|Kapitel 22 - Fürsorge|

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Ich denke nicht eine Sekunde daran zu Ryan zurückzukehren. Dieser launische Vollidiot kann mich mal kreuzweise und ich werde mich jetzt ganz sicher nicht wie eine Verhungernde an ihn ran schmeißen.  Lieber besorge ich mir meine Antworten selbst. Und diese dämliche Mitleidstour kann er sich getrost sparen. Noch mal falle ich ganz sicher nicht auf ihn herein. Vermutlich hat er mich weggeschickt als er kapiert hat, dass ich ihm nichts brauchbares sagen konnte und nur er Informationen über sich preisgibt. Wütend verstärke ich die Mauer um mein Herz. Wäre doch gelacht wenn ich diesem dahergelaufenen Arschloch auch nur etwas Mitgefühl entgegen bringe. Da hat er sich aber gewaltig geschnitten.

Ich bemerke erst wo ich mich befinde, als ich die Tür des Juweliergeschäftes öffne. Der Mann hinter der Ladentheke erkennt mich sofort und lächelt milde. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich keine Ahnung habe wie spät es eigentlich ist. Vielleicht bin ich zu früh?
»Ah, da sind Sie ja. Sie kommen gerade richtig, ich bin gerade eben fertig geworden.« Erleichtert trete ich näher und begutachte das sauber gearbeitete Schmuckstück. Wie versprochen hat er das Medaillon graviert und ein Bild von Wellen hineingelegt.
»Danke. Es ist perfekt geworden.« Hoffentlich gefällt es Skara.

Zunächst möchte ich die Kette einfach einstecken, doch ich möchte das einzige Geschenk an meine Schwester nicht verlieren. Also lege ich sie mir kurzerhand um. So verliere ich sie auf keinen Fall.
»Sie steht Ihnen«, murmelt der Ladenbesitzer leise und wirkt auf einmal reichlich schuldbewusst. Hier stimmt etwas nicht. Das wusste ich schon, als ich den Laden betreten habe. Er verschweigt mir etwas. Nur was? »Sie müssen verstehen, dass ich nichts gegen Sie habe. Doch meine Familie ist mir wichtig. Ich hatte keine Wahl. Er ist ein gefürchteter Mann und er spaßt nicht.« Wovon spricht er? Was hat er getan? Bei mir schrillen alle Alarmglocken und eiskalte Finger legen sich um meinen Nacken. Ich trete unruhig von einem Bein auf das andere.

»Warum sagen Sie das?« Ich sehe mich aufmerksam um, doch ich entdecke keinen weiteren Ausgang. Außerdem weiß ich nicht, ob nicht im Hinterzimmer jemand auf mich wartet, sollte ich einen Fluchtversuch wagen. Haben mich die Typen heute Nachmittag vielleicht doch erkannt? Wollen sie mich jetzt töten?
»Damit Sie verstehen, warum ich es getan habe. Es tut mir leid.« Und das glaube ich ihm sogar. Trotzdem hält mich nichts mehr.
Ich reiße mit Schwung die Tür auf und hoffe wenigstens so das Überraschungsmoment auf meiner Seite zu haben. Doch weit gefehlt. Ich pralle direkt gegen eine breite Brust, dann umschließen mich auch schon Hände.

Zappelnd schlage ich um mich und versuche mich zu befreien.
»Lyra. Es ist alles gut. Beruhige dich doch.« Nichts ist gut, würde ich am liebsten zurückschreien, doch ich tue es nicht. Vermutlich würde mich dieser Ausruf nur noch tiefer in die Scheiße manövrieren. Also reiße ich mich zusammen und trete einen Schritt von Raphael zurück. Dieser hat wieder seine typische Vatermiene aufgesetzt und lächelt mich nun entschuldigend an. »Tut mir leid. Ich hätte dich nicht so erschrecken dürfen.« Er besitzt das Talent reichlich zerknirscht dreinzublicken.
»Was machst du hier?«, entfährt es mir bevor ich mich bremsen kann.

Am liebsten hätte ich das zurückgenommen, denn Farangs Züge verhärten sich nun merklich.
»Na was wohl? Ich habe mir den ganzen Tag Sorgen um dich gemacht, nachdem du deinen Aufpassern entwischt bist«, erklärt er mir vorwurfsvoll und zeigt auf die zwei Typen, die ihn flankieren. »Dir hätte sonst was passieren können. Sie sollten dich beschützen. Und wie siehst du überhaupt aus? Du bist völlig durchweicht und zitterst am ganzen Leib. Warum hast du dich nirgendwo untergestellt?« Wenn er sich noch mehr um mich sorgt, bleibt mir wohl kaum eine Wahl im das Schauspiel abzunehmen. Aber seine Vorwürfe kann er sich sparen.

»Ich brauche keine Babysitter, die hatte ich schließlich die ganze Zeit nicht«, widerspreche ich energisch und sehe die Verunsicherung der beiden Typen neben meinem Vater. Beide halten die Luft an.  Anscheinend sind sie es nicht gewohnt, dass jemand Raphael so offen die Stirn bietet. »Außerdem kann ich sehr wohl auf mich selbst aufpassen. Das gänge aber bei weitem besser, wenn mich mal jemand über diesen dämlichen Alarm aufgeklärt hätte.« Vermutlich bin ich zu weit gegangen. Die Gesichter der beiden Männer sind vor Angst erstarrt. Doch ich gebe nicht kleinbei. Trotzig recke ich mein Kinn.

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