Die Sirene übertönt alles. Den Wind und das zunehmende Prasseln des Regens. Selbst die hastigen Schritte der Menschen, die vor wenigen Minten noch ihrem normalen Alltag nachgegangen sind und jetzt so schnell sie ihre Beine tragen können ins erstbeste Gebäude flüchten. Ich verstehe nicht, was um uns herum geschieht, spüre nur das aufflammende Gefühl von Panik, welche das heulende Geräusch bewusst in mich publizieren soll und seine Wirkung nicht verfehlt. Ich bin wie gelähmt. Meine Füße sind bleischwer und scheinen fest mit dem Gras verwoben.
»Was machst du denn da, Lyra?«, herrscht mich Ryan an und packt mich am Handgelenk. »Wir müssen schnellstmöglich verschwinden!« Er zieht mich einfach mit sich. Sprintet mit mir durch den prasselnden Regen, ohne mich über dieses merkwürdige Verhalten aufzuklären. Ich habe keine Ahnung wohin er möchte oder vor wem oder was überhaupt wir flüchten. Klar ist nur eins: Wir sind die letzten auf offener Straße. Alle anderen scheinen sich in Luft aufgelöst zu haben. Diese Stadt wird mir immer merkwürdiger und ich wünsche mich das erste Mal zurück in meinen Distrikt. Da wusste ich immerhin was, was mich erwartet.
Ich war abgelenkt, was mir in letzter Zeit öfter passiert. Denn wir biegen gerade um eine Hausecke, als ich den Halt verliere. Der feine Wasserfilm hat die Straße rutschig gemacht, sodass ich keine Chance habe. Ich pralle gegen Ryans Rücken, der abprubt stehen geblieben ist und schramme mir den Ellenbogen auf. Der blonde Mann zischt ebenfalls vor Schmerz und reicht mir dann eine Hand um mich hochzuziehen. Gleichzeitig drängt er mich zurück.
»Wir müssen einen anderen Weg nehmen«, brummt er ungehalten und schlägt eine andere Richtung ein. Erst nach zwei Metern bemerkt er, dass ich ihm nicht folge.
Ich bin viel zu entsetzt von dem, was sich direkt vor meinen Augen abspielt.Es sind mindestens fünf Männer. Fünf Männer in gelben Sechenschutzanzügen, die über einer zusammengesunkenen Gestalt stehen. Zwei drehen die Person auf den Rücken und beginnen damit sie zu fesseln. Die Gestalt wehrt sich nicht. Scheint betäubt, obwohl ich das nicht beurteilen kann. Immerhin kann ich ihr Gesichter nicht erkennen, dafür ist der Regen mittlerweile zu stark. Alles verschwimmt zu einer einzigen schlierigen Masse. Doch die Anspannung ist greifbar. Einer der Männer sieht in unsere Richtung, doch da hat mich Ryan schon längst zurückgerissen.
»Bist du lebensmüde?!«, blafft der Blonde, was beinahe gänzlich untergeht. Ich muss ebenfalls schreien um den Regen zu übertönen, der uns mittlerweile bis auf die Knochen durchnässt hat. Gänsehaut überzieht mich, während das kalte Wasser in jede Pore vordringt, sodass meine Zähne klappernd aufeinanderschlagen.
»Wie sollte ich, wenn ich nicht einmal weiß, was das hier zu bedeuten hat!« Er antwortet mir nicht. Dafür umklammert er fest meinen Oberarm und dirigiert mich scheinbar wahllos durch die ausgestorbenen Straßen. Schweigend lasse ich diese Prozedur über mich ergehen, bis er die Tür von einem Hauseingang aufreißt und mich ohne Kommentar hineinschieben möchte.»Stopp.« Ich reiße mich von ihm los und funkle ihn zornig an. Obwohl es mir lieber wäre ins Warme zu kommen, bleibe ich standhaft. Immerhin habe ich schon wieder keine Ahnung, wohin er mich bringen wird. Er wohnt schließlich im DCD und nicht in einem Wohnblock.
Als Ryan einen Schritt auf mich zumachen möchte, trete ich zurück und verschränke bockig die Arme vor der Brust. Das hat außerdem den Vorteil, dass es leicht das Zittern meines Körpers unterdrückt, was den Nassen Klamotten zu verdanken ist.
»Verdammt nochmal. Kannst du nicht einmal tun, was ich dir sage?«, knurrt er verärgert.
»Wie sollte ich, wenn du nichts sagst.«Ryan ist kurz davor mir an die Gurgel zu gehen, während ich mich frage, warum ich überhaupt noch bei ihm bin. Er hat mir die ganze Scheiße überhaupt erst eingebrockt und das scheint er nicht einmal sonderlich zu bedauern. Er hat sich noch nicht einmal für seinen Verrat entschuldigt. Nein, er verurteilt mich sogar für das, was ich bin. Raphael Farangs Tochter. Und wäre ich die nicht, dann …
»Sie hätten mich töten können«, platzt es aus mir heraus, bevor ich es aufhalten kann. Ryan verzieht keine Mine, doch ich erkenne, dass er mich sehr wohl versteht. »Wäre ich nicht Farangs Tochter, wäre ich schon längst tot! Sie hätten mich einfach umgebracht. Du bist wirklich der selbstsüchtigste Wichser, der mir je untergekommen ist!« Ohne mit der Winper zu zucken, hätte er mich für seine Deckung und seinen Auftrag geopfert. Es muss ihn insgeheim wurmen, dass ich noch immer unter den lebenden weile.
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We are never Safe
Science Fiction»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...