|Kapitel 18 - Verbündete|

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»Du wirst seit geraumer Zeit verfolgt.«
»Erzähl mir zur Abwechslung mal etwas, was ich noch nicht weiß. Zum Beispiel was du hier verdammt noch mal machst und warum ich dir nicht hier und jetzt den Hals umdrehen sollte!« Reeves packt meinen Arm fester und bugsiert mich gekonnt durch die Menschenmassen.
»Dafür haben wir später noch Zeit. Jetzt sollten wir erst einmal deine Anhänger loswerden.«
»Anhänger? Du meinst wohl Raphaels Schoßhündchen. Und die Zeit werde ich mir nehmen, verlass dich darauf.« Er geht nicht näher darauf ein, sondern sucht konzentriert die Umgebung ab. Der kann sich auf was gefasst machen, sobald wir allein sind! »Plan?«

Ich sehe zu meinen beiden Leibwächtern, die sich weiterhin normal geben. Anscheinend ist ihnen Reeves im allgemeinen Gedrängel nicht weiter aufgefallen.
»Ich lasse dich jetzt los und gehe einige Schritte vor. Sobald du um die nächste Ecke biegst rennst du los. Wir haben dann ein Zeitfenster von genau zehn Sekunden, bis sie deinen Fluchtversuch bemerken. Bis dahin sind wir aber bereits über alle Berge.«
»Klar. Hör auf mit dem Gelaber und fang endlich an«, brumme ich gereizt. Reeves knurrt leise, geht aber wie besprochen einige Schritte vor mir weiter. Die Hände hat er locker in den Taschen seines Pullovers vergraben. Im Kopf zähle ich leise die Sekunden herunter, als ich scheinbar willkürlich um die nächstgelegene Ecke schlendere.

Doch sobald ich außer Sichtweite bin setze ich zum Sprint an. Ich stoße zu Reeves, als ich bei sieben Sekunden bin und hechte mit ihm gemeinsam die Straße entlang.
»Noch drei!«, schreie ich ihm zu, da zieht er mich auch schon in einen Hauseingang und schlägt die Tür hinter uns zu. Gemeinsam lauschen wir nach meinen Verfolgern und den damit verbundenen Radau, der mit meinem plötzlichen Verschwinden zusammenhängt. Kaum bricht Gebrüll los, überrumpelt mich Reeves zum zweiten Mal an diesem Tag. Seine rechte Hand schließt sich unerbittlich um meine Kehle und ich spüre das kalte Mauerwerk des Treppenhauses in meinem Rücken.

»Wer bist du wirklich?«, knurrt er wütend. Der Blick in seinen Augen ist gnadenlos, der eines Killers und ich bezweifle keine Sekunde, dass er seinen Augen alle Ehre machen wird. Trotzdem hat er sich gewaltig geschnitten, wenn er glaubt, ich würde ihm meine Lebensgeschichte auf dem Silbertablett servieren.
»Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst«, stelle ich mich stur. Seine Lippen verwandeln sich zu einem dünnen Strich. Der muskulöse Mann drückt fester zu und schnürt mir die Luft ab.
»Hör auf dich dumm zu stellen. Du bist Farangs Tochter, eindeutig. Und es wäre verdammt nochmal besser für dich, wenn du mir jetzt sagst, warum du mir dieses wichtige Detail verschwiegen hast!«

»Wäre ja nicht so, als ob du mich gefragt hättest«, krächze ich aufgebracht, sobald ich wieder genug Luft in meine Lungen pumpen kann. »Letztendlich geht dich das auch einen Scheiß an!« Reeves lacht trocken und fixiert mich dann, als wäre ich ein widerliches kleines Insekt, was sich in sein Essen verirrt hat.
»Gut, dann formuliere ich meine Frage noch einmal anders. Du bist ein Schatten, eine Kriegerin aus Distrikt 2, die wahrscheinlich besser mit einem Schwert als mit Besteck umgehen kann und gleichzeitig die Tochter eines hochkarätigen Wissenschaftlers aus der inneren Stadt. Du tauchst halsüberkopf bei mir auf und willst mich zu Lorcan bringen. Dann wirst du geschnappt, treibst psychospielchen mit einer Psychologin und marschierst, gepflegt wie eh und je, zu einem fröhlichen Shoppingtrip in die Stadt. Da stellt sich mir doch die Frage, was zum Teufel hier gespielt wird?!«

»Ach und ich dachte, dass wüsstest du schon längst. Wundert mich, dass Mr Hirnverbranntes-Arschloch noch nicht die gesamte Wahrheit erkannt hat und kleine Mädchen foltern muss«, höhne ich. Die Wut in Reeves Gesicht nimmt zu. Seine Hand zittert gefährlich und ich weiß, noch ein Schlag unter die Gürtellinie und er vergisst sich ganz. Er steht kurz davor die Kontrolle über sich zu verlieren. Doch dann, völlig überraschend, lässt er von mir ab und tritt einen Schritt zurück. Die Hände hat er in den Taschen seiner Jeans vergraben.
»Hör zu, ich möchte nur begreifen, wie du zu deinem Vater und zu Lorcan stehst. Ich möchte wissen, ob ich dir vertrauen und in Zukunft auf dich zählen kann. Aber dazu musst du mir sagen, auf wessen Seite du stehst. Freund oder Feind?«

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