Ich spürte, wie sich das Ziehen auf meinen Oberkörper ausbreitete. Mein Instinkt schrie mir zu, mich entweder zu verteidigen oder wegzulaufen. In Sekundenschnelle war die Entscheidung gefallen.
Ohne Emily noch weiter Beachtung zu schenken, drehte ich mich um, rannte die Treppe wieder hinauf in mein Zimmer und schloss mich ein, bevor sich meine Fingernägel in Klauen verwandelten.
Emilys überraschte Rufe nach mir schallten im Haus.
Ich ignorierte sie.
Mein Kiefer fühlte sich an, als wolle er sich ausbreiten.
Fangzähne bohrten sich in meine Unterlippe und ließen sie bluten. Mein Atem ging schneller und das lag nur teilweise daran, dass sich mein Brustkorb langsam zusammenzog und veränderte.Ich kämpfte gegen die aufsteigende Panik und die davon ausgelöste Verwandlung an.
Auf den Knien abgestützt, stand ich an der Tür und atmete schwer.
Vor der Tür ertönten wieder Emilys Rufe nach mir."Neve? Bist du okay? Was ist los?"
Ihre Stimme klang besorgt, war jedoch noch einen Hauch wütend."Mir ... mir geht es gut. Mach dir keine Gedanken.", stöhnte ich. In meinen Ohren begann es zu rauschen.
Meine Stimme klang verzerrt. Als würden sich meine Stimmbänder auch langsam verändern.
Ich wimmerte vor Schmerzen. Ich schloss die Augen und tastete mit meinem Geist blind nach dem Verwandlungspunkt, um die Verwandlung irgendwie zu verhindern."NEVE!", drängte Emily und rüttelte an der Tür.
Ich setzte mich auf den Boden am Fußende meines Bettes. Meine Hände waren nun mehr Pfoten als das, was sie eigentlich hätten sein sollen."Hör auf, dagegen anzukämpfen! Es wird nichts ändern. Du wirst dich verwandeln." Ich öffnete die Augen, weil ich dachte, ich sei allein im Zimmer. Seine Anwesenheit in diesem Haus hatte ich fast vergessen.
Ryan trat vom Fenster weg. Wollte er gerade über das Dach verschwinden? Oder unauffällig nach unten gelangen, um Emily und mich im Auge zu behalten? Vermutlich hatte er jedes Wort mitgehört.
Mir war es egal. Die Anstrengung, die ich gegen die Verwandlung aufbrachte, verebbte mit einem Schlag, als ich losließ.Die Schmerzen ließen nach und meine Wahrnehmung veränderte sich. Ich stöhnte innerlich vor Erleichterung auf.
Ich stand nun auf meinen Pfoten und sah verzweifelt zu Ryan hoch.
"Willst du, dass die es weiß?" , fragte er in meinem Kopf. Sein Blick war ernst. Er schien wissen zu wollen, ob er eingreifen musste. Ich sah zur Tür, an der Emily immernoch rüttelte und meinen Namen rief, dann schüttelte ich den Kopf. Nein lieber nicht. Auch, wenn ich ihr am liebsten alles erzählt hätte, was in den letzten Tagen geschehen ist, sollte sie es noch nicht erfahren. Ich musste das alles selbst erst richtig begreifen.Sie hämmerte gegen die Tür.
"Nevaeh! Wenn du diese Tür nicht gleich aufmachst, dann werde ich mir etwas suchen, um sie aufzubrechen."Ich sah hilfesuchend zu Ryan.
"Verwandel dich zurück."
Ich holte tief Luft und suchte nach dem Verwandlungspunkt.
Es dauerte nicht lange, bis ich ihn hatte.
Schon nach ein paar Momenten kniete ich als Mensch auf dem Boden. Verstohlen sah ich mich kurz um.
Ryan hatte sich respektvoll abgewandt.
Ich stand auf und zog mir eilig meine Sachen wieder an.Emily klopfte wieder gegen die Tür. Verzweifel sah ich wieder zu Ryan, der sich nun wieder zu mir gedreht hatte und nur mit den Schultern zuckte.
