»Ich bin froh zu sehen, dass es dir wieder etwas besser geht. Komm doch bitte rein und setz dich schon mal auf die Couch«, erklärt Ms Bright fröhlich und strahlt über das ganze Gesicht, als sie mir die Tür öffnet. Heute versucht sie also die nette Tour, doch nach ihrem kleinen Gespräch mit Farang täuscht sie mich nicht mehr. Unter ihrer hübschen Fassade schlummert eine grausame Frau, da ändert auch ihre Blümchenbluse und der violette Rock nichts. »Und mach es dir ruhig gemütlich. Wir sind hier ganz unter uns.« Na klar! Als ob nicht tausende Wanzen und Kameras in diesem Raum versteckt wären.
Ich erwidere nichts, sehe sie nicht einmal länger an und komme ihrer Anweisung ungerührt nach. Die beiden Muskelprotze, die mich erst abgeholt und zu ihr begleitet haben, würden auch jeden Fluchtversuch unterbinden. Sie haben nicht ein Wort gesprochen, als sie mich eskortiert haben.
Das Sofa lässt mich zwischen seinen vielen kitschigen pinken Zierkissen beinahe komplett versinken. Ms Bright setzt sich in einen grünen Sessel.»Möchtest du vielleicht einen Tee?«, fragt sie weiter, was ich unbeantwortet lasse. Stattdessen sehe ich mich aufmerksam in ihrem kleinen Zimmerchen um. Die Wände sind gelb gestrichen und mit einigen Landschaftsfotografien bestückt, die eine beruhigende und freundliche Atmosphäre implizieren sollen. An der rechten Wand steht ein überquellendes Bücherregal und eine Kommode mit kunstvollen Figuren und Nippes. Gegenüber ist eine Küchenzeile, auf der bereits ein Teekessel vorbereitet ist. Keine Messer. Der Glastisch zwischen uns ist abgesehen von einer Packung Taschentücher leer und steht auf einem orangenen Teppich. Langsam aber sicher beschleicht mich der Verdacht, dass die liebe Frau Doktor an einer gewaltigen Geschmacksverirrung leidet. Nirgends sehe ich Stifte oder spitze Gegenstände.
»Wie wäre es mit einem Sandwich? Ich habe dich ja leider vom Frühstück abgehalten.« Sie wartet meine Antwort nicht einmal ab, steht auf und holt einen fertigen Teller mit besagten Sandwiches hervor. Dabei lächelt sie mich an, wie eine Großmutter ihre lang verschollene Enkelin. Ihr ganzes Auftreten ist falsch und gezwungen und ich frage mich unwillkürlich, ob es für sie genauso offensichtlich ist wie für mich. Die Brote sind mit Käse belegt, die Rinde ist sorgfältig abgeschnitten. So wie es Mom immer gemacht hat. Natürlich wissen sie davon. So wie sie alles über mich wissen.
Ich greife nicht danach, sondern verschränke lediglich die Arme vor der Brust. Schließlich weiß ich nicht, ob sie mir nicht schon irgendetwas darunter gemischt hat, was mich für die nächsten Stunden ins Traumland schießt. Ihre makellose Fassade bekommt einen kleinen Riss, als sie mich mit einem strafenden Blick bedenkt und seufzt. »Weißt du, warum du hier bist?«
»Ich schätze, dass werde ich gleich erfahren«, knurre ich und versuche gar nicht erst meinen Unmut über die ganze Sache zu vertuschen. Eigentlich sollte ich jetzt Vorbereitungen für unsere Flucht treffen und meinen Vater aufsuchen. Doch wie gesagt, die Frau Doktor könnte zum Problem werden.»Ich habe Präsidentin Hemingway gebeten, an ihrer Stelle mit dir sprechen zu dürfen. Mich über deine gesundheitliche Verfassung zu erkundigen, um …« Phase II besseren Gewissens zu starten.
»Mir geht es bestens«, fahre ich ihr über den Mund, bevor sie mir die nächste Lüge auftischen kann. »Ich brauche keine Seelsorgerin, die mit mir Händchen hält und beteuert, dass alles wieder gut werden wird. Denn es wird nie wieder gut werden! Kapieren Sie das? Nichts wird jemals wieder gut werden und daran können Sie rein gar nichts ändern, egal, was sie mir versprechen.« Ich fahre durch mein deutlich kürzeres Haar, um mir ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht zu streichen.»Ich mache keine Versprechungen, Lyra, und ich bin auch nicht dafür zuständig deine Hand zu halten, wie du es so treffend formuliert hast«, stellt Ms Bright ohne jeglichen Ärger fest und überrascht mich somit. Doch wahrscheinlich wäre sie nicht so gut in ihrem Job, wenn sie bei der ersten Provokation gleich die Nerven verlieren würde.
»Dann bin ich ja beruhigt.«
»Das hoffe ich doch, denn ich bin die letzte Person, vor der du dich fürchten musst. Ich bin für dich da, verstehst du? Du kannst mir vollkommen vertrauen.«
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We are never Safe
خيال علمي»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...