12. Kapitel

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Mein Mund war wie ausgedörrt, als er diese Worte aussprach, gleichzeitig durchströmte mich diese selten gekannte Wut. Er hatte mich angefasst. Und er war in mein Haus eingedrungen. Nolan zog sich weiter zurück, als er meinen Blick sah. Der Fremde musste zu den Wölfen gehören, andernfalls hätte er eher panisch auf Nolan reagiert.
Langsam drehte ich mich zu dem Fremden um, das Messer immernoch in der Hand.

Ich wusste nicht, was in diesem Moment noch geschah, denn diese waldgrünen Augen verschlangen alles um mich herum. Die Wut verpuffte einfach. Ich bemerkte nur ganz am Rande, dass ich noch atmete.
Gut. Das war immerhin ein Anfang.
Ich blinzelte angestrengt und er lächelte. Stand mein Mund offen? Sabberte ich? Ich schüttelte den Kopf und fand meine Stimme wieder.

"Und warum bist du einfach in mein Haus gegangen und hast mich angerührt?" Meine Stimme wurde, wie ich zufrieden feststellte, zum Ende der Frage spitz und blieb erstaunlich fest.
Ich vermied es, dem Fremden in die Augen zu sehen. Diese alles verschlingenden Augen hatten etwas an sich, dass man alles um sich herum vergaß, einschließlich sich selbst. Dass er auch um diese Augen herum gut aussah, bemerkte ich nur am Rande.

"Weil ich nicht wollte, dass du dich am nächsten Morgen dafür hasst, dass du auf dem Sofa eingeschlafen bist. Dein Hals und Nacken hätten es mir gedankt.", sagte er und sein leicht arroganter Tonfall ging mir dabei gehörig gegen den Strich.

"Trotzdem hat keiner von euch Wolfstypen das Recht, einfach in mein Haus zu gehen und mich anzufassen." Es kostete mich alle Mühe, um nicht in die Luft zu gehen und, dass meine Hände zitterten vor Anstrengung bemerkte ich nur zu gut.
Sein Blick glitt zu meiner rechten Hand, in der das Messer lag.

"Soll das dein Dank sein? Mich mit einem Messer bedrohen?" Ich wusste nicht, ob er es gesehen hatte, oder ob Nolan ihn irgendwie gewarnt hatte. Ich versuchte mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen.

"Ich weiß nicht einmal, wer du bist und, dass du einfach bei mir hinein spaziert bist, macht die Sache nicht besser. Ich wäre sowieso wieder aufgewacht."
Er musterte mich genau und für einen kurzen Moment fühlte ich mich nackt.
Dann lächelte er, was meine Wut weiter entfachte.
"Wenn du das sagst. Ich glaube, du hast geschlafen wie ein Stein und nichts konnte dich wecken. Du hast ja nicht einmal mitbekommen, wie ich dich die Treppe hinauf getragen habe."
Ich knurrte leise und er sah mich überrascht an.
Dann lachte er leicht. Ich steckte das Messer weg. Sollte er doch lachen. Wenn er die Drohung dahinter nicht verstand, war es sein Problem mit den Konsequenzen klar zu kommen.

Er drehte sich weg, um zu gehen.
"Du musst aber noch einige Schießübungen absolvieren, damit du in Zukunft treffen kannst, wenn du dich oder andere verteidigen willst."
Mir fiel die Kinnlade herunter. Es knackte gewaltig in meinem Kopf, als ich begriff.

DAS? Das war der Alpha des Rudels? ER?
Kurz sah ich böse zu Nolan, der leise winselte.
"Soll das eine Drohung sein? Das war außerdem ein Warnschuss, du potentieller Bettvorleger."
Ich wusste nicht, was mich da plötzlich ritt, aber ich war mir fast sicher, dass er mich nicht noch einmal angreifen würde.
Er blickte zurück ... und lachte.
"Rede dir das nur ein."
Aber bevor ich zurück in mein Haus ging und die Verandatür hinter mir abschloss, warf ich ihm einen bösen Blick zu. Sie sollten es sich ja nicht noch einmal wagen, einfach in mein Haus zu kommen.

Auf den Weg zurück in mein Bett überkam mich plötzlich Übelkeit und nur einige Momente später, kam mein Mageninhalt hoch. Ich sprintete ins Bad und übergab mich in die Toilette.
Das war die Aufregung. Mein Körper schien dieses neue Wissen, um die Gestaltwandler nicht gut zu vertragen.
Nachdem ich mir meine Zähne geputzt und mich umgezogen hatte, ging ich endlich zurück in mein Bett. Aber wirklich Ruhe fand ich nicht.

