|Epilog|

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Als die Mauer fiel und Horden von Echos ins Innere der Stadt einfielen, ja sie regelrecht überschwemmten, waren wir größtenteils vorbereitet. Wir wussten welche Mordlust und Bösartigkeit tief in ihrer DNA verwurzelt war, die sie benutzen würden, um uns brutal auszurotten, bis auch dem letzten Lebenden der Gar ausgemacht worden wäre. Wir kannten die Art und Weise, wie sie beginnen würden uns abzuschlachten.
Und trotzdem … in all den Jahren hatte sich nichts verändert.

Erneut hatten wir den bestialischen Kreaturen nichts entgegenzusetzen.  Nein, sie waren nicht in der Überzahl. Aber um uns selbst stand es um ein vielfaches schlechter, als in den Jahren zuvor.
Die Menschen waren ausgehungert, alt, schwach – sterblich. Ihnen mangelte es an Kampfkraft, Wissen, Durchhaltevermögen – an Erfahrung.
Die einzigen, die uns hätten helfen können, unser Schicksal zu ändern, waren für eben jenes mitverantwortlich und schon längst verschwunden.

Ich weiß nicht, was aus Präsidentin
Hemingway geworden ist, nachdem das Defacity Catastrophe Department vollends niederbrannte. Ich weiß nicht, ob Skaras und mein Vater die Nacht überlebt hat und nun um seine restlos vernichteten Forschungsergebnisse trauert. Ich weiß nicht, wie Kenshin uns zurücklassen konnte, indem er sich vom Dach stoßen ließ. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, wem ich, außer mir selbst, vertrauen kann. Was die Zukunft bringt, wenn es überhaupt eine Zukunft für mich gibt.
Ich weiß so vieles nicht.

Nur in einer Sache bin ich mir restlos sicher. Dass die Zeit zum Sterben noch nicht gekommen ist.
Ich werde meinen Weg weitergehen. Zum Umkehren ist es für mich längst zu spät. Das bin ich den Toten und meinen Kameraden schuldig.
Mir ist egal wohin er mich führt. Mir ist egal, wenn ich für alle Ewigkeit in Dunkelheit wandeln muss und niemals im Leben die Sterne zu Gesicht bekommen werde. Mir ist egal, wenn ich nie das Ende sehen werde.
So ist es richtig. Für mich gibt es keine Erlösung, kein Lichtstrahl am Horizont, keine Vergebung, kein Entkommen. Meine Sünden wiegen bereits zu schwer. Ich habe vergessen, wer ich bin. Bin zu einem Fremden geworden und habe erst begriffen, was ich hatte, alls ich alles verloren habe. Irgendwann werde ich verschwinden. Ich werde im Nichts verblassen, doch das ist okay. Noch ist es nicht soweit. Ich habe noch Zeit.

Defacity hatte keine Zeit. Wenn wir länger geblieben wären, wüssten wir, dass die Epidemie keinen Monat dauerte, bevor die letzten Überlebenden ebenfalls mutiert und zerfleischt worden waren. Wären wir geblieben, wüssten wir, dass Dutzende Selbstmord begingen, um ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, bevor ihnen die Entscheidung abgenommen wurde. Ja, wären wir geblieben, wären wir jetzt tot.

So flohen wir noch am selben Tag in die Deathlands und tauschten ein Leben in einem Käfig gegen ein Leben auf dem Serviertablett ein. Wir werden womöglich sterben. Aber vielleicht irre ich mich auch. Denn ich lag falsch, als ich sagte, dass ich nicht an Heilung, Besserung oder gar Rettung glaube.
Besserung ist bereits eingetreten. Das erste Mal in meinem Leben bin ich tatsächlich frei. Es gibt keine Mauern mehr, die mich einschränken. Ich kann gehen, wohin ich will. Und ich bin nicht allein.

Wie bereits gesagt, ich weiß nicht, was uns erwartet und wie lange uns diese trügerische Freiheit noch vergönnt sein wird. Ich weiß nur, dass ich diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen werde.
Wir werden niemals sicher sein. Aber ganz verloren ebensowenig. Ganz tief und still in meinem Herzen spüre ich noch ein kleines Fünkchen Hoffnung.

We are never SafeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt