der Tonne künstlichen Blumenduftes, haftete noch der Geruch nach Moos und Schnee und etwas Undefinierbarem an ihr. Ich runzelte die Stirn. Wie konnte es sein, dass sie so roch? Momentan traute sich niemand in den Wald, der es nicht absolut musste. Nachdem sich das mit mir und den Wölfen herumgesprochen hatte, war die Disskussion ausgebrochen, ob es nur ein einmaliger Vorfall war oder ob die Gefahr bestand, dass noch mehr Angriffe stattfinden konnten. Schlussendlich wurde allen geraten sich möglichst vom Wald fernzuhalten. Und wenn sich der Vorfall wiederholte, würde man die Abschusserlaubnis für das ganze Rudel geben. So viel hatte ich aus der Zeitung erfahren können. Ich persönlich wurde zu diesem Thema noch nicht weiter ausgefragt, was mich auch nicht weiter kümmerte. Ich hoffte nur, dass das Rudel nicht auf die Idee kam, noch jemanden anzufallen.

Ich konzentrierte mich wieder auf Danielles Geruch.
Sie musste also im Wald gewesen sein, doch weshalb? Meine Gedanken kreisten und schließlich fragte ich mich sogar, ob sie zu den Gestaltwandlern gehörte...
Sofort verwarf ich den Gedanken wieder. Nein. Das konnte nicht sein.
Es war absolut verrückt. Mein Hirn musste mich hassen, wenn es mir solche Gedanken in den Kopf setzte. Sie gehörte bestimmt nicht dazu, sonst hätte sie bestimmt bemerkt, dass sich jemand ihrer Sorte bei mir befunden hatte. Und sonst würde sie sich bestimmt anders verhalten, wahrscheinlich etwas animalischer.
Ich schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben und sofort hatte ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
"Was ist los?", fragte sie mich und unterbrach die Übung.

"Nichts. Nichts.", sagte ich. Allerdings wahrscheinlich etwas zu schnell für sie, da sie die Augenbrauen anhob und mich skeptisch anblickte.
"Wenn dir etwas wehtut, dann musst du es mir sagen. Ich kann nicht in deinen Kopf sehen, um zu erfahren, was darin vorgeht.", belehrte sie mich und wieder schüttelte ich den Kopf.
"Tut mir leid. Ich war nur in Gedanken versunken."
Sie runzelte die Stirn.
"Ahja.", murmelte sie, während sich ihr forschender Blick in meine Augen bohrte.
Schließlich setzte sie die Übung fort und ich ließ mich bis zum Ende der Stunde nicht mehr von meinen Gedanken ablenken.

Danielle ging und mit ihrem Verschwinden kehrte auch Ruhe ins Haus ein. Nur ich blieb unruhig.
Warum sollte Nolan mich beschützen?
Wer hatte es ihm überhaupt aufgetragen? Was sollte das alles?
Kurz wünschte ich, Nolan hätte mir sagen können, was ich wissen wollte.
Und warum sagte er immer wieder, dass er es mir erzählen würde, wenn es soweit ist.
... wenn es soweit ist ...
Was sollte soweit sein?

Brummend warf ich mich auf das Sofa nachdem ich mir etwas zu essen gemacht hatte und machte den Fernseher an. Ich dachte noch lange über Nolans Geschichten nach, bis mir irgendwann die Augen zufielen und ich einschlief.

Im Bett wachte ich wieder auf und sah auf meinen Wecker. Es war drei Uhr morgens. Ich stöhnte. Wieso schlief ich nicht durch?
Plötzlich fiel es mir auf.
Ich lag im Bett. Nicht auf dem Sofa, nein, im Bett!!
Ich erinnerte mich nicht daran, ins Bett gegangen zu sein. Ich war auf dem Sofa eingeschlafen, da war ich mir sicher.
Und ich schlafwandelte nie.

Ich setze mich auf und sah an mir hinunter. Glücklicherweise hatte ich immernoch meine Sachen von vorhin an. Trotzdem konnte ich es nicht begreifen. Auf meinem Nachttisch stand ein Glas Wasser. Stirnrunzelnd betrachtete ich es. Noch nie hatte ich mir ein Glas ans Bett gestellt. Eventuell mal eine Flasche in die Nähe gestellt aber nie etwas das ich im Halbschlaf umstoßen konnte. Ich ließ meinen Blick schweifen. Am Fußende meines Bettes lag mein Schlafanzug sorgfältig zusammengefaltet.
Was zur Hölle ging hier vor?
Langsam stand ich auf und zog das Messer unter meiner Matratze hervor. Es stand außer Frage, dass ich selbst das alles getan hatte.
Wer immer mich hingelegt hatte, befand sich vielleicht auch noch im Haus, also machte ich mich auf die Jagd.

Im Obergeschoss war nichts, also blieb nur das Erdgeschoss. Leise schlich ich die Treppe hinab, dabei fiel mir der Geruch nach Kiefern und Schnee und noch etwas anderem, undefinierbarem auf. Außerdem war der Geruch nach nassem Hund kaum zu überdecken.
Hatte Nolan es etwa gewagt, ungebeten in mein Haus zu kommen?
Das wäre die Krönung des ganzen Tages.

Am Fuß der Treppe angekommen, blieb ich stehen und suchte im Dunkeln den Raum ab. Der Fernseher war ausgeschaltet. Auch im kleinen Bad war nichts und vom Eingangsbereich ganz zu schweigen. Die Haustür war wie immer abgeschlossen.

Ich schlich zur Fensterfront, vor der der Wolf lag, dessen Farbe, Haltung und sein Verhalten mir inzwischen vertraut waren.
Als hätte er bemerkt, dass ich ihn ansah, hob er den Kopf und drehte ihn in meine Richtung.
Verschlafen blinzelte er, bis ihm auffiel, dass mein Blick alles andere als ruhig und gelassen war.
Ich stapfte hinaus auf die Veranda, deren Tür noch offen war und stellte mich vor ihm auf. Auch er stand auf, allerdings hielt er den Kopf leicht gesenkt. Gut.

"Du hast mich nicht zufällig von dem Sofa aus, hoch in mein Bett getragen?", zischte ich.
Er legte den Kopf schief. Dann schüttelte er ihn.

"Lüg mich nicht an! Wer soll es denn sonst gewesen sein? Der Geruch war auffällig. Es kannst nur du gewesen sein!"
Er sah mich aus großen Augen an, während er ein Stück zurückwich.
"Ey Nolan, ich finde das gerade echt nicht lustig. Das ist mein Haus und das ist Sperrzone!"
Plötzlich sah er nicht mehr mich an, sondern an mir vorbei und mir wurde bewusst, dass wir nicht mehr unter uns waren. Ein leichter Luftzug wehte mir denselben Geruch in die Nase, den ich auch schon auf der Treppe bemerkt hatte. Ich schluckte, da ich wusste, dass derjenige, der in mein Haus eingedrungen war, nun hinter mir stand. Dieser Unbekannte bewegte sich leise und obwohl ich ihn nicht sah, konnte ich ihn deutlich einige Meter hinter mir spüren. Nolan war nun am Fuße der Verandatreppe und beobachtete mich gespannt.
Ein leises "Scheiße" entschlüpfte mir, als der Fremde die Wahrheit offenbarte.
"Nein Nevaeh, ich war das."

Secret of the TimberwolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt