Der Knall zerfetzt mir schier das Trommelfell und alles, was ich höre ist zunächst ein hoher Piepton. Wild rauscht das Blut noch durch meine Adern, als ich die bleischwere Waffe erst sinken und dann zu Boden fallen lasse.
»Zufrieden?«, knurre ich beherrscht und starre in Valerians weit aufgerissene Augen, die gefüllt mit rasendem Zorn sind. Hätte er keinen Knebel im Mund, ich glaube, er hätte geschrien. Selbst jetzt noch, nachdem ich abgedrückt habe. Er würde mich anschreien.
»Das bin ich durchaus. Gut gemacht.« Pearson steckt seine Kanone weg und hebt die andere auf. Er grinst mich locker an und ich wende mich vor Abscheu ab. Betrachte wie sich das helle Rot einen Weg über Valerians Stirn bahnt und von seinem stoppeligem Kinn zu Boden tropft.Das gibt einen blauen Fleck und höllische Kopfschmerzen so viel ist sicher. Als ich seinem hoffnungsvollen Blick begegne, schüttele ich unmerklich den Kopf. Nein, ich habe es nicht gewusst. Ich hätte dich erschossen. Alles in mir schmerzt so sehr, dass ich Valerian nicht länger ansehen kann, dessen Miene zu Stein erstarrt.
»Sie hätten mir sagen können, dass ich mit Farbprojektilen schieße«, füge ich hinzu, »dann hätte ich mich nicht auf einen so starken Rückstoß eingestellt.«
»Hätte das etwas geändert?«
»Nein.« Ich höre mich an, als wäre mein Herz aus Eis - kalt und leer. Ich hasse es.
»Dann ist ja alles in bester Ordnung. Ich wusste, dass du vernünftig genug bist, um die richtige Wahl zu treffen«, schmunzelt die Präsidentin. Ich gehe nicht näher darauf ein.»Darf ich jetzt gehen?«
»Natürlich. Du hast meine Bedingungen erfüllt und deine Verbündeten verraten. Das war sehr gut, Lyra«, lobt mich Hemingway und mich überläuft ein Frösteln. »Ich gebe heute Abend einen kleine Feier für unsere Forschungsabteilung und Sponsoren. Außerdem muss ich ein Statement zu dem Virus und unserem Heilmittel für die Presse abgeben. Ich würde mich sehr über deine Anwesenheit freuen, immerhin gehörst du jetzt zum Team. Das sollten wir gebührend feiern.« Ich zwinge mich zu einem dankbaren Lächeln.
»Selbstverständlich, Frau Präsidentin.«Damit verlasse ich ohne zu zögern diese Folterkammer und trete zurück in das düstere Treppenhaus. Ich halte es keine Sekunde länger unter den drei Schatten aus, allen voran Valerian. Nie wieder werde ich ihn in die Augen sehen können. Nicht nachdem ich mein Leben über seins gestellt habe. Gott, es tut mir so leid.
Meine Augen brennen von den Tränen, die ich krampfhaft zurück halte, sodass ich einen Augenblick die Handballen gegen meine geschlossenen Lider presse. Was ist nur aus mir geworden?Ich habe vielleicht kein Problem zu töten, wenn es sich um Verbrecher der übelsten Sorte oder Verräter handelt. Auch nicht bei solchen, die denen etwas antun wollen, die ich liebe oder mir keine andere Wahl lassen. Aber Valerian und die anderen zwei Männer? Wir gehören zum selben Team. Sie wollten - nein, sie konnten - mir nichts tun und trotzdem habe ich abgedrückt. Schlimmer noch, ich hätte jeden von ihnen eine verdammte Kugel verpasst, wenn es notwendig gewesen wäre. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich meine Rolle spielen muss. Verdammt, ich weiß doch nur zu gut, dass Hemingway mich nicht umbringen würde, da sie mich braucht! Aber ich habe nicht gezögert und sie alle verraten. Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Zu einem Monster?
»Scheiße!«, schluchze ich und setze mich auf den unteren Treppenabsatz, um mir die Hände vors Gesicht zu schlagen. Ich weine nicht, aber meine Schultern beben, als ich mir erlaube, meine Maskarade zu beenden. Langsam aber sicher bekomme ich das Gefühl, dass Ryans Plan schon jetzt zum Scheitern verurteilt ist und wir nichts dagegen unternehmen können. Ich hasse diese beschissene Hilflosigkeit und Unwissenheit.
»Bitte erschreck jetzt nicht«, erklingt auf einmal eine sanfte Stimme hinter mir. Natürlich erschrecke ich nicht. Ich habe seine Anwesenheit gespürt. Die leisen Schritte auf den rauen Betonstufen, das Rascheln seiner Kleidung und sein stetiges Atmen. Außerdem habe ich gehofft, er würde mich einfach in Ruhe lassen.
»Verschwinde, Pearson«, knurre ich und starre missmutig auf meine Sneakers. Er tut mir den Gefallen natürlich nicht. Wäre auch zu schön gewesen, einfach mal allein zu sein.
»Hey, ich weiß, dass du sauer auf mich bist. Aber du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich dir nichts getan hätte. Meine Waffe war nicht einmal geladen.« Er setzt sich dicht neben mich und ich vergrößere den Abstand zwischen uns.
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We are never Safe
Science Fiction»Du kannst dich verstecken, versuchen zu fliehen oder kämpfen. Egal, für was du dich auch entscheidest: Du bist niemals sicher. Nie.« Nachdem ein hochansteckendes Virus beinahe die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, lebt ein letzter Teil, abgeschot...