Am nächsten Morgen meldete ich mich in der Schule krank. Ich war mir fast sicher, dass ich krank wurde. In der Nacht hatte ich mich noch weitere zwei Mal übergeben. Noch dazu hatte ich Schmerzen im ganzen Körper. Ich konnte mich nicht einmal zum Arzt aufraffen.
Ich rief auch bei Danielle an, um unsere Treffen für die restliche Woche ausfallen zu lassen.
Gegen Mittag bekam ich einen Anruf von Emily, die mich über meinen Zustand ausfragte. Ich hielt das Gespräch kurz.
Sie fragte, warum ich krank sei und, ob sie mir die Schulsachen rüberbringen sollte, was ich aber ablehnte, da ich vermutete, dass meine Krankheit ansteckend war.
Als sie anfing, mich über den neuesten Klatsch und Tratsch aufzuklären, redete ich mich schnell raus und legte auf.

Erschöpft schleppte ich mich ins Bad und nachdem ich mir wieder die Seele aus dem Leib gekotzt hatte, betrachtete ich mein Spiegelbild. Ich erschauderte.
Bleiche Haut und Augenringe die aussahen, wie die Maske eines Waschbären, rissige Lippen und ein Kiefer, der sich anfühlte, als würde er sich ausdehnen wollen. Kurz gesagt, ich sah aus, wie eine Leiche.

Ich ging runter, um mir ein etwas zu essen zu holen und war gerade beim Kühlschrank angelangt, als ich das Chaos vor meiner Verandatür sah.
Die Glastür war dreckig, als wäre etwas die ganze Zeit daran hochgesprungen und an der Treppe lag ein Tierkadaver. Was es genau war, konnte ich in diesem Moment nicht erkennen. Ich sah nur Fleisch und etwas Blut und Fell.
Ich wandte den Blick ab und zu dem Zwieback, den ich gerade mit etwas Banane belegte, damit ich wenigstens etwas hatte, das mich am Leben hielt.

Als ich es mir mit dem Zwieback und einem Tee auf der Couch gemütlich gemacht hatte, bemerkte ich eine Bewegung am Waldrand.
Konnten die mich denn nie in Ruhe lassen?
Was sollte das überhaupt?

Kaum als Nolan einen Fuß auf die Terasse setzte, begann ich zu knurren. Ich wusste, dass er mich durch die Glasscheibe hören konnte. Unsere Abende hatten es mir gezeigt, wenn ich mich durch den Raum bewegt hatte und seine Ohren jedes Mal gezuckt hatten.

Er zuckte zusammen und sah mich eindringlich an, dann schnappte er sich den Tierkadaver und zerrte ihn zur Fensterfront. Es war ein Reh, gerade mal ein Jahr alt, schätzte ich.
Mein Magen grummelte laut und ich biss protestierend in den Zwieback.
Nolan sah noch einmal zwischen mir und den Kadaver hin und her, bevor er vorsichtig daran nagte.

"Du hast den aber nicht da hin gelegt, oder?"
Er sah mich kurz an, als überlegte er, was er antworten sollte. Dann wandte er sich ohne eine Reaktion wieder dem Reh zu.
Irgendwann kam noch ein zweiter Wolf dazu. Das dunkle Fell und die waldgrünen Augen, verrieten, wer es war. Er blinzelte belustigt, als er mich, nur im Schlafanzug bekleidet, auf der Couch sitzen sah. Dann wanderte sein Blick zum Zwieback und dem Tee und sein Blick verfinsterte sich. Er hob angeekelt die Leftzen und gesellte sich dann zu Nolan.

"Ist mir auch klar, dass dir das nicht schmeckt.", rief ich und immer wieder glitt mein Blick zu dem Reh. Daraus hätte man einen schönen Rehbraten machen können.
Wie um zu protestieren, rebellierte mein Magen auf und ich legte schnell den Zwieback bei Seite und rannte in die Wäschekammer zur Toilette.

Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, sahen mich beide Wölfe mit einem mitleidigen Blick an.
"Was?", krächzte ich und trottete weiter.
Nein, es war überhaupt nicht merkwürdig, dass ich mit Wölfen sprach, die jedes meiner Worte verstanden. Und es war auch nicht merkwürdig, dass die beiden sich in Kerle verwandeln konnten, von denen einer bei mir eingebrochen war und sich sozusagen um mich gekümmert hatte.
Ich sah beide finster an.

Secret of the TimberwolvesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt