Geduckt schleichen wir voran, sorgsam darauf bedacht, jederzeit in Deckung zu gehen, falls jemand uns überraschen sollte. Doch abgesehen von den monotonen Beatmungsgeräuschen der Kapseln ist alles still. Zu still. Mein Herz hämmert viel zu schnell gegen meine Rippen, während wir uns weiter vorschieben, sodass ich das rhythmische Pochen bis in meinen Schädel spüren kann. Die gefangenen Menschen um uns herum bieten zusätzlich einen grotesken Anblick, der mir die Nackenhaare aufstellt. Wäre Valerian und sein Begleiter ebenfalls in ein solches Behältnis gekommen, hätten wir sie nicht befreit? Vermutlich.
Umso weiter wir kommen, desto unwahrscheinlicher erscheint es mir, dass die Regierung mithilfe dieser skurrilen Apparate versucht ein Heilmittel zu finden. Den Menschen darin sind keine Stadien des Decay-Virus anzumerken, sie sind gesund. Ihre Haut weist einen normalen Taint auf und sie spucken auch kein Blut. Ich würde aufgrund der Bilder sogar davon ausgehen, dass ihre Gehirne und die damit verbundene Hirnaktivität vollkommen intakt ist und nicht von einem Erreger angegriffen und zerfetzt wird. Die Jungen und Mädchen sind wie ich und diese Tatsache macht mir zu schaffen. Auf den ersten Blick ergibt das nämlich alles keinen Sinn. Doch wenn ich eins gelernt habe, dann dass selbst im Chaos eine gewisse Struktur steckt.
Ich gehe die Fakten noch einmal durch und betrachte dabei die Atemmasken und die Ernährungssonden. Die Regierung muss die Menschen am Leben halten, was enorme Kosten verursacht und die Anzahl der zu Ernährenden ist beträchtlich. Es muss Monate gedauert haben so viele Subjekte aus den äußeren Bezirken zu entführen, denn sie sind von draußen. Ich betrachte stirnrunzelnd die Strichcodes auf ihren Handgelenken. Die erste Zahl gibt den Sektor an. Besonders häufig ist die 1 und die 2 vertreten. Die 4 fehlt gänzlich.
Was wollen sie mit den vielen Kids? Und warum diesen Aufwand betreiben und riskieren, dass jemand das Verschwinden bemerkt?
Sie warten auf etwas. Oder warten sie auf jemanden?Wir befinden uns mittlerweile am äußersten Rand. Nur noch eine Kapsel trennt uns von der Glasscheibe. Ich spüre Ryans Hand auf meiner Schulter und sehe ihn an. Sein Blick sagt mir, dass seine Gedanken in eine ähnliche Richtung geflossen sind, wie meine. Doch auch er scheint das Rätsel noch nicht vollständig gelöst zu haben. Wir übersehen etwas. Es liegt genau vor unserer Nase, doch wir übersehen es einfach, da es uns nicht wichtig erscheint. Verdammt.
Die Regierung verhöhnt uns, meine blockierten Erinnerungen verhöhnen uns, ja selbst die vielen Kids in diesem Raum verhöhnen uns. Wir sind so nah an der Lösung und doch meilenweit entfernt.Langsam aber sicher kriecht Wut in mir hoch und ich hätte nicht übel Lust, den nächsten, der mir über den Weg läuft eine zu verpassen. Vorzugsweise die schwarzhaarige Tussi, die Ryan die Zunge in den Hals gesteckt und sich über mich lustig gemacht hat. Als ich bemerke, dass meine Gedanken in die falsche Richtung abdriften, zwinge ich mich dazu, mich zusammenzureißen. Doch als ich weitergehen möchte, hält mich Ryan zurück. Verblüfft drehe ich mich zu ihm um.
»Ich wollte mich noch bei dir entschuldigen, Lyra. Das, was in der Cafeteria passiert ist …«, beginnt er ruhig und sieht mir direkt in die Augen. Es scheint ihm wirklich ernst zu sein, trotzdem kann ich mich jetzt nicht noch mit meinen Gefühlen auseinandersetzen. Wir beide müssen konzentriert sein.
»Ryan, dass ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen.«
»Doch ist es«, widerspricht er energisch, »mit großer Wahrscheinlichkeit ist es sogar unsere letzte Chance.«Ich gebe nach, weil ich weiß, dass er recht hat und bedeute ihn fortzufahren. Wir müssten noch etwas Zeit haben, bevor Valerian die Granate zündet.
»Ich hätte mich für dich einsetzen sollen, anstatt Ava Honig um den Mund zu schmieren. Wir hätten es auch sicherlich ohne ihre Hilfe geschafft an die Arztkittel und die Masken zu kommen.« Überrascht reiße ich die Augen auf. Jetzt weiß ich wenigstens wie das dunkelhaarige Miststück heißt.»Warte. Du hast sie nur benutzt?« Er nickt und schafft es dabei wirklich verlegen auszusehen.
»Vermutlich klingt das jetzt wie eine jämmerliche Ausrede.« Ich schüttele langsam den Kopf.
»Nein, ich verstehe dich. Es stimmt zwar, dass ich sauer auf dich war, aber im Nachhinein ist mir klar geworden, dass es zu auffällig gewesen wäre, wenn du mich verteidigt hättest. Du musst dich nicht bei mir entschuldigen. Ich habe überreagiert.«
»Doch, muss ich. Ich habe über dich gelacht, als Ava dich beleidigt hat. Das tut mit leid und … Ich möchte einfach, dass du weißt, dass nichts an dir falsch ist. Und das meine ich vollkommen ernst. Okay?«
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We are never Safe
Fiksi Ilmiah»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...