Ich bin kein besonders religiöser Mensch. Na gut, eigentlich bin ich überhaupt nicht religiös. Kein bisschen. Wie könnte ich auch?
Jeden Tag sterben dutzende Männer und Frauen bei dem Versuch ihre Familie zu beschützen. Sie setzen ihr kümmerliches Leben aufs Spiel und erreichen letzendlich nichts. Ist das etwa gerecht? Ist der Tod etwa die Gnade Gottes?
Verdammt, jeden Tag verhungern wehrlose Kinder oder werden, um diesen Schicksal zu entgehen in den Strudel der Kriminalität gesogen! Ist das etwa fair? Sie können einen Scheiß dafür, dass sie in dieses Leben geboren wurden. Sie können einen Dreck für die Fehler, ihrer Vorgänger. Sie sind vollkommen unschuldig und trotzdem wird gerade ihnen das schwerste Los zuteil.Doch das reicht noch nicht, was lieber Gott? Denn jeden Tag breitet sich das Virus noch ein Stück weiter aus, um den Rest der Überlebenden zu befallen, bis niemand mehr übrig ist. Bis sich die abscheulichen Kreaturen auch noch den letzten Funken Menschlichkeit einverleibt haben.
Also wie könnte ich an eine höhere Macht glauben? An eine höhere Macht, die nichts gegen diese Ungerechtigkeit unternimmt und tatenlos dabei zusieht, wie die Welt vor die Hunde geht? Wie?Aber Gottes Wege sind ja bekanntlich unergründlich. Ich frage mich manchmal, ob er sich auf seinem unergründlichen Weg nicht verirrt hat.Denn eines ist klar: Niemand wird uns helfen. Wir sind auf uns selbst gestellt und dazu verurteilt uns selbst zu helfen. Gott. Das ich nicht lache. Es gibt keinen Gott. Keinen allmächtigen Herrscher, der uns kleinen und unbedeutenden Menschen über die Schulter sieht und traurig mit den Kopf schüttelt. Es kann ihn gar nicht geben. Nicht solange unschuldige Kinder draufgehen und wir in permanenter Angst leben. Nicht solange die Echos noch unter uns weilen.
Und selbst wenn ich mich irren sollte und die Gläubigen gegenüber seiner Existenz Recht behalten sollten, was ändert das an unserer Lage? Richtig. Rein gar nichts. Denn Gott hat uns bereits vor langer Zeit verlassen. Er hat uns den Rücken gekehrt. Für immer. Und kein Gebet der Welt kann daran etwas ändern.Nein, kein Gebet. Aber Taten und ein ungebrochener Wille. Das hat Kenshin mir beigebracht. Solange ich noch atmen kann, kämpfe ich. Und ich atme noch.
»Niemals«, stoße ich mit fester Stimme aus und stemme mich trotz bestialischen Schmerzen in meinem Bauch gegen die Fesseln. Sie schneiden mir unerbittlich in die Haut, doch ich gestatte es mir nicht nachzulassen. Mein Blick ist hasserfüllt, trotz der aufsteigenden Tränen. »Nicht in hundert Jahren! Mich bekommt ihr nicht für euer Experiment!«
»Zwecklos«, wirft Raphael genervt ein, was meine Wut noch weiter anstachelt. Verbissen zerre und winde ich mich weiter, immer die Spritze in Farangs rechter Hand vor Augen. Die durchsichtige Flüssigkeit und ihre Auswirkungen auf mich hängt unheilverkündend über mir. Wenn er es schafft mich damit zu betäuben, ist es aus. »Gib auf. Egal wie sehr du dich auch anstrengen magst: Für dich gibt es ebensowenig Hoffnung, wie für deinen blonden Freund. Du wirst ebenso zu unserer Armee gehören und uns die Freiheit schenken wie Reeves.«Ryan. Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus sobald ich seinen Namen höre, das ich nicht recht einordnen kann. Nur eins weiß ich: Es gefällt mir nicht.
Farang kommt langsam auf mich zu. Ich habe nur noch Sekunden, bis er mich erreicht, doch langsam scheint sich der Gurt um mein rechtes Handgelenk zu lockern. Gut so. Nur noch ein Stück. Ein kleines bisschen ...
»Ihr Menschen aus Distrikt 2 seid doch alle gleich«, schnaubt Hemingway plötzlich. Die Kälte in ihrer Stimme ist wie immer prägnant, doch glaube ich, auch unterschwellige Wut mitschwingen zu hören. »Ihr glaubt das Richtige zu tun und folgt dabei einer ausgebrannten Seele, einer leblosen Hülle. Ihr bestehlt, bedroht und ermordet eure Mitmenschen, nur weil es euch ein einzelner Mann befiehlt. Und wofür? Was bietet euch Lorcan, dass ihr bereit seid für ihn zu sterben und sein sorgsam aufgebautes Lügenkonstrukt zu übersehen?«Ich lasse meinen Körper wieder erschlaffen, obwohl mir das Herz bis zum Hals klopft und starre Hemingway schwer atmend an.
»Sagen Sie's mir? Wieso folgen Ihnen Ihre Untergebenen in den Untergang? Was unterscheidet Sie von Lorcan? Was gibt Ihnen das Gefühl besser zu sein als er?« Sie antwortet nicht. Starrt mich nur mit verbissener und uneinsichtiger Miene an. Fasst. Nur noch ein kleines Stück … geschafft!
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We are never Safe
Ciencia Ficción»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...