Nein. Ich konnte es nicht. Ich konnte ihr noch nichts davon sagen. Es war einfach noch zu frisch, um es selbst verarbeiten zu können.
Ich ging und öffnete die Tür.
"Was zum Geier war das gerade?", fuhr sie mich an. Ihr Gesichtsausdruck wirkte kalt und wütend, aber in ihren Augen wirbelten weit mehr Gefühle.
Ratlosigkeit, Angst und Sorge.
Ihre Sorge wirbelte den Wunsch in mir auf, ihr die Wahrheit zu erzählen."Nichts. Ich glaube es wäre besser, wenn du jetzt gehst.", murmelte ich leise, doch sie verstand mich.
"Was?!?", rief sie. Ihre feurigen Blicke schossen zwischen mir und Ryan ständig hin und her. Sie schien sich ihren Teil zu denken.
"Du willst, dass ich dich also allein mit ihm lasse, wo ich nicht einmal weiß, wer er überhaupt ist und was er hier tut. Noch dazu, nachdem du vor mir weggerannt bist und dich vor mir versteckt hast. Du spinnst ja!", sagte sie fassungslos. Flehend sah ich zu Ryan. Unsere Blicke trafen sich und er verstand sofort.
Emilys Blick fixierte ihn, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper."Es reicht, wenn Nevaeh weiß, wer ich bin, wo ich herkomme und mit wem ich zu tun habe.
Mir ist klar, dass du sie beschützen möchtest, doch von mir geht hier keine Gefahr aus."
Emily starrte ihm unbarmherzig in die Augen als würde sie ihn irgendwie weiter beeinflussen wollen.
Ich beobachtete die Szene gespannt.
Schließlich wandte sie sich zu mir. Ihr Ärger war wie verraucht. Nun sah sie mich mit einer Mischung aus Sorge und Misstrauen an. Misstrauen gegenüber der Situation und Ryan.
"Bekomme ich jemals gesagt, was heute und in den letzten Tagen wirklich abging?"
Mein Atem stockte. Sie wusste, dass ich sie anlog und ihr etwas verheimlichte.
Zögernd nickte ich.
"Ich muss das alles erst einmal selbst verarbeiten und begreifen, bevor ich dir das anvertrauen kann.", erklärte ich leise.
Sie wies mit einem Kopfnicken zu Ryan.
"Hat er was damit zu tun?"
Ich nickte, sagte jedoch nicht mehr.
Emily nickte, schien aber nicht sonderlich erfreut über diese Antwort zu sein. Sie fühlte sich wahrscheinlich verraten, was ich verstehen konnte.
Ryan wusste mehr als sie und es gefiel ihr nicht, so ausgegrenzt zu sein.Sie sah mir fest in die Augen, als sie sich aufrichtete und sich von uns verabschiedete.
"Also ich mach mich dann mal wieder auf den Weg. Ruf mich an, wenn du denkst, dass du bereit zum Reden bist, oder wenn du Hilfe brauchst." Die Kälte in ihrer Stimme war noch nicht ganz verschwunden und ich hatte das Gefühl, dass ich gerade meine beste Freundin ein Stück weit von mir weggestoßen hatte.
Sie verließ den Raum und mein schlechtes Gewissen vergrößerte sich noch, als unten die Haustür ins Schloss fiel.Ich stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor ich mich zu meinem Mitwolf umdrehte.
Das alles war schwieriger als ich angenommen hatte, was der Kloß in meinem Hals bestätigte.Ryan sah mich mitfühlend an.
"Es wird schon wieder werden.", meinte er tröstend.Ich schüttelte nur den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.
"Wie kann ich verhindern, dass ich mich unkontrolliert verwandel?", fragte ich, in Gedanken noch bei vorhin.
Der Alpha warf mir einen eindringlichen Blick zu, bevor er näher kam.
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Secret of the Timberwolves
WerewolfNie hätte ich einen Fuß in diesen Wald gesetzt, wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß. Nie hätte ich vermutet, dass sie mich als Beute auswählen. Doch heute, am dritten Tag, nach meinem Krankenhausaufenthalt, bemerkte ich es erneut...