Nachsitzen

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Zoey:

Die nächsten paar Tage verbrachte ich mit Schule und sperrte mich danach sofort in mein Zimmer ein, um den Unterhaltungen mit meinen Eltern auszuweichen. Draco hatte ich weder gesehen, noch geschrieben. Nachdem Carter mich ins Auto gezerrt hatte, schwiegen wir. Ein kleines'' Danke´´ zum Abschied und er war weg. Es sah so furchtbar aus, wie sie die zwei Jungs einfach so geprügelt hatten. Wie konnte man sich nur so hassen?

Die ersten paar Stunden hatte ich schon einigermaßen überstanden. Nun saß ich mit Aria in Biologie und lernten irgendetwas über das Mikroskopieren einzelner Zellen, die in unserem Körper so sind. Eigentlich mochte ich Bio, genau wie alle anderen Naturwissenschaftsfächer, aber wie mein Leben nun mal war, musste meine beste Freundin Naomi (Sarkasmus) noch vor mir sitzen. Jede Zweite Minute holte sie ihren Lippenstift und ihren kleinen Taschenspiegel raus, um sich ihre schon voll geschminkten Lippen nachzuziehen. Da ich direkt hinter ihr saß, konnte sie mir durch den Spiegel verhasste Blicke zuwerfen, die ich genau so blöd erwiderte, aber mir machte es nichts aus. Eher fand ich es lustig sie auf die Palme zubringen, um dann nur zu sehen, wie sie ihre Lippen schmollend zu einem Duck Face formte und sich ihr Kopf so rot wie eine Tomate färbte, was echt herrlich aussah.

Ich hörte nur noch, wie mein Mäppchen auf den Boden fiel. Natürlich war es Naomis Sitzpartnerin/Freundin/Gefolgin/Dienerin/Dumme Kuh, die absichtlich mein ganzes Material auf dem Boden verteilte. Mit einem genervten Stöhnen stand ich auf und sammelte meine ganzen Sachen zusammen. Ein Stift fehlte. Es war ein teurer Füller gewesen, den ich früher noch von meinem Opa bekommen hatte, bevor er dann seelenruhig und ohne zu leiden von uns ging.

Als ich noch zu Besuch bei meinen Großeltern war, beobachtete ich immer meinen Opa. Wie er mit dem Füller seine Unterlagen, Briefe, Schuldscheine oder Spendenscheine unterschrieb. Seine Schrift war die schönste, die ich je gesehen habe. Als er nicht mehr schreiben konnte in seinem hohen Alter, setzte er mich auf seinen Stuhl, den sonst nur er selber besteigen durfte und ließ mich seine Unterlagen unterschreiben. Natürlich musste ich dabei seine Unterschrift fälschen, aber es machte uns beiden Spaß auszusuchen, welcher Organisation wir was spenden und welche nur unnützes Zeug war.

Ungewollt bildete sich eine kleine Träne. Die Erinnerungen meiner Großeltern waren zwar nicht viele und manchmal auch etwas unscharf vor meinem Auge, doch ich wusste, dass es einer meiner schönsten Erinnerungen sind, die mir von ihnen blieben.

Ich guckte um mich herum. Nirgends war der goldene Schönschreibfüller zusehen. Verzweifelt blickte ich mich auf dem Boden um, doch nirgends war er zu sehen. Plötzlich hielt mir ihn einer vor mein Gesicht.

„Suchst du den hier?“, fragte mich eine erfreute Stimme. Ich blickte auf und bereute es sofort wieder. Vor mir saß Naomi, die mich breit lächelnd angrinste.

„Gib ihn wieder her oder ich werde dich windelweich schlagen!“, drohte ich. Richtete mich dabei auf, sodass ich größer und somit auch bedrohlicher wirkte. Ein belustigter Laut kam von ihr.

„Wieso? Gehört er etwa jemanden besonderen? Vielleicht deinem Lehrer von früher. Ich hab gehört, dass du sein Liebling warst.“ Auf Naomis Mund war ein breites Grinsen zu sehen. Auf meiner Haut bildete sich eine klare Gänsehaut. Mein ganzer Körper versteifte sich. Meine Lungen bekamen keine Luft mehr, doch leben tat ich immer noch. Wieso war es so schwer zu sterben? Damals wollte ich es, weil ich von Adam frei sein wollte, aber heute will ich es nur, weil ich weiß, dass ich nie von Adam frei sein kann. Irgendwann findet es jemand raus und in meinem Fall, hatte es Naomi sehr früh raus gefunden.

„Woher weißt du das?“, zischte ich. Den Füller, noch immer in ihrer Hand, schnappte ich mir noch schnell, bevor sie noch was Dummes damit anstellte. Damit hatte sie nicht gerechnet, fasste sich jedoch schnell und sprang auf. Auf Augenhöhe Funkelten wir uns gegenseitig an.

𝐑𝐞𝐬𝐭 𝐢𝐧 𝐏𝐞𝐚𝐜𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt