|Kapitel 21 - Antworten|

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Ich warte schweigend auf Ryans Rückkehr. Im Gegensatz zu seiner vorherigen Annahme braucht er geschlagene zwanzig Minuten bis er zurück kommt. Ich bin schon bereit ihn deswegen Anzufahren, als mir der offensichtliche Grund für seine Verspätung ins Auge sticht. Seltsamerweise schäme ich mich sofort für meine wütenden Gedanken.
»Tut mir leid, dass du warten musstest«, entschuldigt er sich auch noch just in diesem Moment, obwohl es dafür keinen Grund gibt. Das Blut, welches den grauen Stoff seines Shirts am Rücken durchtränkt, spricht schließlich Bände.

»Lass mich mal sehen. Vielleicht kann ich dir helfen«, kommt es aus meinem Mund, bevor ich mich zurückhalten kann. Ich bin ebenso verwirrt über mich selbst, wie Ryan. Schließlich hat es mich vor zwei Tagen auch noch nicht gekümmert, wie es um sein körperliches Wohlbefinden bestellt ist. Mein Gott, vor einer Stunde wäre ich ihm am liebsten noch an die Gurgel gegangen und jetzt möchte ich dem Verräter auch noch helfen. Ich muss wirklich vollkommen wahnsinnig geworden sein. Andererseits ist Ryan im Moment der einzige, dem ich wenigstens halbwegs vertrauen kann, da er weder Farang noch Staatsoberhaupt Hemingway hörig ist. Seine Loyalität gilt alleinig seinem jüngeren Bruder Fenix. So ungern ich es auch zugebe, das haben wir gemeinsam. Für Skara würde ich gegen die gesamte Welt allein in den Kampf ziehen. Für sie würde ich sterben.

»Ja, vielleicht kannst du das«, murmelt er und zögert keine weitere Sekunde. Er holt einen Verbandskasten aus dem Badezimmer und setzt sich dann neben mich auf die Couch. Ryan verzieht unmerklich das Gesicht als er sich des störenden Stoffs entledigt und mustert mich dann intensiv. Es fällt mir schwer nicht die Fassung zu verlieren als mir die Landkarte aus Schmerz und Qual ins Gesicht sticht, welche sein Rücken bildet. Narben, mal verblasst und unscheinbar, mal wulstig und überdeutlich zu erkennen, überziehen seine sonst so ebenmäßige Haut. Die blutenden Striemen scheinen erst frisch zu sein. Vermutlich hat sie dieser alte Ratssack Ryan erst vor wenigen Stunden verpasst. Bei dem Gedanken keimt Übelkeit und Mitgefühl in mir auf. Nur mit Mühe schaffe ich es keine Miene zu verziehen. Er muss Höllenqualen durchlitten haben und unwillkürlich frage ich mich, wie viel Schmerz ein Mensch ertragen kann, ohne daran zu zerbrechen.

»Ich sollte sie zuerst desinfizieren«, erkläre ich mit gesenkter Stimme und reiße eine Packung mit Desinfektionstüchern auf, die in dem grünen Kasten gelegen haben. »Das wird jetzt weh tun.«
»Nicht mehr, als ohnehin schon«, kommt die resignierte Antwort von Ryan. In diesem Augenblick wird mir klar, dass die seelischen Schmerzen weit aus höher liegen als die körperlichen. Der blonde Mann sieht mich nicht länger an. Doch es ist so still, dass ich seinen flachen Atem hören kann.

Vorsichtig betupfe ich die verletzten Stellen auf Ryans geschundener Haut. Er zieht scharf die Luft ein und ein Frösteln geht durch meinen Körper. Warum nimmt mich das alles nur so mit? Es muss an diesem ganzen Stress liegen, an der Situation, beschließe ich knapp.
»Als nächstes solltest du die Salbe auftragen. Dadurch heilt es schneller«, flüstert Ryan und reißt mich somit aus meiner Starre. Ich habe überhaupt nicht bemerkt, dass ich seinen Rücken schweigend gemustert habe.
»Tut mir leid.« Sorgfältig tauche ich meine Finger in die streng nach Kräutern riechende Paste und verteile sie auf der verletzten Haut.

»Schon gut.« Er seufzt tief. »Ich bin es gewohnt, dass mich alle deswegen anstarren.« Die größte Wunde verläuft über sein rechtes Schulterblatt diagonal zur linken Seite. Das Metall ist tief eingedrungen.
»Alle?« Ryan schweigt. Ihm scheint erst jetzt bewusst zu sein, dass er sich verplappert hat. Aber ich bin nicht bescheuert. Ich weiß, dass er von seinen Bettbekanntschaften spricht. Warum sollten sie ihn auch sonst abnehmen, dass er mit mir geschlafen hat, wenn er dies nicht öfters tut? »Ist ja auch egal. Du kannst schließlich machen, was du willst. Du bist mir genauso wenig Rechenschaft schuldig, wie ich dir«, wiegele ich schnell ab, bevor er sich noch in den Kopf setzt, dass ich auch nur ansatzweise an ihm interessiert bin. Bin ich nämlich nicht. Egal wie attraktiv er auch sein mag, ich kann es mir nicht leisten mich an einen weiteren Menschen emotional zu binden. Die Mauer um mein Herz ist unerschütterlich.

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