|Kapitel 47 - Endlichkeit|

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»Warte, Lorcan«, murmele ich eindringlich und unterbreche ihn mitten in der Bewegung. Mir ist eiskalt und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, als ich den Gedanken laut ausspreche, der mir unvermittelt gekommen ist. »Du hast doch die Regierungsoldaten, die dich umbringen wollten getötet, oder?«
»Natürlich habe ich das«, kommt die grollende Antwort.
»Hast du sie erschossen?«
»Ja.« Mit wird noch kälter. Vorbei ist es mit der puren Gleichgültigkeit. Ich drehe meinen Kopf vorsichtig zu ihm um. Er thront über mir, eine Rute fest in beiden Händen. Sein Gesicht wirkt auf den ersten Blick ausdruckslos, doch da ist noch mehr. Er hat die Stirn in Falten gelegt und wartet ab. Irgendetwas in meiner Stimme scheint ihn beunruhigt zu haben. Schließlich blitzen seine dunkeln Augen auf. Er weiß es, denke ich. Er weiß, dass du es weißt. Ich spreche es trotzdem laut aus.

»Wo sind die Leichen? Und wie kommt es, das hier nirgends Blut zu finden ist? Nicht an deinen Wachen, nicht auf dem Boden und nicht mal an deiner Kleidung.« Die Stimmung schlägt unvermittelt um. Wenn ich es beschreiben müsste, würde ich sagen, dass sich ein dunkler Schleier aus Hass und etwas undefinierbar Bösem um uns legt. Es raubt einem schier den Atem. Aber das scheint nur auf Ryan und mich zuzutreffen. Lorcan grinst breit.

»Die ersten sind einfach gurgelnd umgefallen. Haben teilweise sogar noch gelächelt. Die nächsten Gesichter waren teils erstaunt und fassungslos, als sie realisiert haben, was mit ihnen geschehen wird. Tja und Valerian? Der hat wirklich versucht mich aufzuhalten. Hat gekämpft wie ein wildes Tier, um seine Leute zu beschützen. Doch letztendlich ist er auch nur ein verdammter Schwächling. Er hat jämmerlich versagt.« Nein!

»Du ... Ich mach' dich kalt du beschissener Mörder!« Ich springe Lorcan wutendbrannt an die Kehle und schaffe es tatsächlich ihn zu erwischen, bevor er mir seine Faust in den Magen schmettert. Er trifft die angeknackste Rippe und ich schreie gellend auf. Der Schmerz schießt brennend heiß durch meine Glieder und Sterne tanzen bereits vor meinen Augen, als mich ein fester Tritt die Stufen hinunter befördert, die ich heute bereits kennenlernen durfte. Dieses Mal fängt mich Ryan nicht. Ich knalle mit meinem gesamten Körpergewicht auf den Boden. Irgendwie schaffe ich es, mich halbwegs abzurollen, so dass nichts weiter bricht. Hätte ich mir jetzt ein Bein gebrochen, würde das mein Todesurteil bedeuten.
Ryan brüllt meinen Namen und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er dafür einen Hieb mit seiner eigenen Waffe gegen den Kopf bekommt. Er bricht bewusstlos zusammen und wird fortgeschleppt.

»Rya- aah!«
Mein Kopf wird unvermittelt in den Nacken gerissen, sodass ich stöhnend gezwungen bin Lorcan direkt ins Gesicht zu sehen. Die schwarzen Linien, die eine Landkarte auf seiner Haut bilden, sind grotesk verzogen und dicke Adern treten an seinen Schläfen hervor.
»Du solltest dir nicht um andere Gedanken machen. Das wäre sinnlos. Du bist in weit größerer Gefahr, als er. Du willst mich töten? Lächerlich. Denn weißt du was? Ich bin einfach viel stärker als du.« Dann schlägt er mir wie zum Beweis ins Gesicht. Ich fühle wie meine Lippe aufplatz und Blut aus meiner Nase sprudelt. Dann explodiert ein Feuerball hinter meiner Stirn. Fast hätte ich mir ein Stück meiner Zunge abgebissen. Aber nur fast.
Ich reiße meine Arme hoch und stoße kräftig in seine linke Achselhöhle, während ich mit der anderen mein Gesicht schütze. Sein Arm erschlafft und meine Haare kommen frei. Ich reiße mich von ihm los und komme schwankend zurück auf die Beine.

»Nicht schlecht. Kenshin hat dir echt was beigebracht«, murmelt Lorcan und beugt prüfend seinen getroffenen Arm. Es wird ihn nicht lange behindern, während ich bereits aus dem letzten Loch pfeife. Wenn ich gewinnen will, muss ich jetzt aufs Ganze gehen - ungerührt der Schmerzen. Ich wische mir das frische Blut am Ärmel ab und stürze mich auf ihn.
Er geht sofort in Verteidigungshaltung. Ich täusche einen Schlag gegen sein Kinn an, um mich dann seiner rechten Kniescheibe zuzuwenden. Doch so leicht lässt er sich nicht täuschen. Lorcan dreht sich zur Seite ab und versucht einen Treffer an meiner verletzten Rippe zu landen, die bereits wie Feuer brennt. Ich weiche aus, doch genau damit hat er gerechnet. Er taucht blitzschnell ab und erwischt mich mit dem Fuß in den Kniekehlen. Meine Beine geben unter mir nach. Ich fange mich mit den Unterarmen ab, anderenfalls hätte ich mir wohl das Gesicht zertrümmert.

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