Die Nachtluft ist kalt und trocken, als wir Lorcans Versteck in einer Seitengasse verlassen und zurück auf die Straße treten. Ich habe keine Ahnung wo wir uns befinden, nachdem mich Valerian Kreuz und Quer durch das unterirdische Tunnelsystem geführt hat.
»Was hat Lorcan zu dir gesagt?«, erkundigt sich mein heutiger Partner, während wir uns vorsichtig nach ungebetenen Gästen umsehen.
»Das Übliche«, entgegne ich kurz angebunden und ducke mich hinter einen Müllcontainer, um die vorbeimaschierende Patrouille nicht auf uns aufmerksam zu machen. Mehrere Sekunden verstreichen und nichts geschieht.Ich stoße meinen angehaltenen Atem aus und folge Valerian auf das Dach eines Wohnblocks. Wind und Staub fährt mir in die Haare und Augen und bringe letztere zum Tränen. Mein schwarzhaariger Gefährte scheint unbeeindruckt. Wie ein alles vernichtender Fels steht er am Rand des Hauses und sieht in die Ferne. Ich erkenne die hellen Lichter der inneren Stadt mit ihren glitzernden, gläsernen Fassaden und balle zeitgleich die Hände zu Fäusten. Der Unterschied des Stadtkerns könnte gar nicht gravierender sein.
»Wie lange ist es her?«, höre ich Valerian flüstern und drehe mich verwundert zu den jungen Mann.
»Was her?«, erkundige ich mich misstrauisch und sehe ihn direkt an. In seinen grünen Augen liegt etwas unergründliches, während der Wind ihn das dunkle Haar zerzaust.
»Dass du etwas gegessen hast. Immerhin bist du vor Lorcan auf die Knie gegangen und hast um Verzeihung gebeten. Das hast du noch nie getan.«
»Es gibt immer ein erstes Mal«, entgegne ich emotionslos und wende mich von ihm ab und der gegenüberliegenden Mauer zu, die nur schemenhaft auszumachen ist. Dabei zermatere ich mir das Hirn, ob Valerian vielleicht Verdacht schöpfen könnte, dass ich noch Skara versorge.Gerade als das anhaltende Schweigen unangenehm zu werden droht, spricht der junge Mann weiter.
»Vermutlich hast du recht. Die Versorgungslage wird stetig schlimmer und unsere Arbeit nicht leichter. Also ... nimm. Du kannst es allem Anschein nach gebrauchen.« Ungläubig sehe ich dabei zu, wie Valerian in einen kleinen Beutel an seiner Taille greift und eine rohe Kartoffel zu Tage befördert. Sofort zieht sich mein Magen schmerzhaft zusammen, sodass ich mir unwillkürlich eine Hand auf den Bauch presse. Trotzdem erlaubt mir mein Stolz nicht nach der Kartoffel zu greifen, weshalb ich nur den Kopf schüttele.»Lorcan bezahlt mich, sobald wir wieder da sind. Wir sollten uns also beeilen. Immerhin haben wir schon genug Zeit verschwendet«, bemerke ich ablehnend und setze mich bereits in Bewegung. »Außerdem«, ergänze ich mit einem raschen Blick über die Schulter und lächele leicht, »kannst du sie ebenfalls gut gebrauchen.« Ich sehe noch Valerians anerkennenden Blick, bevor ich über das erste Hausdach hinwegsetze und zielstrebig auf die Stadtgrenze zuhalte.
Keine drei Sekunden befindet sich der eindrucksvolle Mann neben mir und springt ebenfalls über die nahe aneinander liegenden Gebäudekomplexe.»Da bist du ja endlich, Val. Ich dachte schon, du kommst heute Nacht überhaupt nicht mehr und die Drecksarbeit würde allein an mir hängen bleiben«, begrüßt uns ein hochgewachsener Rothaariger, als wir auf das letzte Hausdach aufsetzen, dass uns noch von der Mauer trennt. Ich schätze den Jungen mit Sommersprossen und Hakennase auf ungefähr fünfzehn, während ich in die Knie gehe und interessiert über die kleine Ziegelmauer Spähe. Warum Lorcan so ein ungleiches Team losgeschickt hat, will mir dabei nicht recht in den Kopf.
»Und du hast sogar noch jemanden mitgebracht. Sag, wer ist deine kleine, süße Freundin?« Ich beachte Svans Anspielung nicht einmal, während Valerian direkt in seine Falle tappt.
»Sie ist nicht meine Freundin, sondern heutige Partnerin. Lorcan hat sie uns zugeteilt.«»Lorcan, na klar«, gluckst Svan amüsiert und klopft sich auf den Schenkel, als hätte Valerian einen Witz gemacht. »Als ob du dich nicht schon ewig bei ihm einschleimen würdest, damit sie uns mal begleiten darf.«
»Pass auf, was du sagst!«, knurrt der Zwanzigjährige daraufhin erbost und baut sich drohend vor dem Jugendlichen auf.
»Sonst was?«
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We are never Safe
Science Fiction»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...